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Vertagung der Personalie gefordertStadt Köln stellt Wunschdirektoren für Stadtmuseum vor – Wahl ist längst nicht ausgemacht

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Im ehemaligen Modehaus Sauer soll das Stadtmuseum eröffnen.

Im ehemaligen Modehaus Sauer soll das Stadtmuseum eröffnen.

„Überfallartig“, „Parteigewächs“, „alles andere als optimal“: Dass Philipp Hoffmann Direktor des Stadtmuseums werden soll, sorgt für Unmut.

Es ist 9.32 Uhr an diesem Donnerstagmorgen, als die Stadt Köln Philipp Hoffmann als ihren Wunschdirektoren für das Kölnische Stadtmuseum (KSM) per Pressemitteilung präsentiert. Am Montag soll der Hauptausschuss des Rates die Personalie bestätigen. Das ist in vier Tagen – doch nur kurz nach der Pressemitteilung ist schnell klar: Es werden vier lange Tage, bis Hoffmann nach mehr als einjähriger Suche zum 1. Oktober tatsächlich der Nachfolger von Mario Kramp werden könnte. Die Wahl des promovierten Historikers Hoffmann dürfte alles andere als ausgemacht sein.

Denn der Förderverein des Stadtmuseums äußert sich, Vorstandsmitglied Thomas Müller bezeichnet das Verfahren gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ als intransparent, er sagt: „Wir hatten auf eine renommierte Persönlichkeit mit Erfahrung und Führungskompetenz gehofft. Das wäre für die anstehenden Herausforderungen des KSM notwendig gewesen. Nun bekommt das Museum ein typisches kölnisches Partei- und Karnevalsgewächs.“

Grüne ohne politische Zurückhaltung

Hoffmann ist aktiver CDU-Politiker, er war von 2019 bis 2021 Referent in der Abteilung „Kölnisches Brauchtum“ des Stadtmuseums und Geschäftsführer des Vereins Freunde und Förderer des Kölnischen Brauchtums, der unter anderem die Schull- und Veedelszöch an Karneval organisiert.

Der Förderverein des Museums zählt vor dessen Wahl den Wunschkandidaten der Verwaltungsspitze öffentlich an – das hat Wumms und öffnet die Türen für weitere öffentliche Kritik an diesem Auswahlverfahren, das viele Beteiligte als „nur noch chaotisch“ bezeichnen. Die personell stärkste Fraktion im Rat, die Grünen, versenden ein bemerkenswert eindeutiges Statement, darin nennt die kulturpolitische Sprecherin, Brigitta von Bülow, Findungsprozess und Entscheidung „nicht transparent“, das Verfahren „irritiere“ sie, das Ergebnis sei „alles andere als optimal“. Keine Spur von politischer Zurückhaltung, weil die Grünen im Bündnis mit der CDU und Volt sind.

Grüne wussten laut Fraktionschefinn nichts von der Personalie

Hoffmann sitzt im Vorstand des CDU-Stadtbezirks Kalk als Beisitzer und arbeitete in der Vergangenheit schon für die Ratsfraktion. Auf die Frage, ob die Grünen Hoffmann wählen, sagt Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin: „Wir haben heute erst davon Kenntnis erhalten und werden uns die Vorlage zu der Personalie wie alle anderen in den nächsten Tagen anschauen. Dann prüfen wir, wie wir uns verhalten.“ Es ist die nächste Aussage mit Brisanz: Demnach haben die Grünen, 2015 und 2020 Unterstützer von Reker im OB-Wahlkampf, aus den Kölner Medien von der Personalie erfahren.

Hoffmanns Wahl hängt maßgeblich von den Grünen ab, sie stellen vier der 14 stimmberechtigten Politiker, Martin leitet den Ausschuss. Stimmten die Grünen tatsächlich gegen Hoffmann, könnte das Bündnis im schlimmsten Fall Probleme bekommen, allerdings sind die Emotionen an diesem Donnerstag noch frisch.

