LGBTQ-Flüchtlinge in KölnLaute Stimme gegen Menschenverachtung
Innenstadt – Das monatliche Zusammentreffen mit gemeinsamem Essen ist für die Gruppenmitglieder von „Sofra Cologne“ weit mehr als nur ein Treffen von Freunden. Für etliche der Besucher ist es der einzige Ort, wo sie so sein können, wie sie wollen – und wo sie sich nicht verstecken oder verstellen müssen. Und zugleich sind die Runden eine Gelegenheit für Austausch und gegenseitige Unterstützung.
Schon seit 2016 lädt der Gründer der Gruppe, der ursprünglich aus dem Libanon stammende Ibrahim Willeke, andere LGBTQ-Flüchtlinge ins les-bi-schwule Jugendzentrum „Anyway“ an der Kamekestraße 14 im Belgischen Viertel ein. „Wir sind eine Minderheit innerhalb der Minderheit“, unterstrich er bei der Verleihung des Multi-Kulti-Preises 2021 in der Scheune des Bürgerzentrums Altenberger Hof, wo er mit Co-Gründerin Ina Wolf und Team-Mitstreiter Akshay Kapadia vor rund 50 Gästen die mit 2000 Euro dotierte Auszeichnung entgegennahm. „Für die deutsche Gesellschaft sind wir Geflüchtete, und innerhalb der Einrichtungen und Unterkünfte sind wir aufgrund unserer sexuellen Orientierung oder Identität Gefahren und Anfeindungen ausgesetzt.“
Menschen zwischen 17 und 40 Jahren
Das Altersspektrum der Gäste bei den Treffs reicht von 17 bis Mitte 40; die Vielfalt spiegelt sich auch in den Herkunftsländern wider: Neben Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten, der zahlenmäßig die meisten Flüchtlinge stellt, gibt es bei Sofra – arabisch für „Tafel“ – auch Gäste etwa aus Afrika, Mittelamerika, Südostasien oder Russland.
Damals hatte er von anderen Flüchtlingen in gleicher Lage gehört, und die Idee entwickelt, sie bei einem Abendessen zusammenzubringen. Der Anfang sei mühselig gewesen, erinnert er sich. „Inzwischen sind wir aber eine selbst organisierte Gruppe, die auch Freizeitaktivitäten macht. Und ich habe auch selbst viel gelernt – wie man seine Ideen umsetzt, oder eine Finanzierung sichert.“ Der geschützte Raum sei bitter nötig. Denn: „Das Thema Trans- und Homo-Feindlichkeit ist in manchen Communitys noch sehr präsent“, weiß er, der sich bereits in seiner Heimat für Minderheiten-Rechte eingesetzt hatte.
Ausgrenzung und Gewalt erfahren
Oft hätten neue Gäste, die in ihren Herkunftsländern Ausgrenzung und Gewalt erfahren hätten, zunächst Hemmungen und Schwellenangst, zu den monatlichen Treffen zu kommen. Diesen biete man an, sich zunächst im Café zu treffen und von dort aus gemeinsam ins Anyway zu gehen. „Die Arbeit von Sofra Cologne ist ein Best-Practice-Beispiel für gelungene Integration“, lobte der Kölner Bürgermeister Andreas Wolter in seiner Laudatio. „Als besonders preiswürdig sah die Jury den Empowerment-Aspekt an, also sich selbstbewusst für seine Rechte einzusetzen und zugleich gegen Minderheiten-Feindlichkeit zu kämpfen.“
Bereits seit 2005 vergibt der gemeinnützige Verein „Multikulturelles Forum“ seine jährliche Auszeichnung für herausragendes ehrenamtliches Engagement in der Integrationsarbeit, für den sich diesmal 40 Projekte beworben hatten. In seiner Arbeit bietet der Verein neben Angeboten zur beruflichen Qualifizierung, Präventionsarbeit sowie Fort- und Weiterbildung auch öffentliche Veranstaltungen rund um den interkulturellen Dialog.
1985 in Lünen bei Dortmund gegründet, hat der Verein inzwischen weitere Standorte in Hamm, Bergkamen, Dortmund und Düsseldorf; zum Jahresanfang 2021 kam Köln als sechste Stadt hinzu, wo der Verein Am Thürmchenswall 77 im Kunibertsviertel sitzt. „Wir sind von der Stadt Köln herzlich aufgenommen worden“, lobte der Vereins-Geschäftsführer Kenan Küçük, der sich an den schwierigen Start der Arbeit in den Achtzigern erinnerte – als damals komplett ehrenamtliche Gruppe ohne eigene Räume. „Die Flut hat uns allen eine Vorstellung davon gegeben, wie verletzlich man sein kann“, sagte die Kölner Standortleiterin Çiler Fırtına im Hinblick auf die prekäre Situation vieler geflüchteter Menschen. „Daher meine Bitte: Seid laut gegen alles, was menschenverachtend ist.“www.multikulti-forum.dewww.sofracologne.de