Plädoyer für Kölns Historische Mitte„Günstiger als heute wird es nie werden“
- Das Kölnische Stadtmuseum soll als Teil der „Historischen Mitte“ später an den Roncalliplatz ziehen.
- Aber kommt die „Mitte“ wirklich? Der Rat soll demnächst entscheiden, ob er Großbauprojekte stoppt, verschiebt oder sogar streicht.
- Turadj Zarinfar vom Förderverein fordert den Bau, er sagt: „Nach so vielen Jahren brauchen das Stadtmuseum und die Mitarbeiter Sicherheit.“
Köln – Vor acht Jahren legte der damalige Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) beim traditionellen Herrenessen der Freunde des Kölnischen Stadtmuseums einen Plan vor, den er „kühn, aber realisierbar“ nannte.
Damals sprach Roters von einer neuen „Historischen Mitte“ am Roncalliplatz, die ein saniertes Römisch-Germanisches Museum (RGM), einen Neubau für das Kölnische Stadtmuseum (KSM) sowie ein neues Bürohaus für RGM, KSM und Hohe Domkirche vorsieht. Kurienhaus und RGM-Studienhaus müssen dafür weichen. Es war eine Idee, der der Stadtrat erst nach Roters Anküdigung mit offiziellen Beschlüssen folgte: 2018 beispielsweise genehmigte das Gremium, die Planung zu beginnen.
Verein der Freunde des Stadtmuseums setzt sich für die „Historische Mitte“ ein
Allerdings: Vor 2029 soll die „Mitte“ nicht fertig sein, aktuell planen Kirche und Stadt das Projekt, nächstes Jahr soll der Rat über den Bau final entscheiden – doch jetzt hat Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) angekündigt, ihre Großbauprojekte überprüfen zu lassen. Der Stadtrat soll entscheiden, ob er Bauten aufschiebt, stoppt oder sogar streicht.
Aktuell ist die Liste noch in der Mache, als Ziel gilt die Sitzung des Hauptausschusses des Stadtrates am 17. Oktober. Angesichts dieser Liste will der Vorsitzende des Vereins der Freunde des Stadtmuseums, Turadj Zarinfar, sich am Freitag beim jährlichen Herrenessen vehement für die „Historische Mitte“ einsetzen. Was Roters, mittlerweile Vize-Chef des Vereins der Förderer, begann, wird Zarinfar fortführen und verteidigen. Der Kreis schließt sich.
Zarinfar sagte im Vorfeld: „Wenn die Stadt alle paar Jahre die Richtung wechselt, dann werden die Bauprojekte nie fertig.“ Und trotz derzeit hoher Baukosten sagt Zarinfar, Leiter eines Ingenieurbüros: „Günstiger als heute wird es nicht werden.“
Aktuell liegt die Kostenprognose bei rund 183 Millionen Euro, doch erst beim Baubeschluss im nächsten Jahr wird vermutlich eine weitere vertiefte Aussage zu den Gesamtkosten vorliegen.
Mehrheit für Projekt gilt als sicher
Allerdings gilt es ohnehin als ziemlich sicher, dass die Mehrheit des Rates sich für das Kulturbauprojekt ausspricht, so steht es auch im Kooperationsvertrag von Grünen, CDU und Volt, auch Reker stellt die „Mitte“ nicht in Frage. Auch Zarinfar hat keine ernsthaften Zweifel, dass die „Mitte“ kommt.Das Stadtmuseum hat furchtbare Jahre hinter sich und auch noch vor sich: Erst platzte die geplante Sanierung des Zeughauses samt Erweiterung, dann machte ein Wasserschaden das denkmalgeschützte Zeughaus unbrauchbar.
Umzug ins Interim verzögert sich
Also sollte das frühere Modehaus Sauer als Interim dienen, bis die „Mitte“ gebaut ist – doch auch dort türmen sich die Probleme. Erst im Juni bis September 2023 soll das Museum eröffnen. Das Stadtmuseum ist ein Museum ohne Heimat, mit dem Hoffnungsschimmer der „Historischen Mitte“. Zarinfar sagt: „Nach so vielen Jahren brauchen das Stadtmuseum und die Mitarbeiter Sicherheit.“
Sicherheit ist das eine, die andere Seite ist, dass die Stadt Köln zuletzt vor allem bei den großen Kulturbauprojekten überfordert wirkte. Nun kommen noch Inflation, Lieferkettenprobleme, die Folgen der Corona-Pandemie sowie ein auf Kante genähter Haushalt dazu.
Experte: Bauprojekte sollten besser geplant werden
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebund, hatte deshalb im Juli gefordert: „In Städten und Gemeinden müssen Projekte gestoppt werden oder können nicht weiterbetrieben werden, weil man die finanziellen Folgen nicht abschätzen kann.“
Für Thomas Sindermann sind aus dem Leim gehende Großbauprojekte aber kein Automatismus, auch in Krisenzeiten nicht.
Sindermann ist ein von der Kölner Industrie- und Handelskammer vereidigter Sachverständiger für Baupreisermittlung sowie Bauablaufstörungen, er sagt: „Dass Großbauprojekte teurer werden und länger dauern, hängt nicht immer ausschließlich mit außergewöhnlichen Krisen wie der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg zusammen. Bei Bauprojektabwicklungen spielen eine Reihe von anderen Faktoren eine Rolle, die sich insbesondere durch eine gründliche Planung und vorausschauende Projektvorbereitung weitgehend beherrschen lassen.“
Zarinfar: Stadtrat soll Bau beschließen
Auf die Frage, ob Zarinfar die Skepsis vieler Bürger aufgrund der schlechten Erfahrungen in Köln verstehen kann, sagt er: „Ja, die Skepsis kann ich nachvollziehen.“ Aber was die Alternative sei, fragt er, er sieht sie nicht. Die Stadt müsse den eingeschlagenen Weg nun fortsetzen, den Bau beschließen, weil: „Das Modehaus Sauer ist keine Perspektive für das Stadtmuseum, das ist kein Museumsort.“ Am Freitag beim Herrenessen will er das Stadtmuseum per virtuellem Rundgang zeigen, danach ist das auch für die Kölnerinnen und Kölner möglich.