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Kölner KinosBroadway, Rex und Co. - Zu Hochzeiten gab es 87 Filmhäuser in der Stadt

Lesezeit 4 Minuten

Das „Broadway“ in der Ehrenstraße war eines der führenden Filmkunsttheater der Stadt.

Köln – Die Betrachtung der drei Rosetten, die bereits vor 60 Jahren die Decke des Residenz-Kinos am Kaiser-Wilhelm-Ring schmückten, vermag Trost zu stiften. Gemeinsam mit den zierlichen Pfeilern und der lindgrünen Bespannung der Wände verliehen sie dem Saal einen „heiter-festlichen Grundton“, schrieb der „Kölner Stadt-Anzeiger“ 1950 zur Eröffnung des Kinos. Heute leuchten die Rosetten wieder im Residenz, das nun eine „Astor-Filmlounge“, ein Luxuspalast mit Beinpolstern und kulinarischem Angebot ist. Davor war es freilich über lange Jahre geschlossen, eine jene Kinoruinen, derer die Stadt einige besitzt.

Pracht und Elend der hiesigen Filmtheater-Szene illustriert nun ein Buch von Marion Kranen und Irene Schoor, das seinen Titel stilecht in neongelbe Lettern kleidet: „Kino in Köln – Von Wanderkinos, Lichtspieltheatern und Filmpalästen“– so heißt der reich bebilderte Band, der eine historische Rundumschau vornimmt. Köln war ein Vorreiter der medialen Revolution, welche die Erfindung des Films und dessen Vorführung auf einer Leinwand bedeutet: Hier – am Augustinerplatz 12 – wurde 1896 erstmals in Deutschland eine Vorstellung für Zahlpublikum gegeben. Gezeigt wurde unter anderem der Film der Gebrüder Lumière, „Einfahren eines Schnellzuges in einen großstädtischen Bahnhof“. Die Bilder sollen auf manche Betrachter einen so realistischen Eindruck gemacht haben, dass sie spontan zur Seite sprangen.

Buch und Vorstellung

Marion Kramen, Irene Schoor: „Kino in Köln“, Emons Verlag, 360 Seiten mit 250 Abbildungen, 24,95 Euro.

Die Neuerscheinung wird an diesem Dienstagabend, 19 Uhr, im Odeon-Kino, Severinstraße 81, vorgestellt. (ksta)

Die Kino-Geschichte ist ein Spiegel des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts. Diesen Eindruck darf man haben, wenn man sich mit Kranen und Schoor durch die Zeiten bewegt. Die Technikbegeisterung der späten Kaiserzeit mit aufkommendem Massenverkehr, Politik als Verblendung und Propaganda im Nationalsozialismus, die Freuden und Fadheiten der Nachkriegs-Konsumgesellschaft, die mediale Ausdifferenzierung und Überforderung unserer Zeit – all das findet sich auch in der Evolutionsgeschichte des Films.

Zum Programm der zu Beginn der 50er Jahre gegründeten zahlreichen ausländischen Kulturinstitute etwa, die die Deutschen aus der Isolation holen sollten, gehörten selbstverständlich Filme. Auch Filmclubs wie der von Studenten 1949 an der Uni gegründete begriffen das Zelluloid als Fenster zur Welt. Köln darf sich glücklich schätzen, dass diese nichtkommerzielle Tradition sich bis heute erhalten hat – wie das Beispiel des „Filmclub 813“ zeigt, der im Riphahn-Bau „Die Brücke“ aktiv ist.

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Der gewerbliche Kinobetrieb erlebte zur selben Zeit sein goldenes Jahrzehnt. Noch war das Fernsehen keine Konkurrenz, und so fiel in die 50er Jahre nicht allein in Köln ein Kino-Boom: 87 Häuser lockten mit mehr als 45 000 Plätzen am Ende des Jahrzehnts 6,35 Millionen Besucher an. Zum Vergleich 2012: Gerade einmal zwölf Kinos waren übrig geblieben, die mit 9000 Plätzen knapp 2,43 Millionen Gäste anzogen.

Noch 1972 zeichnete „Stadt-Anzeiger“-Filmredakteur Hans C. Blumenberg ein freundliches Bild: „Morgens um neun öffnet das »Aki« im Hauptbahnhof seine Pforten, nachts um eins beginnt im »Santa Marlena« am Rudolfplatz die letzte Spätvorstellung für Nachtschwärmer. Wer nichts anderes zu tun hat und es halbwegs geschickt anstellt, vermag in den Theatern zwischen Kalk und Nippes bis zu sieben Filme pro Tag zu konsumieren.“ Mit diesem Angebot sei Köln eine der attraktivsten deutschen Filmstädte.

Erst Hutschachtel, dann Multiplex

Dass sich dies bald änderte, war nicht nur die Schuld von cineastischen Erzeugnissen wie „Graf Porno“, „Dr. Fummel und seinen Gespielinnen“ und allerhand „Erotischen Bestien“. Auch die Kino-Architektur wandelte sich dank sinkender Besucherzahlen dramatisch: Das sogenannte Hutschachtelkino mit wenigen Plätzen und winziger Leinwand war geboren.

Bis hin zu den Gegenentwürfen, den Multiplexen der 90er Jahre und eben den Filmlounges der Gegenwart, zeichnet „Kino in Köln“ ein lebendiges, auch anekdotisches Bild der hiesigen cineastischen Landschaft. Triumph und Scheitern liegen darin oft nah beieinander, wie das Beispiel des „Broadway“ an der Ehrenstraße zeigt. Als Nachfolger von „Alhambra-Theater“ und „City“, eröffnet, zeigte dieses Kino ein ambitioniertes Programm. Dass Sexshops und Rotlichtmilieu allmählich aus der Gegend verschwanden, lag nicht zuletzt an ihm, wie sich der damalige Vorführer, Christian Schmalz, erinnert. Doch die Entwicklung der Straße und die damit verbundenen Mietsteigerungen trugen auch zum betrauerten „Broadway“-Ende 2001 bei. Das Kulturleben einer Stadt sei, schrieb damals Brigitte Desalm, Filmredakteurin dieser Zeitung, „eine schwer fassbare Größe“.