Kölner Heinrich-Böll-PlatzSo viel kostet die skurrile Bewachung seit 23 Jahren
Köln – Seit mittlerweile 23 Jahren lässt die Stadt Köln den Heinrich-Böll-Platz an der Hohenzollernbrücke an vielen Tagen bewachen, weil er die Decke der Philharmonie bildet und der Schallschutz laut Verwaltung nicht ausreichend ist. Bei Proben und Konzerten darf niemand den Platz betreten, die Geräusche könnten zu hören sein und die Musiker stören. Die Bewachung kostet seit dem 1. April 1999 Jahr für Jahr viel Geld.
Die Stadtverwaltung hat nun dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mitgeteilt, wie hoch die Gesamtsumme mittlerweile ist – und dass definitiv geplant ist, den Platz in einigen Jahren nicht mehr zu bewachen.
Insgesamt 3,1 Millionen Euro hat die Stadt Köln für die Bewachung des Platzes von 1999 bis 2021 gezahlt, für 2023 sind 318.000 Euro eingeplant. Die endgültige Summe hängt aber von der Anzahl der Einsätze ab und steht erst am jeweiligen Jahresende fest. Unter anderem der Tarifabschluss für Sicherheitskräfte hat den Stundenlohn von 19,68 Euro auf 22,16 Euro erhöht und damit die jährlichen Gesamtkosten angehoben. 2009 beispielsweise waren nur 105.000 Euro eingeplant.
Der Betriebsausschuss Veranstaltungszentrum des Stadtrates berät am 31. Oktober über die 318.000 Euro, seine Zustimmung gilt als sicher. Laut Stadt übernehmen arbeitslose Kölnerinnen und Kölner die Bewachung über die mittlerweile komplett städtische Tochtergesellschaft namens Kölner Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung mbH, das Geld verbleibt demnach im „Konzern der Stadt Köln“.
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Angesichts der Millionen-Kosten stellt sich trotzdem erneut die Frage, ob die Bewachung tatsächlicher wirtschaftlicher ist als eine Sanierung? Der Böll-Platz schaffte es sogar schon in das Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes, darin beleuchtet der Verein die aus seiner Sicht schlimmsten Fälle von verschwendeten Steuermitteln.
1998 hatte ein Gutachter die nötige Sanierung der Decke der Philharmonie mit 4,7 Millionen Euro angesetzt, sie dürfte mittlerweile deutlich teurer sein. Zumal selbst danach laut der Aussage der Verwaltung „kein störungsfreier Konzert- und Probenbetrieb gewährleistet werden“ kann.
Schon 2009 verteidigte Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) die Bewachung, sie sei nicht unwirtschaftlich. Dieses Urteil bekräftigt die Stadtverwaltung jetzt gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Gleichzeitig kündigt die Stadt an, dass es mit der Bewachung vorbei sein soll, wenn Philharmonie und Museum generalsaniert werden, die Häuser sind 1986 fertiggestellt worden. 2024 soll der Stadtrat über die möglichen Varianten entscheiden, frühestens 2028 würde die Sanierung starten.
Die Verwaltung teilt mit: „Eine bauliche Verbesserung des Schallschutzes könnte nur durch einen grundlegenden Eingriff in die statische Saalkonstruktion erreicht werden und ist erst bei der geplanten Generalsanierung der Philharmonie vorgesehen.“ Das heißt: Die Stadt legt sich darauf fest, dass der Heinrich-Böll-Platz nach der Sanierung wieder dauerhaft für Passanten geöffnet wird.
Verdutzte Passanten an Infotafeln in Köln
Zusätzlich zu den Sicherheitskräften weisen aktuell Infotafeln Passanten darauf hin, dass sie den Platz zu bestimmten Zeiten nicht überqueren dürfen, was teils zu recht komischen Szenen führt, wenn die Mitarbeiter verdutzten Touristen erklären, warum sie einen öffentlichen Platz nicht betreten dürfen.
Laut Verwaltung sind die Probleme erstmals 1996 aufgetreten, die „Schallisolierung (…) war im Hinblick auf ein geändertes Nutzerverhalten nicht mehr ausreichend. Insbesondere Inlineskater und Skateboardfahrer, für die die Platzfläche aufgrund ihrer Gestaltung besonders attraktiv ist, sowie die mit Rollen ausgestatteten Koffer, verursachen diese Beeinträchtigungen.“ So hat die Stadt die Probleme schon 2009 beschrieben.
Stadt: Klageandrohung wegen des Kunstwerks
Verkompliziert wird die Bewachung, weil der Platz Teil des Kunstwerks Ma’alot („Stufen“) des Bildhauers Dany Karavan ist, Änderungen müssen laut Stadt mit ihm oder seinen Erben abgestimmt werden. Karavan ist 2021 gestorben.
Die Stadt sagt dazu: „Durch eine Absicherung des Platzes mittels Absperrgittern oder Seilsicherungen sah der Künstler Dani Karavan sein Urheberrecht beeinträchtigt, das auch nach dem Tod des Künstlers mit Übergang auf seine Erben fortbesteht.“ Karavans Rechtsvertreter habe eine Klage angedroht, deshalb bewache die Stadt den Platz, statt ihn abzusperren.