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Sessel für 4500 Euro?WDR sucht Designer-Möbel für Kölner Filmhaus

Lesezeit 5 Minuten
Die Visualisierung zeigt den Blick in das neue WDR-Filmhaus.

Die Visualisierung zeigt den Blick in das neue WDR-Filmhaus.

Wie vernünftig gehen die Öffentlich-Rechtlichen mit Geld um? Der WDR braucht nun neue Möbel – und die Listenpreise haben es in sich.

Noch bis zum 29. Juli sucht der Westdeutsche Rundfunk (WDR) eine Firma, die ihm die Möbel für sein Filmhaus liefert, das er seit 2018 in der Kölner Innenstadt für 240 Millionen Euro sanieren lässt. Und der WDR will laut der Ausschreibung vor allem eins einkaufen: Designer-Möbel. Darunter ist etwa ein Tisch, den Star-Architekt David Chipperfield entworfen hat. Chipperfield hat im Vorjahr den Pritzker-Preis gewonnen, er gilt als wichtigster Preis für Architekten.

Aber auch andere Einrichtungsgegenstände offenbaren, wie der WDR sich sein Interieur vorstellt. Beispielsweise möchte die Rundfunkanstalt einen Lounge-Sessel namens „The Spanish Chair“ des Herstellers Fredericia. Die Firma empfiehlt auf ihrer Internetseite einen Preis von 4499 Euro pro Stück – und der WDR braucht 36 Exemplare.

Die Gesamtsumme ohne Mengenrabatte beliefe sich demnach auf 161.964 Euro. Ein langjähriger freier Mitarbeiter sagte dazu: „Das ist die Hybris der Geschäftsführung. Wir Mitarbeiter brauchen solche Möbel nicht.“

4499 Euro soll laut Hersteller Fredericia „The Spanish Chair“ von Børge Mogensen kosten.

4499 Euro soll laut Hersteller Fredericia „The Spanish Chair“ von Børge Mogensen kosten.

Ein anderes Beispiel ist ein Lounge-Sessel namens „Citizen Lowback“ von Vitra, der laut Internetseite der Firma 2920 Euro pro Stück kostet. Insgesamt will der WDR 32 dieser Sessel kaufen. Addiert man den reinen Kaufpreis ohne Rabatte wären das 93.440 Euro.

Auch 207 „Péclard“-Hocker der Marke Horgenglarus sucht der WDR, der Hersteller gibt den Preis mit umgerechnet 404 bis 424 Euro pro Exemplar an.

Den Preis für den „Citizen Lowback“ von Konstantin Grcic gibt Vitra mit 2920 Euro an.

Den Preis für den „Citizen Lowback“ von Konstantin Grcic gibt Vitra mit 2920 Euro an.

Insgesamt sind in dem 139-seitigen Konzept zur Möblierung rund 2700 Möbelstücke aufgeführt, die der WDR für das neue Filmhaus benötigt. Wie hoch die Gesamtkosten ausfallen werden, hängt vom Ergebnis der Ausschreibung ab. Im Filmhaus sollen ab nächstem Jahr rund 700 Menschen crossmediale Inhalte liefern, dazu zählen etwa die Aktuelle Stunde, das Morgenmagazin oder Brennpunkte zu bestimmten Themen.

Eine Sprecherin des Senders teilte zur Möbelsuche mit: „Bei der Ausstattung großer Gebäude ist es üblich, Möbelstücke bekannter Hersteller als Referenz anzugeben, um bei allen Anbietern ein vergleichbares Verständnis zu Anforderungen, Beschaffenheit und Qualität herzustellen. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass die musterhaft genannten Möbel auch tatsächlich eingekauft werden.“ Ob das so kommt, wird sich also nach der Inbetriebnahme zeigen.

Laut Sprecherin hohe Abschläge auf Listenpreise

Die Sprecherin sagte: „De facto wird die Ausschreibung allein über das Kriterium Preis entschieden, dabei ist der WDR offen für gleichwertige Alternativen.“ So steht es auch in der Ausschreibung, doch ist eine gleichwertige Alternative tatsächlich günstiger?

Die Sprecherin verwies zudem darauf, dass die Möbel lange halten sollten. Und sie teilte mit, „dass bei öffentlichen Ausschreibungen in der Regel hohe Abschläge auf die von Ihnen genannten Listenpreise erzielt werden“.

