Gürtel, Portemonnaies oder Sonderanfertigungen – Unikate aus Leder gibt es bei „Herr Gerber“ in der Südstadt in Köln. Der Ex-Banker tritt in die Fußstapfen seines Schuhmacher-Großvaters und eröffnet seinen eigenen Laden.
Leder-Unikate aus der Südstadt„Herr Gerber“ in Köln wertschätzt sein Handwerk
Immer mehr Geschäfte tragen schlicht den Namen des Inhabers, so auch der neue Laden „Herr Gerber“ in der Kölner Südstadt. Bei „Herrn Gerber“ passt der Name auch noch perfekt zur Ware. Denn bei Jürgen Gerber gibt es alles aus Leder. Und wenn jemand sehen möchte, wie ein Portemonnaie, ein Brillenetui oder ein Gürtel entsteht, muss der noch nicht einmal das Geschäft betreten: Jürgen Gerber hat seine Werkstatt im Schaufenster.
„'Schau mal, der Mann macht hier alles mit der Hand, wie cool' staunten zuletzt zwei zehnjährige Jungs und schauten mir zu. Solche Momente erfreuen mich, ich schöpfe Hoffnung, dass Kinder und Jugendliche Interesse am Handwerk haben und die Handarbeit mehr Wertschätzung erfährt,“ sagt Gerber, der nächstes Jahr genau aus diesem Grund auch Workshops anbieten möchte.
Leder-Unikate aus Köln für Kunden mit Extrawünschen
In seinem Werkstattladen stehen zwei Profi-Nähmaschinen, mehrere kleinere Maschinen für die Lochung, das Nieten und das Abscherfen der Lederkanten, dazu jede Menge Zangen, Sattlernadeln und viele Häute, vorwiegend von Rindern und Ziegen, die er aus Portugal bezieht. Jedes seiner Lederprodukte ist ein Unikat.
„Ein Kunde hat meine Portemonnaies gesehen. Er wollte aber fünf Kartenfächer, ein Fach fürs Kleingeld und ein Sichtfenster für seinen Dienstausweis. Hinten in das Fach sollten 100-Euro-Scheine reinpassen, und es sollte so dünn sein, dass es in der Hosentasche Platz findet,“ erzählt Gerber. Die Arbeit an so einem Unikat dauert ungefähr acht Stunden und kostet 250 Euro. Für 20 Euro bekommt man einen handgefertigten Schlüsselanhänger.
Hochwertige Ledergürtel – handwerklicher Anspruch hat seinen Preis
Ein Gürtel, der aus der Halspartie vom Rind gefertigt und bei einer Breite über vier Zentimeter im Bogen geschnitten wird, kostet um die 100 Euro. Im Gegensatz zu den preiswerten Gürteln, die meistens aus zwei zusammengeklebten Lederstreifen bestehen, sind die Gürtel aus der Südstadt- Ledermanufaktur einlagig. „Ein Gürtel sieht eigentlich einfach aus, ist er aber nicht. Die Kanten sind zu scharf und müssen abgerundet werden, die Löcher, fünf sind Standard, müssen exakt mittig und im gleichen Abstand gestanzt werden. Die Schlaufe ist handgenäht und die Ziernaht, je nach Wunsch auch farbig, nähe ich auch mit der Hand,“ erklärt Gerber.
Wespen-Taillen seien unproblematisch, bei Obelix-Figuren wird es etwas schwieriger, denn dazu bräuchte man ein langes Stück Leder. „Meine Gürtel werden nicht gestückelt, das heißt, bei einem Leibumfang von 135 Zentimetern brauche ich ein Stück Leder von einem Rind mit einem sehr langen Hals“, so Gerber, der schon als Kind gerne nach der Schule seinem Opa, der Schuhmacher war, bei der Arbeit zugeschaut hat.
Außergewöhnlicher Karriereweg des Kölner Geschäftsinhabers
Doch nach dem Abitur studierte Jürgen Gerber zunächst einmal Geschichte und Russisch. Dank seiner Sprachkenntnisse arbeitete er mehrere Jahre in Moskau bei der Osteuropabank, kehrte dann nach Deutschland zurück, wechselte auf die Unternehmerseite und wurde Geschäftsführer bei Jamestown, einer deutsch-amerikanischen Immobiliengesellschaft mit Sitz in Köln.
Vor zwei Jahren ist er ausgestiegen, nachdem die Ärzte Alarm geschlagen hatten. „Schnell wurde mir klar, dass nur zuhause auf der Couch zu sitzen und Däumchen zu drehen mich unglücklich macht. Also kam mir Opas Werkstatt in den Sinn, der Geruch von Leder, die Schwätzchen mit den Kunden, genau das wollte ich und genau das habe ich in der Kölner Südstadt gefunden“, erzählt der fast 60-jährige Ex-Banker, der auf keinen Fall wieder in ein Hamsterrad zurück möchte, deshalb ganz bewusst nicht in Serie produziert und auch keinen Onlinehandel betreiben möchte.
Lernen von den Profis
Jürgen Gerber hat nach seinem Ausstieg aus der Immobilienbranche einem Maßschuhmacher und einem Taschenmacher über die Schulter geschaut. Hat erfahren, welches Leder für Taschen, Brillenetuis, Gürtel oder Schuhe das Richtige ist und gelernt, dass Leder beim Zuschnitt keine Fehler erlaubt. Dabei geht es manchmal nicht nur um Millimeter, sondern um Zehntel–Millimeter.
„Wenn ich in meiner Werkstatt sitze, hat das auch etwas sehr Meditatives. Welche Schritte muss ich in welcher Reihenfolge machen, was muss zuerst genäht werden? Das ist schon sehr komplex, deshalb mache ich keine handgefertigten Schuhe, die brauchen 300 Arbeitsgänge. Ein Sneaker ist da etwas einfacher, den traue ich mir zu.“
Kölner Kunden schätzen besonderes Engagement von „Herr Gerber“
Jürgen Gerber fertigt nicht nur, er repariert auch geliebte Lederschätzchen und erfüllt auch ganz spezielle Wünsche, wie zum Beispiel eine Leder-Tankabdeckung für eine Harley Davidson aus dem Jahre 1958. „Der Kunde brachte mir das alte Teil als Muster und wünschte sich das neue Stück aus weißem Känguru-Leder und einem dickeren gewachsten Faden in Rot.“
Die Kunden, die in den Laden „Herr Gerber“ kommen, möchten scheinbar etwas Besonderes, etwas, was sonst keiner hat. „Ich freue mich über jeden Kunden und erfülle fast jeden Wunsch, denn ich möchte nicht als Mumie im Schaufenster enden“, sagt der Berufsanfänger. Und er hofft darauf, dass sein Label „JG Made in Cologne“ in fünf Jahren auch außerhalb Kölns in aller Munde ist.
Herr Gerber, Kurfürstenstraße 1, 50678 Köln www.herrgerber.de