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Gentrifizierung in KölnGemeinsam gegen Verdrängung im Rathenauviertel

Lesezeit 3 Minuten

Die schönen Altbau-Wohnungen am Rathenauplatz sollen mittel- und langfristig nicht nur Besserverdiener leisten können.

  1. Politik und Anwohner wollen den Ausverkauf von attraktivem Wohnraum stoppen – Milieuschutz heißt das Zauberwort

Köln-Innenstadt – Mieterhöhungen nach Luxussanierungen, Anwaltskanzleien in schicken Altbauwohnungen, Eigentümer, die ihre Wohnungen lieber kurz an Touristen statt dauerhaft an Familien vermieten, und Mietwohnungen, die in Eigentumswohnungen umgewandelt werden, – Katrin Herzog und Klaus Adrian von der Bürgergemeinschaft Rathenauplatz sind sich sicher, dass die Mieten in ihrem Viertel durch all diese Faktoren unter großem Druck stehen.

20 Euro pro Quadratmeter

Mit einer Bürgereingabe wollen sie die Politik zum Handeln zwingen. Nun schlossen sich die Politiker aus der Innenstadt ihrem Vorschlag an und beauftragten die Verwaltung, das Rathenauviertel unter besonderen Schutz zu stellen. Im April hatten Herzog und Adrian ihr Anliegen der Bezirksvertretung vorgestellt. „Wir reden von 16 bis 20 Euro je Quadratmeter. Das ist auch für die Mittelschicht unbezahlbar“, sagt Klaus Adrian von der Bürgergemeinschaft, die unter anderem ein Café und den Biergarten auf dem Rathenauplatz betreibt.

Seine Mitstreiterin widerspricht der Einschätzung, dass die Aufwertung des Viertels längst abgeschlossen sei: „Hier findet Verdrängung statt“, sagte Herzog. Zwar sind sich Politik und Verwaltung einig, dass mehr Sozialwohnungen gebaut werden müssen. Herzog wies aber – angesichts des ohnehin mageren Erfolgs dieser Bemühungen – darauf hin, dass gleichzeitig bezahlbarer Wohnraum erhalten werden müsse.

Unterstützung durch Bezirksvertretung

Bei den Bezirksvertretern stieß sie auf offene Ohren. Regina Börschel, SPD, verwies auf Bemühungen aus dem Jahr 2013. Damals hatte das Gremium eine soziale Erhaltungssatzung für das Viertel gefordert. Herzog und Adrian fordern diese ebenfalls für ihr Rathenauviertel. „Dass Sie die Geduld verlieren, ist nachvollziehbar“, sagt Börschel. Mit der Satzung kann die Stadt unter anderem Umbauten, Modernisierungen und Umwandlungen in Eigentumswohnungen verhindern.

Und tatsächlich stehen die Chancen inzwischen besser. Im Severinsviertel setzt die Stadt derzeit einen Ratsbeschluss um und arbeitet an einer solchen Schutzsatzung. Die Erfahrungen dort sollen dann auf andere Stadtteile und Nachbarschaften übertragen werden. Eine Liste mit Verdachtsgebieten soll den politischen Gremien im Herbst vorgelegt werden. Der Rathenauplatz gehöre zu den untersuchten Gebieten, so die Stadtverwaltung.

Bislang fehlt es allerdings an Personal, um weitere Verdachtsgebiete zu analysieren. Mit der Vorlage im Herbst will die Verwaltung auch den nötigen Bedarf an zusätzlichen Stellen beziffern. Zwei Sachbearbeiter für jedes Gebiet, das untersucht werden soll, seien nötig, ist aus der Stadtverwaltung zu hören.

Anwohner-Befragung im Severinsviertel

Seit Mitte Juni lässt die Stadtverwaltung die Bewohner des Severinsviertels befragen. Interviewer fragen unter anderem nach der Höhe der Miete, nach Ausstattung, Wohndauer und zur Nachbarschaft.

So soll festgestellt werden, ob sich die Zusammensetzung der Bevölkerung durch die bauliche Aufwertung der Wohngebäude im Viertel verändert. Liegt diese Voraussetzung vor, kann der Rat eine „Soziale Erhaltungssatzung“, auch Milieuschutzsatzung genannt, verabschieden. Ziel sei, die „Wohnbevölkerung vor Verdrängungsprozessen zu schützen“, formuliert es die Stadtverwaltung in einer Presseerklärung. Noch bis September soll die Befragung andauern.

Andere Städte nutzen das Instrument intensiver, München etwa seit 1987. Laut Internetpräsenz der Stadt sind 21 Satzungen in Kraft, in Gebieten mit insgesamt 262 000 Einwohnern. (phh)