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Bepi ValentiEr gehört zu Köln wie der Dom

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Der Gastronom Bepi Valenti neben einem Bild, auf dem ihn der Maler Theodore Marx porträtierte. Das Bild, einst ein Geschenk des Personals, hängt seit Jahren im vorderen Bereich der Lokals.

Innenstadt – Es gab einmal eine Zeit, da war die Pizza hierzulande noch ähnlich exotisch wie die Mottenraupe im mexikanischen Mescal-Schnaps und der Deutsche kaum in der Lage, eine schnürsenkelförmige Nudel um die Zacken seiner Gabel zu wickeln. Und das, obwohl die Hausfrau sie doch pflichtgetreu nach Kochbuchanleitung 15 Minuten gekocht und danach abgeschreckt hatte.

Ja, selbst die Menschen, die heute stolz behaupten, in der nördlichsten Stadt Italiens zu leben, taten sich anfangs schwer mit Lebensmitteln aus Roma und Napoli. Das weiß kaum einer besser als Bepi Valenti, jener Mann, der zwar nicht als erster, aber wohl als ältester italienischer Gastronom in die Kölner Chronik eingehen wird. Heute wird seine Trattoria auf der Breite Straße 50 Jahre alt.

Trattoria – wieder so ein Wort, das vor 50 Jahren noch niemand kannte. Damals hatte man gerade gelernt, was „Gelato“ bedeutet und dass die aus Norditalien eingewanderten „Gastarbeiter“ Meister in der Speiseeis-Herstellung waren. Auch der in Forno di Zoldo geborene Bepi Valenti entstammte einer Familie aus dieser Zunft. Er erkannte jedoch früh, dass man in dem Dolomiten-Örtchen „auf Dauer nicht leben“ konnte. Also folgte er im Alter von 26 Jahren seinem älteren Bruder, der bereits vier Jahre zuvor den Schritt nach Deutschland gewagt und ein Eiscafé in Solingen eröffnet hatte.

Dort lernte der junge Bepi seine spätere Ehefrau Ursula kennen, die sich nicht von dem beeinflussen ließ, was damals manch Kölner Gastronom am Ring auf sein Türschild geschrieben hatte: „Keine Italiener!“ Auf der Suche nach eigenen Räumlichkeiten in Köln fand das Paar jene Immobilie auf der Breite Straße, die wegen der Aufteilung „vorne Eiscafé und hinten Kneipe niemand haben wollte“. Bepi und Ursula schlugen zu und eröffneten am 15. Februar 1963 ihr Lokal genau gegenüber vom ehemaligen Pressehaus.

„Die ganze schräge Elite war da versammelt“

Damals, vor 50 Jahren, hatten sich bereits etliche andere aus Bepis Dorf in Köln niedergelassen, wie zum Beispiel Gigi Campi auf der Hohe Straße, die ab 1967 zur ersten Fußgängerzone Deutschlands wird. „Der Campi hat noch von meinen Leuten gelernt“, erklärt der heute 77-Jährige, der anfangs im vorderen Teil seines Betriebes sein Eis verkaufte, während sich im hinteren Teil immer häufiger berühmte Menschen von Bühne und Film trafen.

„Die ganze schräge Elite war da versammelt“, berichtet Armin Maiwald, der sich 1968 gerade mit seiner Produktionsfirma selbstständig gemacht hatte. „Das Gute war: Wenn man gerade einen Toningenieur brauchte, fand man den da“, erzählt der Vater der „Sendung mit der Maus“. Gut kann er sich an das legendäre Rahmschnitzel mit heller Soße erinnern, „ein Festessen, was man sich damals nur ab und zu leisten konnte“.

„Bepis Kneipe war für uns Schauspieler besser als jede Kantine“, erklärt Herbert Meurer, ebenfalls Gast der ersten Stunde. „Wir hatten das Gefühl, hier zu Hause zu sein. Und Bepi sei stets „ein verschwiegener, diskreter Gastwirt“ gewesen, dem man „das Herz ausschütten konnte und wusste, er behält alles für sich“ .

