Der pensionierte SEK-Beamte Volker Lange spricht über einen der schlimmsten Einsätze in seiner beruflichen Laufbahn.
Bus-Entführung in Köln 1995„Bitterlich weinende Menschen“ – SEK-Beamter erinnert sich an Geiselnahme in Deutz
Die Entführung eines Stadtführungsbusses am 28. Juli 1995 gehört zu den dramatischsten Verbrechen, die sich in Köln ereignet haben. Der 31-jährige Täter hatte auf dem Deutzer Messeparkplatz zunächst den 26 Jahre alten Busfahrer erschossen und später auf einen Polizisten gefeuert und diesen schwer verletzt. Bevor das SEK die Geiselnahme beenden konnte, erschoss der Täter noch eine Touristin.
Der inzwischen pensionierte SEK-Beamte Volker Lange war Kommandoführer bei dem Einsatz und erinnert sich so genau an „den sieben Stunden langen Nervenkrieg“, dass er jetzt noch das Kennzeichen des Busses weiß und die Kleidungsstücke der Geiseln vor Augen hat.
Unklar, ob ein oder mehrere Täter
Lange, damals 34 Jahre alt, hatte an diesem Freitagmorgen einen Mafioso aus der JVA in Ossendorf abgeholt und in einer gepanzerten Limousine zum Landgericht gebracht. Während dort die Verhandlung begann, wollten er und seine siebenköpfige Mannschaft eigentlich frühstücken. Dazu kam es nicht mehr, weil ein Kollege aus dem Geschäftszimmer der Spezialeinheit über die Gegensprechanlage meldete: „Achtung, an der Deutzer Messe sind Kinder in einem Bus, und es wird geschossen!“
Lange und sein Team fuhren zur anderen Rheinseite, ohne eine Vorstellung davon zu haben, was sich dort bisher zugetragen hatte, und ob es sich um einen oder mehrere Täter handelte. „Es war eine ganz vage Informationslage!“
Beim Geiseldrama von Gladbeck schon Hospitant bei der Spezialeinheit
Ein ähnlich schweres Verbrechen, die Entführung und Ermordung des ehemaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer im Jahr 1977, war für den damals 16 Jahre alten Lange „der Grund gewesen, zur Polizei zu gehen“. Bei einer weiteren Gewalttat, die später als „Geiseldrama von Gladbeck“ in die Geschichte einging, war Lange bereits Hospitant beim SEK. Doch jener Hochsommertag im Juli 1995 zählt rückblickend zu „den schlimmsten Erlebnissen“ seiner Laufbahn. Oft stellte Lange sich die Frage: „Hättest du den schon am Anfang erschießen lassen müssen?“ Am Ende war es der damalige Leitende Polizeidirektor Winrich Granitzka, der das Kommando erteilte und schließlich auch den Schießbefehl gab. Der 31-jährige Täter Leon Bor, der keine Forderungen gestellt, sondern aus reinem Hass gehandelt hatte, starb im Gang des Busses.
In Langes Einnerung sind neben dem Bild des vermummten und mit Sprengstoff ausgestatteten Täters vor allem die Bilder der Geretten präsent geblieben. Bitterlich weinende Menschen, die durch die Fenster nach draußen gehoben wurden.
Ein Dankeschön von höher Stelle ist bis heute nicht erfolgt
Lisa Klein, die damalige Fremdenführerin im Bus, bedankte sich später im Rahmen einer Anzeige in der Zeitung für die Rettung von 22 Menschen und die selbstlose Hilfe. Diese war für Volker Lange immer ein berufliches Selbstverständnis. „Da zu sein, wenn andere in Angst erstarren oder in Panik flüchten“, ist Teil seiner Dienstauffassung.
Gleichwohl wäre es für ihn und seine SEK-Kollegen – damalige wie heutige – schön, auch mal eine Anerkennung von höherer Stelle zu erhalten. Eine vom Ministerium des Inneren für den 2. November 2020 anberaumte Dankesfeier musste wegen Corona ausfallen. „Aber da ist bis heute auch nichts nachgekommen.“