CDU wehrt sich gegen parteipolitische Vorwürfe

CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau hält von den Vorwürfen eines parteipolitischen Verfahrens nichts, er sagt: „Es handelt sich um keine politische Besetzung. Die Oberbürgermeisterin hat den Prozess alleine durchgeführt.“ Die CDU werden die Vita prüfen, Hoffmann sei aber ein „sehr guter Kandidat“. Die drei Stimmen der CDU dürfte er also sicher haben. Dazu kommt eine Stimme von Bündnis-Partner Volt, der ebenfalls seine Zustimmung versichert.

Wenig später fordert die FDP (eine Stimme) sogar die Vertagung der Personalie, Fraktionschef Ralph Sterck sagt: „Eine solche Personalie können wir nicht per Tischvorlage entscheiden, Herr Hoffmann muss sich vorstellen und sagen, wie er das Haus führen will. Daran messen wir ihn.“ Für die SPD (drei Stimmen) sagt die kulturpolitische Sprecherin Maria Helmis: „Wir hätten uns eine Kandidatin oder einen Kandidaten mit mehr nationaler oder auch internationaler Erfahrung und breiterer fachlicher Expertise gewünscht.“ Linke und die selbsternannte Fraktion haben jeweils eine Stimme, sie kündigen an, gegen Hoffmann zu stimmen, unter anderem, weil er nur die zweite Wahl sei.

Tatsächlich hatten OB Reker und Kulturdezernent Stefan Charles sich Ende Mai auf eine Kandidatin verständigt, ihr schon zugesagt und später wieder abgesagt. Auf dem Weg zwischen Auswahl und Information für die Öffentlichkeit war doch noch jemandem aufgefallen, dass mehrere Medien den problematischen Umgang der Frau mit öffentlichen Geldern thematisiert hatten und das per Google-Suche leicht herauszufinden war. Also entschied die Stadt sich unter den beiden verbliebenen Kandidaten für Hoffmann. Thomas Müller vom Förderverein sagt: „Hier geben weder der neue Kulturdezernent noch die Oberbürgermeisterin ein gutes Bild ab.“

Lob von Reker und Charles

Doch Reker und Charles loben Hoffmann in der Mitteilung, die OB sagt: „Philipp Hoffmann wäre eine sehr gute Besetzung für das Stadtmuseum. Er kennt das Haus und bringt neben der wissenschaftlichen Qualifikation auch die notwendige Erfahrung mit Blick auf komplexe Aufbau- und Umstrukturierungsprozesse mit.“

Charles bezeichnet Hoffmann als „jungen und engagierten Museumsspezialisten“. Der Kandidat selbst sagt: „Mit dieser Aufgabe würde für mich ein beruflicher Traum in Erfüllung gehen. Als Kölner wäre es für mich eine Ehre und großer Ansporn zugleich, das Stadtmuseum gemeinsam mit dem gesamten Team für die Zukunft neu aufzustellen.“ Im Herbst soll das Museum im Interim im früheren Modehaus Sauer nach mehr als drei Jahren Verspätung eröffnen, Hoffmann zudem den Verbund der historischen Museen in Köln weiterentwickeln.

Allerdings war Teil der Ausschreibung auch eine „nachgewiesene mindestens dreijährige, leitende Führungsverantwortung“ in einer künstlerischen Institution – laut seines Linkedin-Profils sind es bei Hoffmann in Bonn bislang aber nur zwei Jahre und drei Monate.

Und laut des Profils war er zwischen 2019 und 2021 für zwei Jahre und vier Monate Referent für Brauchtum im Stadtmuseum, die Stadt betitelt ihn in ihrer Mitteilung dagegen als Leiter der Abteilung für Kölnisches Brauchtum. Diese Frage könnte letztlich entscheidend sein. Helmis von der SPD sagt dazu: „Besonders stutzig macht die Tatsache, dass der von Oberbürgermeisterin Reker überfallartig vorgeschlagene Kandidat die von der Stadtverwaltung selbst aufgestellten Kriterien in der Ausschreibung nicht zu erfüllen scheint.“