Wie Meurer erinnert sich auch Werbefachmann Manfred Becker an die frühen Zeiten, an Abende mit Regisseur Rainer W. Fassbinder und an den exzessiven Alkoholkonsum von Schauspieler Günther Ungeheuer, dem Bepi „fünfmal Lokalverbot“ erteilte. Becker selbst kam immer wieder, weil es gemütlich war und wegen der guten Kommunikation.“

Irgendwann reichte die winzige Küche in der Mitte des Lokals nicht mehr aus, und in der Kneipe war nicht ausreichend Platz für alle, die essen wollten. Also marschierten immer öfter Gäste mit ihrem Teller in den vorderen Teil. Dabei erkannte Bepi, dass Journalisten, Theaterschauspieler und Filmleute „eigentlich keine Eisdielen-Klientel“ darstellen. Also wurde Ende der 70er Jahre umgebaut.

Mit den veränderten Räumlichkeiten begannen Ursula und Bepi Valenti, ihre Gäste mehr auf italienische Küche einzustimmen. Kein leichtes Unterfangen. „Die kannten keine Zucchini, keine Auberginen und waren nicht in der Lage, Spaghetti mit der Gabel zu drehen. Und als wir versuchten, mit Radicchio ein bisschen Farbe in den Salat zu bringen, kamen die Teller mit den roten Blättern zurück. Die erste Lasagne kriegten wir kaum los“, erinnert sich der Mann, der diese und andere Nudelspezialitäten in Köln populär gemacht hat. Von dieser Zeit schwärmt auch Hedwig Neven DuMont. „Bepi war das allererste Lokal meiner Kinder. Die haben vorher noch kein Restaurant gekannt“, erinnert sich die Frau des Verlegers Alfred Neven DuMont und lobt das noch immer leckere Essen. Köln ohne Bepi sei für sie undenkbar. In ihrem Herzen werde es stets das alte Pressehaus-Restaurant bleiben.

„Die Deutschen haben viel von uns Italienern gelernt, und das ist auch gut so“, sagt der Gastronom, dem 1994 vom damals erst wenige Monate amtierenden italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi der Titel „Cavaliere“ (Ritter) verliehen wurde.

Als es noch keine Stehcafés gab

Früher habe man in Deutschland nirgendwo im Stehen Kaffee getrunken. „Es gab nur Kännchen, und da war die erste Tasse lauwarm und die zweite ganz kalt“, sagt Bepi und lacht. Er verrät nicht, wie lange es dauerte, bis man aufhörte, sich über die geringe Flüssigkeitsmenge in der Espressotasse zu beklagen.

Meistens handelte es sich ja auch um größere Flüssigkeitsmengen, die die Stammgäste zu sich nahmen, derweil Zeichner Karl-Heinz Schrörs sie als Karikatur auf Bierdeckeln verewigte. Längst ist Bepi zu einer Persönlichkeit geworden, die – nicht nur aus Alice Schwarzers Sicht – „zu Köln gehört wie der Kölner Dom“. In den zurückliegenden 50 Jahren haben ungezählte Prominente – darunter etliche mit Weltruhm – das Lokal aufgesucht: Die Schauspieler Nadja Tiller und Walter Giller, Sonja Ziemann, Charles Regnier, Mario Adorf, Jürgen Prochnow, Trude Herr. Die singenden Künstler Udo Jürgens, Herbert Grönemeyer, Lucio Dalla, Milva – sie alle waren Bepis Gäste.

Manche wie Schauspieler Peter Bongartz kommen seit Jahrzehnten regelmäßig und fühlen sich auch deshalb zu Hause, weil sie neben Bepis im Betrieb arbeitenden Söhnen Marco (46) und Renato (48) auch die Angestellten teilweise schon seit Jahrzehnten kennen.

Lediglich eine Sorte Gast ist verschwunden. Der, der einst an der Theke stehend rief: „Bepi, jivv mer noch eine Vino Bianco – ävver vun däm Ruude!“