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Reinigung und ZerstörungKünstlerin Christine Rath zeigt in Köln ihre Ausstellung „Krieg und Wäsche“

Lesezeit 4 Minuten
Zu sehen ist Künstlerin Christiane Rath vor ihrer Installation in der Kirche St. Gertrud im Agnesviertel.

Christiane Rath vor ihrer Installation in der Kirche St. Gertrud im Agnesviertel.

Die Ausstellung eröffnet in der Kirche St. Gertrud im Agnesviertel. Sie stellt das Reinigungsritual und das Zerstörerische, den Krieg, gegenüber.

Zwei Leinen mit weißer Wäsche sind durch den Raum der Kirche St. Gertrud gespannt. Die übergroßen Kleidungsstücke sind allerdings nicht aus Stoff, sondern nur Silhouetten verschiedener Klamotten, gefertigt aus einem japanischen Papier. Das Material erinnert an Spitze, lässt Licht durchschimmern und verleiht dem dunklen Raum der Kirche etwas Mystisches. Sie wirken wie eine Erscheinung, die Socken, Herrenunterhosen, Damenslips, BHs, Hosen, Hemden, Kinderstrumpfhosen.

Die Wäscheleinen sind Teil von Christiane Raths Installation „Krieg und Wäsche“, deren Ausstellung am Samstag, 7. September, um 18 Uhr in der Kirche an der Krefelder Straße eröffnet.

Die Symbolik der Wäscheleinen

Für die Künstlerin hat frisch gewaschene Wäsche auf der Leine eine besondere Bedeutung: Sie symbolisiere etwas Reines, Unschuldiges, Friedliches, Positives und eine gewisse Leichtigkeit, mit der sie auch im Wind tanzt, sagt Rath. Dem Reinigungsritual, dem Wäschewaschen, wohne etwas Heilendes inne „Die Leinen sind weltumspannend“, so Rath, „etwas, das alle verbindet. Es gibt sie überall auf der Welt, auch wenn die aufgehängten Klamotten jeweils ganz anders aussehen.“

Das Waschen der Wäsche sei zugleich eine Notwendigkeit, eine Kulturleistung. Meist würden Frauen diese Aufgabe übernehmen. Der Krieg hingegen sei Männersache, auch ein Auswuchs der menschlichen Kultur, aber auf negative Art und Weise. Er bedeute Tod und Zerstörung.

Kriegsfoto „Hochzeit im Schützengraben“

Rath hat mit ihrer Installation beides kontrastreich in Szene gesetzt: Ein großes Schwarzweiß-Foto auf der Seite der Leinen und alte vermoderte Bahnschwellen am Boden bieten einen düsteren Kontrapunkt. Das Foto zeigt eine Szene aus dem Jahr 1917, im Ersten Weltkrieg: eine „Hochzeit im Schützengraben“. Blumen sind zu sehen, ein Akkordeonspieler und ein Hochzeitspaar.

Erst auf den zweiten Blick ist erkennbar, dass die Braut, die Hut und Rock trägt, eigentlich ein Mann ist. Vor ihm steht ein gerahmtes Bild, das eine Frau zeigt. „Vielleicht war es einfach nur ein Spaß“, sagt Rath, „möglicherweise handelte es sich aber auch um eine Fernhochzeit.“

Zu sehen ist ein großes Schwarz-Weiß-Foto, das eine Hochzeit eines deutschen Soldaten 1917 an der Front in der Ukraine zeigt.

Ein großes Schwarz-Weiß-Foto zeigt eine Hochzeit eines deutschen Soldaten 1917 an der Front in der Ukraine.

Solche hätten damals im Krieg stattgefunden, beispielsweise, weil die Verlobte bereits schwanger war und das Kind einen Vater haben sollte. Das Foto zeigt die Absurdität der Situation: „Die Männer müssen an der Front kämpfen“, so Rath. „Dabei möchten sie viel lieber heiraten.“ Passend zur aktuellen weltpolitischen Lage sei das Bild in einem Schützengraben in der Ukraine aufgenommen worden.

Bahnschwellen ins Nirgendwo

Ein weiterer Teil der Installation sind vermoderte Bahnschwellen, die quer über dem Kirchenboden zu schweben scheinen. Rath hat sie dort auf transparenten Plexiglasstützen platziert, wie eine Zugstrecke ins Nirgendwo. „Züge spielen in Kriegen eine Riesenrolle“, erläutert Rath, „zum Transport von Truppen und Material. Darin hat man Menschen in Konzentrationslager gebracht.“

Die Schwellen würden von der Bahnstrecke stammen, die nach dem Sieg gegen Frankreich 1871 zu militärischen Zwecken in der Eifel gebaut wurde, aus Angst vor der Rache der Franzosen. Sie wurde 1913 fertig, rechtzeitig vor den folgenden Weltkriegen. Im Zweiten Weltkrieg habe man sie dann zerstört, um zu verhindern, dass die Amerikaner sie nutzen, schildert Rath. Es konnte die Truppen nicht aufhalten: Die amerikanische Armee fuhr dann mit Panzern durch die Eifel.

Die zerstörte Bahnstrecke verrottet vor Ort „Die Landschaft vergisst nichts“, sagt die Künstlerin. Um so erschreckender findet sie, wie schnell die Menschen vergessen zu scheinen. „Wir haben doch Bilder, Dokumentationen und Dokumente von den Kriegen“, betont sie. „Man kann einfach nicht verstehen, dass es immer wieder losgeht. Ich kann mit der Installation daran nichts ändern, aber ich möchte meine Angst vor den neueren Entwicklungen zum Ausdruck und die Betrachter und Betrachterinnen zum Nachdenken anregen.“


„Krieg und Wäsche – Eine multimediale Rauminstallation zum Frieden“ St. Gertrud, Krefelder Straße 57, Vernissage: Samstag, 7. September, 18 Uhr. Öffnungszeiten: Samstag, 7. Und Sonntag, 8. September, von 12 bis 19 Uhr. Danach ist die Ausstellung noch bis Sonntag, 22. September, täglich von 16 bis 19 Uhr zu sehen. Programm: Am Samstag, 14. September, und am Sonntag, 22. September, zeigt der Schauspieler Philipp Sebastian jeweils von 16 bis 19 Uhr eine Performance. Am Mittwoch, 18. September liest die Kölner Autorin und Journalistin Christina Bacher aus dem Buch „Ein Schiff für den Frieden. Das mutige Leben des Rupert Neudeck“, das die Geschichte der Cap Anamur erzählt.