Kölner Hotels werben erfolgreich um dringend benötigte Mitarbeiter – da wird sogar das Tattoo oder das Piercing bezahlt.
Zukunft der Arbeitswelt?Kölner Hotels werben Mitarbeiter mit Gratis-Tattoo und Vier-Tage-Woche an
Manuela Benders Arme sind tätowiert, der Kollege Lenardo Michels hat ein Tattoo am Hals und Lucas Klein trägt ein Nasenpiercing. In vielen Hotels wird das nicht so gerne gesehen. „Aber hier ist man besonders offen“, sagt Manuela Bender. Hier im Ruby Ella Hotel am Hohenzollernring gibt es sogar einen Zuschuss zum Wunsch-Tattoo von bis zu 500 Euro – oder für ein Piercing oder eine neue Frisur, so bunt wie man möchte.
Voraussetzung: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen seit mindestens sechs Monaten an Bord sein. „Die meisten haben sich für Tattoos entschieden. Wir haben die Kampagne jetzt nochmal um ein halbes Jahr verlängert“, sagt Hotelmanager Daniel Suré.
Seit Oktober letzten Jahres gibt es hier außerdem wie in der gesamten Ruby-Kette die 35-Stunden-Woche – bei vollem Lohnausgleich. Dazu einen monatlichen Mobilitätszuschuss von 100 Euro, egal ob man zu Fuß kommt, mit der Bahn oder dem Auto. Und 30 Euro für eine Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio. Die Angebote zeigten Wirkung. „Wir sind fast an der Vollbesetzung“, sagt Hotelchef Daniel Suré. Es habe einen großen Zuwachs an Bewerbern gegeben, einige neue Mitarbeiter konnten gewonnen werden.
Wobei Suré einräumt, dass er nicht sicher sagen kann, ob da nicht auch weitere Faktoren eine Rolle spielen. Vielleicht liegt es auch an dem coolen Image der Ruby-Kette, die eher jüngeres Publikum anspricht. Das Hotel mit 186 Zimmer hat im Juni 2021 aufgemacht. Hier wird geduzt und es gibt keine Uniformen. Die Mitarbeiter müssen lediglich in Schwarz gekleidet sein, um für die Gäste erkennbar zu sein. „Wir möchten, dass die Leute ihre Individualität zeigen.“
Die 35-Stunden-Woche sei wichtig für die Work-Life-Balance und bringe am Ende entspanntere und motiviertere Mitarbeiter. Der Preis sei nicht zu noch: Als Ausgleich dafür, dass die 25 Vollzeitmitarbeiter nun weniger Stunden arbeiten, musste lediglich eine weitere Vollzeitstelle eingerichtet werden, so Daniel Suré.
Auch im 25 Hours Hotel im ehemaligen Gerling-Hochhaus ist die Arbeitszeit bei gleichbleibendem Lohn reduziert worden. Hier können sich Mitarbeiter seit Anfang 2022 für eine Vier-Tage-Woche entscheiden, wobei eine Schicht neun Stunden lang ist – sodass pro Woche insgesamt vier Stunden weniger gearbeitet werden. Drei freie Tage pro Woche sind garantiert. „Das entspricht einer Lohnerhöhung um zehn Prozent“, sagt Hotelchefin Grit Pauling. „Klar, das ist erstmal eine Investition, aber es zahlt sich am Ende aus.“
Der Großteil der Mitarbeiter habe sich nach einer Testphase für das Vier-Tage-Modell entschieden. Es mussten neue Schicht-Pläne erstellt werden. „Und man muss auch erstmal ein Gefühl dafür kriegen.“ Doch die Auswirkungen seien nun deutlich und positiv zu spüren. So sei der Krankenstand signifikant niedriger als zuvor, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zufriedener. Selbst für den Küchen- und Service-Bereich, wo der Personalmangel in der Branche besonders groß ist, konnte man genug Leute finden. „Wir sind fast in Vollbesetzung“, heißt es deshalb auch hier.
Pauling stellt auch fest, dass sich mehr und mehr gelernte Fachkräfte bewerben, die schon älter sind oder Familie haben – und die von dem neuen Arbeitszeitmodell angezogen werden. Wegen der Umstrukturierung seien etwa sechs bis acht neue Stellen geschaffen worden. „Es ist sicherlich kein Allheilmittel, aber wir spüren die Erfolge“, so Pauling.
Christoph Becker, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Nordrhein, sieht das ähnlich. „Für größere Hotels und Ketten kann dies eine praktikable Lösung sein.“ Für kleinere Häuser sei es vielleicht eher schwierig. „Aber ich glaube, man muss heute viel flexibler denken, über alte Grenzen hinausgehen.“ Vielleicht kommt dem Trend auch entgegen, dass sich nach der großen Pandemie-Krise nun die Personallage wieder etwas entspanne.
„Es wird noch kräftig gesucht. Aber in Köln ist die Not – im Unterschied zu ländlichen Gebieten – nicht mehr so groß.“ Eine Pleitewelle sei ausgeblieben, es habe lediglich einige „Marktbereinigungen“ gegeben. Aushilfen und Studenten kehrten nun zurück, auch die Zahl der Azubis steige wieder. Viele gut ausgebildete Kräfte wie Rezeptionisten seien allerdings im Lockdown in Arztpraxen oder Anwaltskanzleien gewechselt. Die zurückzuholen, sei schwierig. Die 35-Stunden-Woche könnte da ein Anfang sein. Ein Gratis-Tattoo ist dann Geschmackssache.