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Wohnungsfahnder überlastetKölner melden immer mehr Fälle von Leerstand und Zweckentfremdung

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Die Fassade des leerstehenden "Taubenhauses" ist zu sehen. Davor Mahnschilder mit der Aufschrift "Mieten stoppen".

Der Kölner „Mietrebell“ Kalle Gerigk protestiert vor dem seit vielen Jahren leerstehenden sogenannten Taubenhaus an der Weyerstraße 49 gegen die Wohnungsnot.

Seit es die Wohnraum-ID gibt, ist der Airbnb-Markt in Köln transparenter geworden. Einen neuen Trend sieht die Stadt kritisch: das Wohnen auf Zeit

Angesichts der Horror-Nachrichten vom Kölner Wohnungsmarkt klingt diese Statistik unglaublich. Alle Welt redet von steigenden Mieten und immer häufigeren Eigenbedarfskündigungen; die Immobilienpreise ziehen nach einer kleinen Delle wieder an. Da überrascht das Statistische Bundesamt mit einer Zahl, die aufhorchen lässt: 14.000 leerstehende Wohnungen soll es in Köln gegeben haben. Das hat die Behörde im Rahmen des Zensus an einem Stichtag im Jahr 2022 ermittelt.

Wer all die verzweifelten und fast schon devoten Hilferufe („Nichtraucher, keine Kinder, keine Haustiere, sauber und leise, geregeltes Einkommen“) Wohnungssuchender auf Abreißzetteln an Ampelmasten und Laternenpfählen in den beliebtesten Kölner Vierteln liest, fragt sich: Wie kann das sein?

Wohnungen in Köln: Geprüft wird erst ab sechs Monaten Leerstand

Carsten Themann kann das klarstellen. Weil er sich jeden Tag mit der Zweckentfremdung von Wohnraum – und dazu zählt auch der Leerstand – befasst. Müsste seine Truppe in der Abteilung für Wohnraumförderung und Wohnungsaufsicht im Wohnungsamt der Stadt Köln rund 14.000 Fällen nachgehen, weil der begründete Verdacht auf illegalen Leerstand besteht, könnte er gleich einpacken. Weil das niemals zu schaffen wäre.

Themanns Truppe – das sind zusammen mit ihm drei Führungskräfte, zehn Ermittler, die täglich vor allem Hinweisen nachgehen, ob irgendwo in Köln Wohnungen unbewohnt oder zu anderen Zwecken genutzt sind, und zwölf Sachbearbeiter. Diese kämpfen sich durch den Gesetzesdschungel, durch Ordnungsverfügungen und müssen Bußgeldbescheide erlassen.

„Diese Zahl ist das Ergebnis einer Einwohnerbefragung und wurde auf die Millionenstadt Köln hochgerechnet“, stellt Themann klar. „Was der Zensus herausgefunden hat, ist nicht automatisch der Leerstand, mit dem wir uns befassen müssen. Darunter dürften auch viele Wohnungen fallen, die vielleicht drei oder sechs Monate nicht bewohnt sind. Wir kennen nur den Leerstand, der uns von Bürgern gemeldet oder aufgrund eigener Ermittlungen bekannt wird. Das ist die Größenordnung, an der wir uns orientieren“, führt Themann aus.

Ende Juni sind 2624 Fälle möglicher Zweckentfremdung aktenkundig

Die Fahnder kommen erst ins Spiel, wenn eine Wohnung mehr als sechs Monate leer steht. „Dann prüfen wir“, sagt der Abteilungsleiter. Wie viele das sind, darüber gibt es keine Statistik. „Wir schauen weniger auf die Zahlen als auf den Sachverhalt.“

Der stellt sich zum Stichtag 30. Juni 2024 so dar: Themanns Team kümmert sich derzeit um 2624 Fälle, bei denen der Verdacht besteht, es könne sich um Zweckentfremdung von Wohnraum handeln. Davon sind 2126 Ermittlungsverfahren und 498, die zwar schon aktenkundig sind, bei denen mit den Nachforschungen aber noch nicht begonnen wurde.

Eröffnung eines Hauses mit Mikroapartments der Firma iLive.
Urban living Köln. Ein Wohnzimmer mit Beistelltischen ist zu sehen. Über zwei Leuchten sind mit Luftschlangen dekoriert.

Wohnen auf Zeit in Mikroapartments liegt in Köln im Trend. Für die Vermietung gelten strenge Kriterien. Bei der Umwandlung bestehender Wohnungen muss der Eigentümer für einen Ausgleich an anderer Stelle im Stadtgebiet sorgen.

Die Zahl der Hinweise steigt stetig an. „Der Wohnungsmarkt in Köln ist dermaßen angespannt, die Mieten steigen und die Neubauquote sinkt. Das führt dazu, dass immer mehr Menschen sehr genau hinschauen, ob irgendwo eine Wohnung seit längerer Zeit nicht genutzt oder zweckentfremdet wird“, so Themann. „Pro Quartal schließen wir zwischen 100 und 200 Fällen ab, aber es kommen auch 200 bis 300 neue dazu. Der Berg wird immer größer.“

Wohnraum-ID sorgt für Transparenz bei Kurzzeitvermietungen

Dabei ist die Kurzzeitvermietung von Privaten über Plattformen wie Airbnb seit der Einführung der Wohnraum-ID und der damit verbundenen Anzeigepflicht seit 1. Juli 2022 das kleinere Problem. Seit ihrer Einführung hat die Stadt knapp 5400 IDs vergeben. Damit dürfen Vermieter ihre privaten Wohnungen bis zu 90 Tage im Jahr vermieten, bei Studierenden sind es 180 Tage.

