Invasive ArtenDie Nilgans erobert Köln
Köln – Sie leben am Rheinufer, am Aachener Weiher und in der Westhovener Aue. Nilgänse sind mittlerweile an den meisten Seen der Stadt vertreten. Zu erkennen sind sie an ihren langen, roten Beinen, einem braunen Fleck auf jedem Auge und am rostfarbenen Gefieder. Besorgte Tierfreunde befürchten allerdings, dass die Nilgänse andere, schon lange heimische Tiere wie die Graugans verdrängen. Denn genau wie die Kanadagans gehört der ursprünglich in Afrika beheimatete Wasservogel zu den Neozoen – Tierarten, die in Deutschland eingewandert sind und sich ihrer neuen Umgebung angepasst haben.
„Im Moment sind die Nilgänse in der Tat auf dem Vormarsch – mittlerweile sind sie so zahlreich, dass die Graugans darunter leidet“, schildert Falko Huckenbeck vom Arbeitskreis Ornithologie beim Naturschutzbund (Nabu). Er selbst beobachtet Nilgänse seit rund 15 Jahren in Köln und Umgebung. „Zunächst waren nur ein bis zwei Brutpaare im Jahr zu sehen“, sagt Huckenbeck. „Heute sind sie bereits an den meisten großen Gewässern anzutreffen.“
30 bis 40 Brutpaare in Köln
Florian Distelrath, kommissarischer Leiter der Unteren Landschaftsbehörde Köln, schätzt die Zahl im Stadtgebiet auf 30 bis 40 Brutpaare. „In Deutschland leben Nilgänse in freier Wildbahn, seit sie in den 1990er Jahren mal aus einem belgischen oder niederländischen Zoo ausgebüxt sind“, erläutert Distelrath. „Aus Naturschutzsicht wünschen wir uns keine Neozoen, da solche Einwanderer immer mit einem Risiko behaftet sind, weil sie zu einem Problem für heimische Arten werden können.“
Dennoch sieht Distelrath die Graugans weniger gefährdet als Huckenbeck. Untersuchungen hätten ergeben, dass andere Tiere der Region nicht zu stark durch die Nilgänse beeinträchtigt würden. „An größeren Gewässern ist auch das Nahrungsangebot groß genug“, versichert Distelrath. Er sieht keinen Anlass, die Exoten verstärkt zu jagen. „Wenn nicht klar belegt wird, dass eine Art schädliche Auswirkungen auf andere Tiere hat, macht das keinen Sinn.“ Die Nilgans gilt laut Europäischer Kommission als in der EU eingebürgert und unterliegt in Nordrhein-Westfalen dem Jagdrecht: Jeweils vom 16. Juli bis zum 31. Januar dürfen die Exoten geschossen werden; die Graugans darf hingegen im August und vom 1. November bis zum 15. Januar gejagt werden.
Hunde stören die Bodenbrüter
Auch Huckenbeck hält es nicht für nötig, Jagd auf Nilgänse zu machen. Dass ihre Zahl im Vergleich zu ihren grau gefiederten Artgenossen stark zunimmt, sei ohnehin eine natürliche Entwicklung, da sie sich stärker vermehren würden, sagt Huckenbeck. „Ich beobachte zurzeit ein paar Graugans-Brutpaare, die alle nur zwei oder drei Junge haben – bei den Nilgänsen sind es hingegen bis zu acht Jungvögel“, sagt Huckenbeck, der eigentlich gelernter Maschinenbautechniker ist und sich privat mit der Ornithologie befasst. Obwohl Graugänse für gewöhnlich vier bis sechs Eier legen, würde nur etwa die Hälfte der Jungtiere überleben. Je mehr Nahrung vorhanden und je geeigneter die Umgebung ist, desto höher seien die Überlebenschancen. „Ein großes Problem sind vor allem freilaufende Hunde, durch die sich viele Bodenbrüter wie die Graugans gestört fühlen – daraufhin flüchten sie aus ihren Nestern und lassen die Eier zurück“, erläutert der Hobby-Ornithologe.
Graugänse bevorzugen Ufer und Inseln in Süßwassergewässern – sofern diese zum Verstecken und zum Schutz der Nester ausreichen. Am liebsten haben sie dichtes Gebüsch im Hinterland, in der Nähe von Teichen, Seen und Flüssen, jedoch nicht unmittelbar angrenzend.
Nilgänse sind flexibler
Die Nilgänse sind flexibler. Sie brüten gerne mal auf Flachdächern oder in alten Krähennestern, die ihnen samt Nachwuchs mehr Schutz bieten, wie Huckenbeck zu berichten weiß. Kommen die heimischen Wasservögel den Exoten zu nahe, kann es zu einer schroffen Auseinandersetzung kommen – zum Beispiel bei der Suche nach Futter. Ein böses Zischen oder Hacken mit den Schnäbeln klärt dann schnell, wer der Stärkere im Territorium ist.
Nilgänsen werde oft nachgesagt, sie seien besonders aggressiv gegenüber anderen Wasservögeln, sagt Florian Distelrath. „Bei uns melden sich mehrmals im Jahr besorgte Anrufer und berichten über Angriffe von Nilgänsen auf Stockenten.“ Trotzdem gehe er nicht davon aus, dass heimische Vögel von den Exoten gefährdet sind. „So gesehen bildet die Kanadagans ein größeres Problem, da sie ähnliche Ansprüche bei der Nistplatz-Wahl hat wie die Graugans.“
Falko Huckenbeck bezeichnet das aggressive Verhalten der Nilgänse sogar als natürlich: „Die Nilgans muss schließlich ebenso wie andere Vögel ihren Nachwuchs verteidigen – da sie und die Kanadagans größer und kräftiger sind, zieht die Graugans nun einmal den Kürzeren.“
Doch nicht immer enden Begegnungen zwischen den Exoten und den heimischen Wasservögeln im Streit, schildert Huckenbeck: „Am Bensberger See in Bergisch Gladbach habe ich sogar schon einen Hybrid zwischen einer Kanada- und einer Graugans gesichtet – Hybride können sich aber nicht weitervermehren, sie sind unfruchtbar.“