Ausgaben der Sender unter Beobachtung

Die Ausgaben der öffentlich-rechtlichen Sender stehen in den vergangenen Jahren stark im Fokus, denn die Anstalten finanzieren sich aus dem Rundfunkbeitrag von monatlich 18,36 Euro, den in der Regel jeder Haushalt zahlen muss.

Unter anderem war die frühere Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), Patricia Schlesinger, wegen ihrer Ausgaben in die Kritik geraten. Beispielsweise berichtete die „Bild-Zeitung“ im August 2022, dass für den Umbau der RBB-Chefetage inklusive grüner Pflanzenwand und italienischem Parkett mehr als 650.000 Euro veranschlagt worden waren.

Die Visualisierung zeigt, wie das sanierte Filmhaus einmal aussehen soll.

Die Visualisierung zeigt, wie das sanierte Filmhaus einmal aussehen soll.

Nach Schlesingers Rücktritt zeigte der RBB in einem Video das Büro und fragte darin: „Verschwendung von Steuergeldern oder repräsentative Notwendigkeit?“ Der RBB sprach zwar selbst davon, dass so eine Einrichtung „für das tägliche Leben“ nicht gebraucht werde und „übertrieben“ sei – die Räume aber auch repräsentative Zwecke erfüllen müssten.

Die Sanierung des Kölners Filmhauses hat eine Kostenexplosion in den vergangenen Jahren hinter sich: 2019 hatte der WDR mitgeteilt, dass der Bau statt 130 Millionen Euro nun 240 Millionen Euro kosten soll. Laut Sprecherin bleibt es bei dieser Summe.

Harte Kritik von Prüfern

Doch das Bauprojekt war in der Vergangenheit ein Fall für offizielle Stellen, unter anderem der Landesrechnungshof des Landes NRW hat die Entscheidung für den Bau untersucht (wir berichteten). Demnach haben die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat als Kontrollgremium richtungsweisende Entscheidungen vor der Sanierung, vor allem zum Standort, „ohne fundierte, vorherige Untersuchungen getroffen“. „Es gab zu den entscheidenden Zeitpunkten weder eine Immobilienstrategie noch eine WU (Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, Anmerkung der Redaktion).“

Der WDR verteidigte sich, er habe einige der monierten Punkte schon in der Vergangenheit aufgegriffen, unter anderem habe er seit 2015 eine Immobilienstrategie und auch Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen führe er vor Projektbeginn durch. Er hält die Sanierung für die wirtschaftlichste Lösung und sei in einigen Punkten anderer Meinung als der Rechnungshof.

Ein Bild von der Baustelle im vergangenen November

Ein Bild von der Baustelle im vergangenen November

Diese Verteidigung wischte der Landesrechnungshof beiseite, weil die Analyse erst 2019 stattfand – also nach dem Baustart. „Jedenfalls hat der WDR durch die nachträgliche Untersuchung auch nicht den Beweis erbracht, welche Variante für den Ersatz des Filmhauses – auch außerhalb der Kölner Innenstadt – die wirtschaftlichste gewesen wäre.“

Und die Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hatte mehrere Bauprojekte der öffentlich-rechtliche Sender untersucht und geurteilt: „Die Kommission stellte fest, dass die Sanierung des WDR-Filmhauses erheblich über den Kosten vergleichbarer Neubauvorhaben liegt.“ Der WDR verteidigte sich und verwies unter anderem auf den schwierigen Standort in der Innenstadt für die Sanierung.

Die KEF analysiert den Finanzbedarf von ARD, ZDF, Deutschlandradio und Arte und schlägt den Rundfunkbeitrag vor, den Bürgerinnen und Bürger zahlen müssen. Die KEF lehnte die Freigabe von 69,1 Millionen Euro ab, die der WDR für die Sanierung angemeldet hatte, weil „ein erheblicher Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsprinzip vorliegt".


Der Zeitplan bis Fertigstellung

Anfang Februar hatte der WDR mitgeteilt, dass die Sanierung des 1974 erbauten Filmhauses länger dauert als geplant und der Betrieb erst im „Sommer 2025“ starte. Das lag unter anderem daran, dass der Planer für die technische Gebäudeausrüstung im Vorjahr gekündigt hatte (wir berichteten). Dazu zählt unter anderem die Elektrik. Die WDR-Gebäudewirtschaft übernahm die Planungen.

Laut des Bauzeitenplans von April übernimmt der WDR das sanierte Filmhaus am 30. Mai 2025, danach beginnen demnach Testbetrieb, Schulung und Einzug. Die Inbetriebnahme ist laut des Plans für den 17. Dezember 2025 vorgesehen.