Beim Hörspielfestival war von anspruchsvoll über klassisch bis gesellschaftskritisch und experimentell für jeden etwas dabei.
Live am MikrofonNachwuchs beeindruckt beim Hörspielfestival im Kölner Stadtgarten
Die Faszination des Hörspiels demonstrierte wohl kaum jemand eindrucksvoller als Orson Welles. Als er 1938 H. G. Wells Roman „Der Krieg der Welten“ als Reportage ins Radio brachte, saßen die Hörer wie gebannt vor ihren Geräten. Manche riefen sogar den Sender an, weil sie den fiktiven Angriff der Marsianer für real hielten. Eine Massenpanik, wie später von der Presse behauptet, hat es zwar offenbar nicht gegeben, doch Orson Welles Performance setzte Maßstäbe für die Branche. Ihm und anderen Hörspielschaffenden aller Altersklassen hat die Hörspielwiese Köln ihr diesjähriges Hörspielfestival gewidmet. Besonders der Nachwuchs, so Festivalleiter Martin Stengel, liege dem Team der Hörspielwiese am Herzen.
Anfänge im Ehrenfelder Leo-Amann-Park
Gemeinsam mit Martin Stengel stemmten Eva Schwert, Melissa Steinsiek-Moßmeier, Sahra Amini, Carolina Rodriguez, Benedikt Schmitz und Max Heck das mittlerweile sechste Hörspielfestival. Nachdem es seit 2018 im Ehrenfelder Leo-Amann-Park beheimatet war, schlug es nun zum zweiten Mal seine Zelte im Stadtgarten auf. Von Freitag- bis Sonntagabend stand das lauschige Plätzchen ganz im Zeichen der Hörspiel-schaffenden Zunft. Von anspruchsvoll über klassisch bis gesellschaftskritisch und experimentell sei für jeden etwas dabei, versprach Stengel. Und das ausgewogene Programm der Hörspielwiese mitsamt Kurzfilm-Wettbewerb gab ihm recht.
Den Auftakt machte die 1955 produzierte Krimi-Groteske „Der Dackel mit dem Schlapphut“ von Hans-Dieter Bove, Dana von Suffrins Hörspiel „Blut“ von 2022 schloss sich an. Bei ihr ging es weniger um die Aufklärung des Mordes an einem jungen Mann um 1900 in Konitz in der damaligen Provinz Westpreußen als um die Vorverurteilung der jüdischen Metzgerfamilie Lewy. Ein Kommissar von außerhalb leitet die Ermittlungen und findet sich in einem Morast von Verschwörungstheorien und Schauermärchen wieder. Parallelen zu aktuellen Entwicklungen waren beim Hörspiel über die Konitzer Mordaffäre sicherlich kein Zufall.
„Dreieinhalb Detektive“ begeisterten Publikum
Als erstes Live-Hörspiel des Festivals trugen die Krimi Komplizen „Tod vor der Kamera“ vor. Das eingespielte Ensemble aus Schauspielern und Synchronsprechern schickte Kommissarin Deutz und ihren Kollegen Ehrenfeld einmal mehr auf die Ermittlungspiste – ganz zum Vergnügen der begeisterten Hörerschaft. „Die Live-Hörspiele sind auf jeden Fall die Höhepunkte der Hörspielwiese“, erklärte Martin Stengel. Kein Wunder, schließlich erlauben sie dem Publikum einen Blick hinter die Kulissen und machen das Event erst lebendig. Das schaffte auch „Orson Welles und der Krieg der Welten“ am Samstagabend bravourös. Mit Hörspiel-Elementen wie Live-Geräuschen, Sprechtheater und Musik samt Klavier ließ das Mainzer Theaterensemble „Mienenspiel“ die Entstehungsgeschichte des legendären Orson-Welles-Klassikers vor dem inneren Auge der Zuhörer erstehen.
Nicht minder virtuos trat das Ensemble der Hörspielreihe „Dreinhalb Detektive“ am Sonntagmittag auf. Als Folgeprojekt der Hörspielwerkstatt, einem Ferienworkshop zur Förderung junger Hörspiel-Talente, haben sich eine Gruppe Zehn- bis Fünfzehnjähriger einen festen Platz im vormittäglichen Kinder- und Jugendprogramm erarbeitet. „Wir haben nachgefragt, ob wir auch in diesem Jahr ein neues Projekt vorstellen können, weil es so viel Spaß macht“, kommentierte der zwölfjährige Matas Selenis. „Ich finde es interessant zu beobachten, wie das Publikum reagiert, während wir ein Hörspiel aufführen“, erklärte sein 15 Jahre alter Bruder Arnas.
Kölner Kurux-Redaktion betreute das Projekt
Die Ideen für „Die Dreinhalb Detektive und der tanzende Ritter“ stammen vom gesamten Ensemble, Arnas Selenis hat sie in Worte gefasst. Herausgekommen ist eine spannende Geschichte um einen Geist, den die Detektive von einem Schloss vertreiben sollen. „Ob das gelingt, wird aber nicht verraten“, scherzte Arnas. Unterstützt wurde das Team von „Kurux“, dem Jugendradio vom Kulturrucksack NRW. Medienpädagogin Saskia Schmitt von der Kölner Kurux-Redaktion betreute das Projekt. „Die Kinder treffen sich einmal pro Woche digital, während der Ferien in Präsenz“, erläuterte sie. Wie ihre Kollegin Dörte Schlottmann, leitende Redakteurin aller Kurux-Redaktionen in NRW, spielte sie auch aktiv beim Hörspiel mit. „Die Kinder wachsen über sie hinaus“, sagte sie über ihre Erfahrungen mit den Dreinhalb Detektiven. Dörte Schlottmann sprach gar von Verve, mit der sie ans Werk gingen.
Abgesehen von vielen Hörspielen bot das von Eva Schwert und Melissa Steinsiek-Moßmeier organisierte Familienprogramm auch Lesungen, Hörspielstationen und einen Kreativbereich. „Die Erwachsenen sind schon Hörspiel-begeistert, die Kinder müssen es erst noch werden“, sagte Martin Stengel zum Engagement für die Kids. Dabei wäre die Neuausgabe der Hörspielwiese fast nicht zustande gekommen. Wegen eines weggebrochenen Förderers stand die Finanzierung auf wackligen Füßen. Zwar waren Stadt, Land und die Film- und Medienstiftung NRW nach wie vor involviert. Was das Event aber letztendlich rettete, war eine zweite Förderung durch die Stadt.