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„Es ist mein zweites Kind“Wie die Kölner Furchtbar entstand und warum Nada Abdin sie abgibt

Lesezeit 4 Minuten
Nada Abdin lehnt an der Theke der Furchtbar.

Nada Abdin hat die Furchtbar 20 Jahre lang betrieben.

Die Furchtbar auf der Kyffhäuser Straße schließt. Im Interview spricht die Betreiberin über die Gründe und die vergangenen 20 Jahre.

Nada Abdin, 54, betreibt seit 20 Jahren die Furchtbar auf der Kyffhäuser Straße. Die Furchtbar war eine dieser Kneipen, die immer geöffnet hatte - 365 Tage im Jahr, immer bis 5 Uhr in der Früh. Seit Corona war die Furchtbar aber nur noch vier Tage in der Woche geöffnet. Nun gibt Nada Abdin den Laden ab. Am Samstag ist der letzte Tag. Am 1. September geht der neue, noch unbekannte Betreiber an den Start. Was aus der Furchtbar wird, ist demnach noch unklar.

Frau Abdin, nach etwas mehr als 20 Jahren geben Sie die Furchtbar ab. Warum?

Das hat mehrere Gründe. Ich betreibe seit 16 Jahren auch noch die Kneipe Tankstelle, bin selber jetzt Mitte 50. Ich habe nicht das Personal und keinen Betriebsleiter, der sich um beide Läden kümmert. Wenn ich keinen Ersatz für eine Schicht bekomme, muss ich selber hier stehen. Das will ich nicht mehr. Ich hänge sehr an diesem Laden, das ist wie mein zweites Kind. Mein Sohn war ein Jahr alt, als ich anstatt noch eine Schwangerschaft nachzulegen, die Furchtbar aufgemacht habe. Aber ich glaube, es ist gut, wenn hier jemand übernimmt, der etwas jünger ist und mit mehr Power reingeht.

Außenansicht der Furchtbar.

Die Furchtbar ist seit 20 Jahren in der Kyffhäuser Straße.

Das Abgeben fällt doch aber sicher schwer.

Das ist mega schwer. Natürlich ist es meine Entscheidung und ich mache das auch gerne. Auch aus dem Grund, weil ich denjenigen, der die Furchtbar übernimmt, kenne und ihn gerne als Nachbar hier habe. Trotzdem berührt einen alles, was an Veränderungen im Leben kommt, emotional. Es sind ganz viele Geschichten, die in mir hochkommen.

Wenn Sie an die Geburt der Furchtbar denken – wie kam es dazu?

Das war eigentlich eine ganz verrückte Geschichte. Ich bin eigentlich Diplom-Pädagogin, hatte danach ein Schulungsunternehmen für Kommunikation. In meiner ganzen Studienzeit hatte ich nicht einmal einen Gastrojob gemacht. Ich war dann öfters im Roxy auf der Aachener Straße und irgendwann wurde ich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, hinter die Theke zu kommen. Da habe ich vom ersten Tag an meine Passion entdeckt. Fünf Jahre habe ich da gearbeitet. Irgendwann hing hier ein kleines Schild draußen: Zu vermieten.

Wie lief das damals?

Ich habe hier einen Laden übernommen, der seine Konzession wegen Drogen verloren hatte. Vor 20 Jahren hatte die Kyffhäuser Straße einen anderen Anstrich. Man kann fast sagen, dass die Zülpicher Straße im Schatten der Kyffhäuser stand. Es war aber auch ein Drogenumschlagplatz. In der Zeit wurden hier drei Läden wegen Drogen geschlossen. Ich selber hatte damit nie etwas zu tun und habe erstmal riesige Schilder angebracht: No Drugs.

Comics als Tapete an der Wand.

Die Wände sind mit Comics tapeziert.

Klingt, als sei es nicht so einfach gewesen.

Ich habe Weiberfastnacht aufgemacht, ich war fix und fertig. Ich habe eine Woche lang parallel hier Gespensterhefte an die Wand tapeziert und gleichzeitig im Roxy gearbeitet – ohne Schlaf. Es war eine harte Zeit, die ganzen ersten zwei Jahre. Aber dann wurde man immer mehr belohnt.

Was ist Ihnen nach all den Jahren besonders im Gedächtnis geblieben?

Da gibt es so viel! Die Leute fanden den Namen „Furchtbar“ immer ganz lustig. Wenn ich von jedem, der nur ein Foto gemacht hat, einen Euro genommen hätte, hätte ich einen schönen Jahresurlaub. Mein Chef im Roxy hatte noch einen weiteren Laden, die Wunderbar. Ich fand den Namen so toll, aber den gab’s ja dann schon. Also wurde es die Furchtbar, auch weil ich großer Fan von „Gespenster-Geschichten“-Comics bin. Dann kam eins zum anderen und eine Fledermaus zur nächsten.

Ein Skelett hängt von der Decke.

Gruseldeko gehört zum Interieur.

Glauben Sie, dass die Kneipenkultur in Köln in Gefahr ist?

Ja. Unabhängig von dieser inflationären Entwicklung, wird zu wenig getan seitens der Stadt. Es wird Gastronomen nicht leicht gemacht. Alles ist immer mit viel Bürokratie verbunden. Immer diese elendig langen Runden Tische. Das ist vertane Lebenszeit. Ich bin nicht für Anarchie, aber die Genehmigung der Genehmigung zu bekommen um eine Genehmigung zu bekommen – das ist doch irre.

Am Samstag ist der letzte Tag in der Furchtbar. Wie geht es Ihnen damit?

Ich kann es gar nicht sagen. Es ist nicht wie ein Geburtstag und nicht wie eine Beerdigung. Ich hoffe, dass ganz viele Leute kommen, die irgendwann einen kleinen Teil dazu beigetragen haben, dass die Furchtbar die Furchtbar ist.