AboAbonnieren

Kölner ModellprojektErstmals duale Ausbildung für junge Menschen mit geistiger Behinderung

Lesezeit 3 Minuten
Eine schwarz gekleidete junge Frau stellt Kaffeekannen ab. Sie hält ein Klemmbrett in der Hand.

Die Auszubildende Jolin Kirchhoff bereitet in der Jugendherberge Riehl das Kaffeebankett für die Tagungsgäste vor.

Der Inklusionsverein "mittendrin e.V." hat ein Konzept entwickelt, Absolventen von Förderschulen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Es soll bundesweit Schule machen.

Gerade muss in der Jugendherberge Riehl „das Bankett“ vorbereitet werden. Die Tagungsgäste im Raum „New York“ haben gleich Kaffeepause. Silke Grünewald (22) und Jolin Kirchhoff (19) sind mit Kaffee und Gebäck auf dem Servierwagen unterwegs in den Tagungsraum. Die beiden machen seit einigen Monaten in der Jugendherberge eine Ausbildung zur Fachkraft Gastronomie/Restaurantservice.

Derweil schnibbelt Lucas Löffelmann (19) als Azubi „Fachpraktiker Küche“ in der Großküche Berge von Paprika für das Abendessen. Nichts Besonderes, könnte man denken. Ist es aber: „Für mich ist das ein Traum“, sagt Silke Grünewald. Dass sie hier eine Ausbildung machen darf, darauf habe sie seit dem Ende seiner Schulzeit in der Förderschule hingelebt. Denn: Grünewald und ihre zwei Mitstreiter sind die ersten jungen Menschen mit geistiger Behinderung, die in das reguläre Duale Ausbildungssystem integriert werden. Die also die Chance haben, berufliche Bildung auf dem Arbeitsmarkt zu erwerben – praktisch im Betrieb und theoretisch in der Berufsschule.

Ein junger Mann mit Brille im weißen T-Shirt füllt einen Teller mit Nudeln und Sauce.

Der Auszubildende Lucas Löffelmann wird Küchenfachpraktiker. Er mag die Arbeit in der Großküche der Jugendherberge Riehl.

Es ist ein bundesweit einzigartiges Modellprojekt, das der Kölner Verein „mittendrin e.V.“ gefördert vom Land NRW und dem Europäischen Sozialfonds in Köln auf die Beine gestellt hat. „Bislang gab es für junge Menschen, die eine Förderschule mit Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung absolviert haben, nur eine Option: den Besuch einer Werkstatt für Menschen mit geistiger Behinderung“, sagt Projekteleiterin Eva-Maria Thomas von „mittendrin e.V.“. Mit dem Projekt „Ausbildung mittendrin“ gibt es erstmals auch für diese Gruppe junger Menschen eine Option auf den ersten Arbeitsmarkt.

An zwei Tagen in der Woche gehen die Kölner Auszubildenden des Projekts auf die Berufsschule. Dort werden sie von Fachkräften des Inklusionsdienstleisters „Projekt Router“ unterstützt. Auch im Betrieb werden sie eng begleitet. Neben den Ausbildungen zum Fachpraktiker Küche und Fachkraft Gastronomie sind unter den ersten fünf Auszubildenden auch zwei Auszubildende als Veranstaltungskauffrau und -mann.

Eine junge Frau in Schwarz füllt Kaffee in eine silberne Kanne.

Silke Grünewald bereitet die Kaffeekannen in der Großküche der Jugendherberge vor. Sie wird Fachkraft Gastronomie und Restaurantservice.

„Uns ist es wichtig, dass Inklusion nicht mit Kindergarten oder Schule aufhört, sondern an der Arbeitsstelle weitergeht“, erklärt Herbergsleiter Steffen Minas, warum der Betrieb bei dem Projekt mitmacht. Die Jugendherberge arbeitet seit zwölf Jahren integrativ: von den 70 Mitarbeitern haben 17 eine Beeinträchtigung. Die Jugendherberge mit ihren 520 Betten ist, wie Minas sagt, die „zweitgrößte auf dem deutschen Festland“ und längst ein Ort nicht nur für Schulklassen, sondern für Veranstalter, Tagungen und Kongresse. „Mir macht das super viel Spaß, mit so vielen verschiedenen Menschen in Kontakt zu kommen“, erzählt Silke Grünewald.

Und während Kirchhoff besonders gerne hinter der Kaffeebar steht, ist Lucas Löffelmann in seinem Element, wenn er in den riesigen Pfannen hunderte Schnitzel brät. Die drei jungen Leute sind motiviert und man spürt, dass sie genau das wollten: eine richtige Ausbildung. „Diesen Biss, den braucht es auch“, sagt Thoms. Schließlich bedeutet es auch eine große Anstrengung, wirklich durchzuhalten – gerade, wenn das Lernen schwer fällt. Die Ausbildung dauert am Ende so lange, wie es für den einzelnen jungen Menschen sinnvoll erscheint. Wer dann nicht in der Lage sei, den regulären Ausbildungsabschluss zu schaffen, soll das Gelernte individuell bescheinigt bekommen. „Alle sollen am Ende etwas in der Hand haben“, so Thoms.

„Mittendrin“ sucht nun neue Teilnehmerinnen und Teilnehmer für das Projekt, die ab diesen Sommer oder später ihre Ausbildung beginnen möchten. Dies können auch junge Menschen sein, die in den vergangenen beiden Jahren in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung gearbeitet haben. Außerdem werden Absolventen von Schulen im Bildungsgang Geistige Entwicklung oder Schülerinnen und Schüler in der Ausbildungsvorbereitung am Berufskolleg oder aus anderen Maßnahmen aufgenommen. Interessenten können sich unter 0221/3377630 oder ausbildung@mittendrin-koeln.de an „mittendrin e.V.“ wenden.


„Wie war's in der Schule?“ Abonnieren Sie hier unseren Newsletter für Familien und Lehrende in der Kölner Region – immer mittwochs.