Deutzer Drehbrücke gesperrtKölner nehmen gefährliche Abkürzung – Lösung gefordert
Deutz/Poll – Nur ein paar Meter Richtung Westen und man wäre dort, wo bei schönem Wetter die Drachen steigen, Familien Fußball spielen oder picknicken. Geht aber nicht. Es gibt keinen Weg über das Deutzer Hafenbecken.
Seit gut einer Woche ist die Drehbrücke am Hafen, die einzige nördliche Verbindung zur Alfred-Schütte-Allee und den Poller Wiesen, gesperrt. Erholungsuchende oder Radfahrer, die den Weg am Rhein als schnelle und sichere Verbindung schätzen, müssen während der auf knapp ein Jahr angesetzten Brückenbauzeit Umwege in Kauf nehmen. Und das gestaltet sich vor allem für Radfahrer eher schlecht als recht, wie Betroffene seit der Brückenschließung beklagen.
Radfahrer lassen sich nicht auf geplante Umfahrung ein
Die weitaus überwiegende Zahl der Radbegeisterten lässt sich nämlich nicht auf eine Umfahrung der Baustelle ein, die städtische Verkehrsplaner im Sinn hatten. Eine halbstündige Beobachtung vom vergangenen Wochenende zeigte, dass 99 von 100 Radlern eine kreuzungsärmere Variante wählten, die aber nicht ungefährlich ist. Von Poll her kommend nutzten sie an der Kreuzung Am Schnellert/ Poller Kirchweg nicht die per Schild erlaubte Durchfahrt für Radfahrer bis zur Siegburger Straße, wo sie über den Radweg auf der östlichen Straßenseite Richtung Deutz und Innenstadt gelangen könnten. Sie folgten vielmehr dem gelben Umleitungshinweis und bogen links in den Poller Kirchweg ein.
„Zweimal die Siegburger Straßen überqueren, um in die Kölner Innenstadt zu gelangen? Das ist wirklichkeitsfremd, so etwas macht doch kein Mensch“, urteilt Freizeitradler Timo Röbel. Er ist mit seiner Partnerin an der Kreuzung kurz stehengeblieben, beide haben überlegt und achselzuckend den direkteren Weg über den Kirchweg eingeschlagen. Die breite Straße durchs Industriegebiet ist zwar trostlos und nach Auffassung von Nutzern wie Horst Walter „mit Abstand die dreckigste Straße in Deutz“. Sie ist aber immerhin relativ sicher – bis zur Stichstraße an der Tankstelle. Dort biegen Autofahrer, die auf dem parallel zur Siegburger Straße verlaufenden Poller Kirchweg schnell mal eine Ampel sparen wollen, wieder zur Siegburger Straße ab. Die meisten rechnen dabei offenkundig nicht mit kreuzenden Radfahrern.
Gefährliche Begegnungen
Das gleiche Bild zeigt sich ein paar Hundert Meter weiter nördlich, wo Autofahrer mit erheblichem Tempo auf den Kirchweg einbiegen. „Hier sollte die Durchfahrt für Autos eingeschränkt werden“, wünscht sich Eva Hagen, die täglich mit dem Rad von Poll nach Mülheim ins Büro fährt. „Wenn nur noch Anlieferer der Mühle den Kirchweg benutzen dürften, würde es für Radfahrer und Fußgänger schon erheblich sicherer“, erwartet sie.
Die passionierte Radlerin hat sich über eine Streckensicherung auch einige Meter weiter nördlich Gedanken gemacht und schlägt Lösungen vor. Auf dem nach Süden führenden Radweg neben der Siegburger Straße zwischen den Einmündungen Poller Kirchweg und Alfred-Schütte-Allee werden Radler derzeit nämlich wohl oder übel zu Geisterfahrern. Das bringt zuhauf gefährliche Begegnungen mit sich. Und ganz übel wird es kurz vor der Kreuzung mit der Alfred-Schütte-Allee, die hier zur Drehbrücke führt. Dort gabeln sich Geh- und Radweg. In nur einer Viertelstunde Zuschauen ließen sich hier gleich mehrere heikle Situationen beobachten. Lebhafter Radverkehr auf der Rad- und Fußgängerspur in beiden Richtungen, Skater, Familien mit Kinderwagen kommen einander ins Gehege, es wird geschimpft, scharf gebremst und geflucht.
Kölnerin fordert neue Lösung
Der Begegnungsverkehr an der schlecht einsehbaren Engstelle ließe sich nach Auffassung der Rad-Pendlerin Eva Hagen durchaus entzerren. Sie schlägt vor, nur Fußgängern den Geh- und Radweg neben der Siegburger Straße frei zu halten und den Radverkehr umzuleiten. Er könnte ihrer Meinung nach über das nicht mehr genutzte Parkplatzgelände eines Autohauses und fast direkt zum Poller Kirchweg führen. Genügend Platz wäre da, allerdings dürfte das Gelände in Privatbesitz sein.
„Jedenfalls sollte die Stadt sich über eine sichere Führung des Rad- und Fußgängerverkehrs noch einmal Gedanken machen“, erwartet Hagen. Im Frühling und Sommer sei ja auf der rechtsrheinischen Nord-Süd-Fahrradstrecke noch deutlich mehr los. Am besten, findet Eva Hagen, wäre natürlich eine Ersatzbrücke über das Hafenbecken, wofür die Bezirksvertretung Innenstadt auf Antrag von Bündnis 90/ Die Grünen jüngst votiert hat. Die Verwaltung hat daraufhin eine erneute Prüfung zugesagt. Auch der Allgemeine Deutsche Fahrradclub Köln (ADFC) und der Verkehrsclub Deutschland hatten, wie berichtet, Bedenken wegen der aktuellen Umleitung für den Fußgänger- und Radverkehr angemeldet.
Online-Petition für eine Behelfsbrücke gestartet
An der gesperrten Brücke weist derzeit ein Bauschild auf die voraussichtliche Dauer der Arbeiten und den geplanten Aufwand hin. Viele Radfahrer und Fußgänger, die von Norden her zu den Poller Wiesen wollten, zeigten sich auch eine Woche nach der Sperrung noch überrascht von der Schließung. „Wenn die Stadt von einem Jahr Bauzeit spricht, heißt das in Köln: wenigstens fünf Jahre“, vermutet ein Passant voller Pessimismus.
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Eine Reihe von Betroffenen findet sich derweil mit der ersatzlosen Sperrung nicht ab. Über die Online-Plattform „Open Petition“ sammelt die Initiative Unterstützer für ihren Einsatz zugunsten einer Behelfsbrücke. Die städtische Kommunikationstransparenz und Einbeziehung der Bürger ließen „zu wünschen übrig“, heißt es im Aufruf. Über einen QR-Code am Brückengeländer können Interessenten digital den Zugang zur Petition finden. Und im realen Leben einstweilen das Hafenbecken nur zu umfahren.