Kölner GedenkstätteNeuer Direktor für NS-Dok gefunden
Köln – Die lange und vielfach kritisierte Vakanz auf dem Chefposten des Kölner NS-Dokumentationszentrum im EL-DE-Haus soll zum 1. November enden: Dr. Henning Borggräfe (40) soll die Leitung der Gedenkstätte übernehmen. Das teilte die Stadt am Dienstagmittag mit, zuvor hatte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet.
Noch muss aber der Hauptausschuss des Stadtrates am kommenden Montag (17. Oktober) zustimmen, das dürfte aber wahrscheinlich sein. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) schlägt seine Wahl dort vor.
Die Direktorenstelle in der städtischen Einrichtung ist seit knapp einem Jahr vakant, damals ging der langjährige Direktor Werner Jung zum 1. November in den Ruhestand, kommissarisch leitet Vize-Chefin Annemone Christians-Bernsee die Einrichtung am Appellhofplatz.
Die lange Suche hatte der Förderverein des Hauses als „nicht hinnehmbaren Zustand“ bezeichnet, „der auch über Köln hinaus kritisch beachtet wird“. Das NS-Dok ist laut eigener Aussage die größte lokale NS-Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus in Deutschland.
Dr. Henning Borggräfe ist ein „international anerkannter Experte“
Borggräfe ist 1981 in Herdecke an der Ruhr geboren worden und hat 2012 an der Ruhr-Universität Bochum promoviert, das Thema lautete: „Entschädigung als Selbstaussöhnung. Die deutsche Auseinandersetzung um NS-Zwangsarbeit, 1979-2005.“
Aktuell ist er Abteilungsleiter Forschung und Bildung bei den „Arolsen Archiven – Internationales Zentrum für NS-Opfer“ in der hessischen Stadt Bad Arolsen. Die Einrichtung ist laut eigener Aussage „das internationale Zentrum über NS-Verfolgung mit dem weltweit umfassendsten Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. Die Sammlung mit Hinweisen zu rund 17,5 Millionen Menschen gehört zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Sie beinhaltet Dokumente zu den verschiedenen Opfergruppen des NS-Regimes und ist eine wichtige Wissensquelle für die heutige Gesellschaft.“
Die Stadt bezeichnete ihn als „international anerkannten Experten für die wissenschaftliche Aufarbeitung der Verbrechen des NS-Regimes“.
Borggräfe lobt das NS-Dok
Borggräfe selbst sagte in einer städtischen Mitteilung: „Das NS-DOK ist ein großer Schatz an Quellen und Wissen und bietet die exzellente Möglichkeit, einen Erinnerungs- und Lernort fortzuentwickeln, der in der Stadt Köln einen wichtigen Platz einnimmt, aber ebenso überregional sowie international große Strahlkraft entfaltet.“
Und Reker teilte mit: „Mit Dr. Henning Borggräfe haben wir eine außergewöhnliche Persönlichkeit gewonnen, die mit herausragender Befähigung und Erfahrung das für unsere Gesellschaft so wichtige NS-Dok in die Zukunft führen wird. Er wird das NS-Dok als starkes Haus für Erinnerung und Demokratie positionieren und es dazu noch stärker mit der Gesellschaft und insbesondere den Kölner*innen verbinden.“
Förderverein begrüßt Neubesetzung
Der Vorsitzende des Fördervereins, Martin Sölle, sagte: „Wir haben uns sehr lange in der Warteschleife dieses endlos langen Verfahrens befunden. Wir begrüßen die Besetzung der Stelle außerordentlich.“
Und Werner Jung sagte: „Henning Borggräfe ist eine sehr gute Wahl für die Position des Direktors des NS-Dok." Laut Jung war Borggräfe schon im nicht zu Ende geführten Auswahlverfahren 2021 ein Kandidat, Jung sagte: „Schon im Juli 2021 beim damaligen Bewerbungsverfahren zählte er für mich zu den zwei Personen, die für das Auswahlgespräch bei der Oberbürgermeisterin vorgeschlagen werden sollten. Doch das Verfahren wurde nicht zu Ende geführt, da ein weiteres folgte. Hätte mein damaliger Vorschlag eine Rolle gespielt, wäre der Stadt und dem NS-DOK eine quälende Zeit von über einem Jahr erspart geblieben.“
Verwaltung lässt politischen Beschluss an sich abtropfen
Eine Ausschreibung der Stelle samt Besetzung war unter anderem Ende 2021 gestoppt worden, weil der Stadtrat im Zusammenhang mit der „Historischen Mitte“ beschlossen hatte, dass die Verwaltung Synergien zwischen Stadtmuseum, Römisch-Germanischem Museum, MiQua und NS-Dok prüfen solle.
Im Frühjahr eskalierte der Streit zwischen Politik und Verwaltung, als der Kulturausschuss beschloss, die Stelle solle sofort besetzt werden. Die Verwaltung ließ den Beschluss an sich abtropfen, teilte mit: „Dieser Beschluss ist für die Verwaltung nicht bindend, weil der Ausschuss Kunst und Kultur für die Angelegenheit nicht zuständig ist.“ Die Entscheidungsbefugnis für Personalangelegenheiten liege der Gemeindeordnung zufolge grundsätzlich bei der Oberbürgermeisterin.