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„Der beste Job, den ich je hatte“Marko Berger über sein Leben am Kölner Theater

Lesezeit 7 Minuten
Marko Berger

Chef des Theaters ist Marko Berger.

Innenstadt – Marko Berger war in seinem ersten Berufsleben Konzernrevisor in einem großen Unternehmen. Seit 2012 ist der ausgebildete Schauspieler und Kabarettist künstlerischer Leiter und Geschäftsführer des Orangerie-Theaters im Volksgarten und verantwortlich für bis zu 160 Vorstellungen im Jahr.

Aktuell bereitet er mit Unterstützung der Stadt die Sanierung des Gebäudes vor, die mit 1,8 Millionen Euro zu Buche schlagen wird. Im Anschluss soll das Theater Platz für bis zu 150 statt wie bisher 90 Zuschauer bieten. Wir treffen Berger zum Gespräch in seinem Büro in dem denkmalgeschützten Gebäude, in dem sich auch der Theatersaal befindet. Eine Katze streift durch die Räume. Laut Berger kann sie Türklinken und Mikrowellen öffnen.

Sind Sie öfter im Volksgarten unterwegs?

Ja. Ich mache meine Pausen-Spaziergänge im Park. Manchmal bietet es sich an, wenn man ein intensives Gespräch führen muss, die Räume hier zu verlassen. Das macht den Kopf frei. Wenn wir eine Team-Sitzung haben, gehen wir oft in den Garten. Das hilft, um runterzukommen und sich zu sammeln.

Das ist schon ein besonderer Ort.

Das ist das schönste Büro, das man sich vorstellen kann. Auch das ganze Umfeld: Am Eifelplatz gibt es kleine Lokale, in der Merowinger Straße das Filos. Ich fühle mich sehr wohl mit den vielen Theatern ringsum. Der Keller, das Freie Werkstatttheater, die Comedia: Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander.

Wie ist Ihr Theater hier gelandet?

Ende des 19. Jahrhunderts war es die Villa des städtischen Gartenbaudirektors, nach dem Krieg eine städtische Gärtnerei. Das eigentliche Theater wurde 1990 von einem Künstlerkollektiv gegründet. Seit 2007 beziehen wir städtische Förderung für den Theaterbetrieb. Ich bin seit Juli 2012 hier. Das ist der beste Job, den ich je hatte.

Bis das Theater einen Namen hatte, dauerte es aber eine Weile?

Die Künstler waren lange stark auf sich konzentriert, was der Wirkung nach außen etwas im Weg stand. Im Winter wurde das Gebäude von der städtischen Gärtnerei genutzt. So konnten sie nur in den Sommermonaten Vorstellungen zeigen – kein leichtes Unterfangen für ein Theater. Dennoch muss man sie als Pioniere betrachten. Sie haben sich auf diese Unwägbarkeiten eingelassen.

Heute ist das Orangerie-Theater ein vollwertiges Theater?

Ja. Zunächst einmal wegen unseres künstlerischen Profils. Aber seit 2015 sind wir auch „ganzjahresspielfähig“, nachdem das Gebäude in Teilen mit Hilfe der Stadt Köln und des Landes saniert werden konnte.

Was war denn Ihr Auftrag, als Sie dazu stießen?

Damals suchte man einen Geschäftsführer, der die Zahlen kontrollieren sollte. Ich war mal Banker, genauer: Revisor. Während der Finanzkrise habe ich gemerkt, dass sich die Krisen immer wiederholen. Ich hatte da auch keinen Bezug mehr zu. Dann erfuhr ich, dass das Orangerie-Theater einen Geschäftsführer sucht.

Das war noch als Künstlerkollektiv organisiert?

Richtig. Das war 2012 eine extrem schwere Gemengelage. Das Gebäude war in keinem guten Zustand. Erschwerend hinzu kam, dass die Förderung auf der Kippe stand. Es verließen uns Künstler, weil sie kein Vertrauen mehr hatten. „Was will der schon ausrichten?“, mag manch einer gedacht haben, als ich dazu kam. Ein Teil blieb jedoch und neue Gruppen interessierten sich für uns. Ich bin allen dankbar. Ohne die Vorreiter gäbe es das Orangerie-Theater nicht und ohne die, die das Wagnis mit mir eingehen wollten, wäre ein Neustart nicht möglich gewesen.

Was war Ihre Rolle als Geschäftsführer?

Ich habe mich manchmal mehr als Mediator gesehen. Schnell wurde jedoch klar, es braucht eine künstlerische Leitung, um die Fäden zusammen zu führen. Für Künstler ist es extrem schwierig, die Intensität der Produktionsarbeit mit der Leitung eines Theaters zu verbinden. Da bleibt immer was auf der Strecke. Ein großes Manko war die unzureichende Präsenz in der Öffentlichkeit.

Wie viele Leute gehören denn inzwischen zum Theater?

