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Lakritzgeschäft in Köln1000 Sorten schwarzes Gold am Rudolfplatz

Lesezeit 3 Minuten

Marie-Nicole Di Renzo und Sascha Eversberg in ihrem Lakritz-Fachgeschäft.

Innenstadt – Manche Menschen bekommen wahrscheinlich schon beim Gedanken an den Film „Goldrausch“ Bauchschmerzen. Für Sascha Eversberg und Marie-Nicole Di Renzo dürfte die Szene, in der Charlie Chaplin seinen Schuh verspeist, indes zu den Höhepunkten der Kinogeschichte zählen – weil der Titelheld in Wirklichkeit keine schwer verdaulichen Gummisohlen knabbert, sondern echt wirkendes Schuhwerk aus Lakritz.

Während den Bayern selbst diese Vorstellung unangenehm sein dürfte, hätten die Norddeutschen mehrheitlich wohl gerne bei Chaplin mitgenascht. In Sachen Lakritz „teilt sich Deutschland nämlich extrem auf“, sagt Di Renzo. Selbstverständlich gehören sie und ihr Lebensgefährte zum Befürworter-Lager und obendrein zu denjenigen, die komplett aus der Statistik fallen, was den jährlichen Pro-Kopf-Konsum betrifft. Der liegt hierzulande bei 200 Gramm. Im Gegensatz zu den Holländern, die laut Di Renzo „Weltmeister im Lakritzherstellen“ sind und im Vernaschen: Sie kommen auf zwei Kilogramm im Jahr, was die zwei Kölner locker toppen. Aber sie müssen ihren Kunden schließlich Empfehlungen geben und sie über die Neuheiten aus der Lakritz-Welt informieren können.

Botanisch gesehen Unkraut

Nach ihrer eigenen Schätzung dürfte es in der „Bärendreck-Apotheke“, ihrem Lakritzfachgeschäft am Rudolfplatz, inzwischen rund 1000 unterschiedliche Sorten geben. Man kann Produkte mit Lakritz nicht nur lutschen oder kauen. Es gibt Zahnpasta mit Lakritz, Tinte, die danach riecht. Es gibt Seife, die wegen ihrer hautberuhigenden Eigenschaften gern gekauft wird. Außerdem wird der Markt „gerade regelrecht überspült mit lakritzhaltigen Getränken“, betont Di Renzo.

Sie selber habe schon als Kind Lakritz verschlungen, erzählt die 39-Jährige und zählt auf: „Salino, Schnecken, Veilchenpastillen vom Büdchen“. Glücklicherweise fuhren ihre Eltern damals oft mit ihr nach Holland, wo die Vielfalt wesentlich größer sei als bei uns. „Von süß bis richtig salzig.“

Ihr 37-jähriger Geschäfts- und Lebenspartner Eversberg stammt aus dem Oberbergischen und war ebenfalls früh ein Fan von dem schmackhaften „schwarzen Gold“, das botanisch gesehen als Unkraut gilt. Die Rede ist von der Lakritze – auch Süßholz genannt – dessen Wurzel ausgekocht wird.

Apotheker erfand die Süßigkeit

Bärendreck-Apotheke

Richard-Wagner-Straße 1, 50674 Köln.

☎ 0221-3559954.

Öffnungszeiten: Dienstags bis freitags 12–18.30, samstags 12–16.30 Uhr. Montags geschlossen.

www.baerendreck-apotheke.de

Dass der Extrakt eingedickt und unter anderem mit Zucker versetzt wird, so dass daraus eine Süßigkeit entsteht, ist erst seit rund 250 Jahren Praxis. Ein englischer Apotheker war es, der die bis dato nur als Heilmittel bekannten Süßholzwurzeln zum Naschwerk machte. Di Renzo erzählt, dass bereits die alten Ägypter die unterschiedlichen medizinischen Wirkungen von Lakritz zu schätzen wussten und es zur üblichen Ausrüstung der römischen Soldaten gezählt habe.

Die Tatsache, dass Lakritze ungefähr die 50-fache Süßkraft von Rohrzucker haben, überrascht nur im ersten Moment, wenn man bedenkt, dass konzentrierter Süßstoff auch alles andere als süß, sondern eher bitter schmeckt. Charakteristisch für den Geschmack vieler Lakritzwaren ist das beigefügte Ammoniumchlorid, auch Salmiak genannt.

Insbesondere die Skandinavier lieben die starke Geschmacksrichtung; wobei es die Finnen „eher klassisch und schwarz“ mögen, wohingegen die experimentierfreudigen Schweden Lakritze vielfach mit exotischen Früchten kombinierten. Ebenfalls eine tolle Lakritzkultur hätten die Italiener, die es ebenfalls stark und salzig mögen und gern mit Chili versetzen.

Lakritz-Marmelade und Lakritzsenf

Die Inhaber der vor acht Jahren gegründeten „Bärendreck-Apotheke“ haben auch Lakritz-Marmelade, Lakritzhonig, Creme Caramel mit Lakritz und Lakritzsenf im Sortiment. Sie süßen ihren Tee mit Lakritzsirup und essen den Käse mit einem Lakritz-Chutney.

2012 sei die Lakritze im Übrigen Arzneipflanze des Jahres gewesen, sagt Di Renzo und kommt noch einmal auf die heilsamen Eigenschaften zu sprechen: bei zu viel Magensäure, niedrigem Blutdruck, Erkältungskrankheiten. Sänger und Märchenerzähler im Orient hätten mittels Süßholz ihre Stimmen geschmeidig gehalten. Nicht zufällig gibt es bis heute Döschen mit der Aufschrift „Caruso“ oder „Soprano“. Nur Lakritzstangen mit der Aufschrift „Helene Fischer“ – die gibt es bis jetzt noch nicht.