Neben Köln ist die Wohnraum-ID in den fünf NRW-Großstädten Düsseldorf, Bonn, Münster, Aachen und Bonn Pflicht. Seither sind Eigentümer verpflichtet, jede Kurzzeitvermietung anzuzeigen, auch wenn sie nicht genehmigungspflichtig ist. Die ID-Pflicht gilt auch, wenn nur einzelne Gästezimmer in einer Wohnung inseriert werden. Um Transparenz zu schaffen, müssen Anbieter die zwölfstellige Wohnraum-ID bei allen Annoncen sowohl auf Online-Plattformen oder in Printmedien angeben.

Manchmal bedrohliche Situation

Der Markt sei durch die Wohnraum-ID transparenter geworden, sagt Sachbearbeiterin Alessandra A., deren Namen wir verändert haben, weil es bei Vor-Ort-Terminen schon mal zu bedrohlichen Situationen gekommen ist. „Das heißt aber nicht, dass nicht immer noch getrickst wird. Wir haben Fälle, da wird eine Wohnraum-ID einfach erfunden. Es werden falsche Personendaten angegeben oder Fantasienamen erfunden. Hier reagieren wir mit Bußgeldverfahren. Manchmal kommt es sogar vor, dass Studierende, die 180 Tage vermieten dürfen, eine zweite Wohnung angemietet haben. Ein Student, der sich zwei Wohnungen in Köln leisten kann, dürfte finanziell nicht so schlecht gestellt sein. Das Studierendenprivileg dient aber nicht dazu, ein lukratives Geschäftsmodell aufzubauen.“

Aktenstapel liegen auf einem Regal.

Im Amt für Wohnungswesen nimmt die Zahl der Ermittlungen wegen der Zweckentfremdung von Wohnraum immer weiter zu.

Aus Sicht der Ermittler müsste das Wohnraumstärkungsgesetz des Landes in diesem Punkt verschärft werden. 60 statt 90 Tage pro Jahr könnte mehr Vermieter dazu veranlassen, den Wohnraum anderweitig zu nutzen oder anzubieten.

Weil sich durch die Regulierungen bei Kurzzeitvermietungen richtig gute Geschäfte offenbar nicht mehr machen lassen, sind in Köln neue Trends zu erkennen, der für den angespannten Wohnungsmarkt zu einer zusätzlichen Belastung werden könnte.

Köln: Mikro-Apartments liegen voll im Trend

Beim Wohnen auf Zeit stellen Eigentümer ihre Wohnungen über einen längeren Zeitraum teilweise mithilfe von Dienstleistern an Geschäftsreisenden oder Menschen zur Verfügung, „die sich zu einem ganz bestimmten Zweck eine Zeitlang in Köln aufhalten“, sagt Teamleiterin Claudia D.. „Das begegnet uns in der letzten Zeit häufiger und wird natürlich zu einem zusätzlichen Problem für Menschen, die in Köln nach Wohnraum suchen. Diese Wohnungen fallen einfach aus dem Markt, weil sie zum Beispiel viel zu teuer und zum Teil schon möbliert sind.“

Ein Ladenlokal mit heruntergelassenen Jalousien ist zu sehen. Ein Mann steht im Eingang.

Seit Jahren unbewohnt: Im Agnesviertel stehen in einem Altbau auf der Neusser Straße, in dem sich früher Metzgerei Kuske befand, mehrere Wohnungen leer.

Wo fängt Zweckentfremdung an? „Wir sind der Auffassung, dass Wohnen bedeutet, sich eine Heimstatt im Alltag zu schaffen“, sagt Abteilungsleiter Themann. „Das ist der Unterschied zu einem bloßen kurzfristigen Unterkommen wie im Urlaub oder auf der Geschäftsreise. Zwischen der klassischen Kurzzeitvermietung und regulären Wohnen gibt es aus Sicht der Bürgerschaft eine riesige Grauzone.“

Die weidlich genutzt wird. Besonders allergisch reagiert Themann, wenn Eigentümer klassische Mietshäuser in sogenannte Service-Apartments, Mikro-Apartments oder Boarding-Houses umwandeln wollen. Solange das bei Neubauten beantragt und baurechtlich genehmigt werde, sei dagegen nichts einzuwenden. Aber: Sobald dadurch bestehender Wohnraum vernichtet werde, sei der Bauherr verpflichtet, an anderer Stelle im Stadtgebiet Ersatz zu schaffen.

„Familiengerechter Wohnraum darf durch solche Formen nicht verloren gehen. Da sagen wir dann Nein. Wenn ihr drei 80 Quadratmeter große Wohnungen abreißen und durch 16 Mikroapartments ersetzen wollt, mögen dort vielleicht mehr Menschen wohnen und die Quadratmeterzahl der Wohnfläche größer sein, aber drei klassische Wohnungen für Familien sind dann verschwunden. Die ersten Fälle sind gerade vor dem Verwaltungsgericht Köln anhängig. Dafür kämpfen wir notfalls auch vor Gericht und sind auch willens, die Grenzen unserer Satzung auszureizen.“