Das ist handverlesenes Personal. Wir sind fünf feste Leute, je nach Projekt können dann aber auch bis zu 20 nötig sein, um die Veranstaltungen durchzuführen.

Das Ensemble kommt immer von außen?

Ja. Wir arbeiten mit professionellen freien Gruppen. Da hat Köln ein großes Potenzial. Deswegen sehe ich keinen Sinn darin, mit einem eigenen Ensemble anzufangen. Zumal es auch für die Künstler wichtig ist, viel rumzukommen. Wir brauchen die freien Gruppen. Die Gruppen brauchen eine Bühne und ein verlässliches Haus.

Kommt das Publikum wegen Ihnen oder wegen der Gruppen?

Manche Gruppen haben sich längst ein treues Publikum geschaffen. Es hat tatsächlich etwas gedauert, bis die Zuschauer ins Programm schauten, was bei uns so auf dem Spielplan steht. Da wollten wir hin. Ein schönes Ambiente und ein gut aufgelegter Gastgeber samt Team retten keinen Flop auf der Bühne.

Das Programm machen Sie.

Ja. Und um das Programm und starke Künstler, die was zu sagen haben, geht es den Leuten doch.

Was war Ihr Ziel?

Am Anfang ging es darum, einen Spielplan zu füllen. Da gab es viele Kompromisse, um keine Lücken zu haben. Dann war die bauliche Situation ständig ein störendes Thema. Früh haben wir versucht, uns von den Mitbewerbern zu unterscheiden, damit nicht überall das Gleiche zu sehen ist. Mit dem Interesse der Künstler an unserem Theater stieg dann auch das Publikumsinteresse deutlich an. Eine gute Auslastung geht nicht über Gefälligkeiten, sondern über ein verlässliches Profil. Unser Publikum erwartet inzwischen, dass unsere Programme ein bisschen schräg liegen.

Welche Nische besetzt Ihr Theater, ist das eine Experimentierbühne?

Ja. Wir machen Theater, Tanz und Crossover. Produktionen, die sich nicht immer in eine Schublade stopfen lassen. Dazu bietet unsere flexible Großraum-Bühne viele Möglichkeiten, die man mit einer klassischen Bühne nicht hat. Und ich halte mich an den alten Theatergrundsatz: „Du darfst nicht langweilen!“

Sie leben mit dem Theater wie viele in der freien Szene von der städtischen Förderung.

Jemand hat mich mal als Angestellten der Stadt bezeichnet. Da ist ein bisschen was dran. Der Austausch ist konstruktiv und zuweilen belebend. Das betrifft auch die anstehende Vollsanierung. Das notwendige Vertrauen ist über Jahre gewachsen.

Wann haben Sie sich die Sanierung denn vorgenommen?

Am Anfang wollte ich nichts mehr davon hören. 2012 hatte der Rat eine Sanierung abgelehnt. Wir standen immer nur als Bruchbude in der Zeitung. Mir war klar, das Profil muss stärker auffallen. Über die Jahre haben wir uns dann künstlerisch stärker etabliert und über viele Gespräche das Vertrauen bei den Entscheidern der Stadt gewonnen.

Wer ist denn Ihre Zielgruppe?

Ich habe das Gefühl, die Leute gehen immer öfter spontan ins Theater und lassen sich auf das ein, was an dem Abend passiert. Davon profitieren wir. Wir verkaufen viele ermäßigte Tickets, das spricht für viele junge Zuschauer. Reiferes und älteres Publikum hat ebenfalls einen hohen Anteil.

Wie passt Ihr Theater denn in das Biotop „Südstadt“?

Die Lage ist toll, das Theater gut erreichbar. Das Publikum ist theateraffin. Ich erlaube mir aber den Hinweis, dass unser Publikum zu einem großen Teil aus ganz Köln und auch überregional anreist.

Ist es besonders politisch?

Ohne das plakativ über den Hauseingang zu hängen: Bei uns gibt es keine Gruppe und keinen Regisseur, die sich mit ihren Themen nicht automatisch in einem politischen oder gesellschaftspolitischen Kontext bewegen. Dabei mag ich es sehr, wenn Stücke polarisieren. Mir ist aber wichtig, dass es handwerklich stimmt. Es gab in der Szene einmal Diskussionen, ob Theaterleiter ihr Publikum dazu aufrufen sollten, wählen zu gehen. Was würden Sie da als Zuschauer sagen: „Danke, dass es Sie gibt“?

Spüren Sie als gefördertes Theater besonderen Druck, relevant zu sein?

Ich gehe einmal einen Schritt weiter: Freies Theater ist relevant. Ist das Ergebnis einer Umfrage, die vom Kulturamt der Stadt Köln in Auftrag gegeben wurde. Und natürlich können wir Theaterleiter uns am Ende einer Spielzeit selbst ein sehr genaues Bild davon machen, wie es um die Relevanz, sprich: Auslastung, steht.