Psychologe über Vergewaltigung„Schlimmeres kann kaum passieren“

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Köln – Herr Lüdke, kann man nach einer solchen Tat in der eigenen Wohnung weiterleben?
Christian Lüdke
Jahrgang 1960, Psychologe aus Lünen. Experte für die Betreuung von Gewalt- und Kriminalitätsopfern und langjähriger psychologischer Ausbilder von Polizei-Spezialeinheiten in NRW.
Christian Lüdke: Etwas Schlimmeres kann einem kaum passieren. Mit der Wohnung werden die schrecklichen Erlebnisse verbunden. Gut ein Drittel der Opfer von Wohnungseinbrüchen zieht aus, obwohl sie den Täter nie gesehen haben. Der Fall der Vergewaltigung wiegt natürlich noch deutlich schwerer.
Welche Folgen kann eine solche Tat haben?
Lüdke: Etwa 30 Prozent der Vergewaltigungsopfer erkranken schwer. Angststörungen können die Folge sein, einhergehend mit Depressionen, Schlaf- und Persönlichkeitsstörungen. Die Angst, bei der Tat zu sterben, das sogenannte Nahtoderlebnis, kann ein Trauma verursachen.
Kann man ein solches Verbrechen überhaupt verarbeiten?
Lüdke: Wir sprechen hier auf zwei Ebenen von einem schweren Eingriff in den Intimbereich. Einerseits wird der Körper angegriffen, andererseits die eigene Wohnung. Es gibt trotzdem Frauen, die eine solche Tat gut verarbeiten und gestärkt aus der Katastrophe hervorgehen können. Manchen hilft zum Beispiel das Engagement für andere Opfer, das eigene Trauma zu überwinden.
Das Gespräch führte Brian Schneider
Zur Statistik in Köln
2013 registrierte die Polizei in ihrer Kriminalstatistik in Köln 198 Vergewaltigungen und schwere sexuelle Nötigungen – ein starker Rückgang um 31 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (286). Im halb so großen Düsseldorf wurden 115 Menschen vergewaltigt; im 3,5 Mal größeren Berlin 589.
In Nordrhein-Westfalen gab es 1850 solcher Übergriffe (Deutschland: 7408). Das heißt, dass etwa jede zehnte Vergewaltigung in NRW in Köln geschah. (og)