Schrebergärten lehren ihre Besitzer viele Dinge: Loslassen, Geduld, dass es Pflanzen wie Pfaffenhütchen gibt. Kölner Paare erzählen von ihrer grünen Leidenschaft.
„Ich freue mich über jede Gurke“Kölner Paar beendet Flitterwochen für Schrebergarten vorzeitig

Zäune und Gartenhütten markieren in einer Kleingartenanlage in Köln die Lage der Parzellen. (Symbolbild)
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Manche Paare haben ein Kind, andere einen Hund. Das Familienmitglied von Wibke Ladwig und ihrem Mann hingegen misst ganze 430 Quadratmeter und ist ein Schrebergarten. Ähnlich wie Heranwachsende braucht auch der Garten Freiraum, um sich zu entwickeln.
Ladwig hat den Garten in Köln im Juni vergangenen Jahres mit ihrem Mann übernommen. Seitdem lernt sie, Kontrolle abzugeben. „So ein Stück Land lässt sich eben nicht erziehen, manchmal macht der Garten Vorschläge.“ Dann ragen etwa Kartoffeln aus der Erde, die aus der Saat des Vorpächters im Boden ausharrten und Jahre später überraschend zutage treten.
Der Garten hat es dem Ehepaar so angetan, dass beide früher aus den Flitterwochen in Südfrankreich zurückkehrten. Sie sehnten sich nach ihrem Grundstück. Nur ein besonders zierlicher Rasenmäher könnte sich hier seinen Weg bahnen, so viele Pflanzen breiten sich hier aus: Himbeeren, Bohnen, Brokkoli, Tomate, Mangold, Holunder und Pfaffenhütchen. In den Sommermonaten ernten sie so viel, dass sie sich kein Gemüse dazukaufen müssen. Neben dieser Ersparnis bekommt Ladwig für ihr „Familienmitglied“ Garten Kindergeld vom Staat - beziehungsweise Subventionen. Daher zahlt sie nur rund 400 Euro Pacht im Jahr.
Gärtner-Boom in der Coronazeit
Das Paar ist froh, einen Platz bekommen zu haben. Denn die Wartelisten für Schrebergärten sind lang. Das bestätigt der Vorsitzende des Landesverbands Rheinland der Gartenfreude, Ralf Krücke. Mit Corona sei der Andrang gestiegen. Extrem ist es wohl in Münster. Dort spricht der Vorsitzende des Landesverbands Westfalen und Lippe, Rolf Rosendahl, von 800 Anfragen auf eine freie Parzelle. Insgesamt gebe es 93.000 eingetragene Schrebergarten-Einheiten in NRW. Hinzu kommen nach Schätzungen von Krücke weitere rund 40.000 Parzellen, die nicht über die Verbände registriert sind.
Wibke Ladwig hatte Glück, sie musste sich nur rund ein Jahr gedulden. Von anderen kenne sie Wartezeiten von zwei bis drei Jahren. Glück mit nur einem Jahr Wartezeit hatten auch Raimo und Anja Becker-Haumann. In ihrer Anlage mit 460 Gärten habe es zeitweilig eine Warteliste mit rund 100 Interessenten gegeben. Während Corona hätten nur rund zehn Gärten pro Jahr ihren Besitzer gewechselt, jetzt seien es wieder 20 bis 25.
Öko-Anbau statt Chemie
Raimo Becker-Haumann gelangt auf einem Schotterweg zu seinem Areal. Eine Oase. Von hupenden Autos der Stadt oder Abgasen merkt man hier nichts. Die Laube in der Mitte spendet an warmen Tagen Schatten, der Rasen darunter ist auf einheitliche Höhe getrimmt. Obst- und Gemüsebeete finden sich abgesteckt in quadratischen Feldern, in Hochbeeten oder hinter einem Mäuerchen. Hier sagen die Pächter, wo es lang geht.
Auch dieses Ehepaar spricht von seinem Garten als Familienmitglied, ihrem Haustier. Und das haben die beiden verkümmert übernommen, überdüngt mit Blaukorn und Erde, an der sich jeder Regenwurm den Kopf gestoßen habe, wie sie sagen. Sie lockerten den Boden und setzen nun auf ökologischen Anbau. Statt Chemie gibt es jetzt Bananenschalen, die sich in der Mittagssonne im Chilitopf bräunen.
Erholung und neue Freunde finden
Rund zwei Stunden verbringt das Paar hier jeden Tag neben ihren Vollzeitjobs als Geoinformatiker und Informationswissenschaftlerin. „Wir kennen hier eigentlich alle in der Anlage“, sagt Anja Becker-Haumann - und das bei 700 Pächtern. Nicht alle mit Namen, aber die Gesichter sind bekannt, von jung bis alt. „Wir haben den halben Freundeskreis dadurch erneuert“, sagt die 53-Jährige. Wenn ihre Gärten in der kalten Jahreszeit schlafen, treffen sie sich auf ein Glas Wein im Wohnzimmer.
Nun ist es schon sieben Jahre her, dass sie ihr eigenes grünes Projekt starteten, inspiriert durch die Gießaufträge in den Gärten von Freunden und Familie. Natur und das Gärtnern darin - „das hat für uns einen ganz hohen Erholungswert“, sagt die Hobbygärtnerin. Sie reizt dabei auch die Herausforderung, Kulturen trotz Regenjahr über den Sommer zu bekommen. „Ich freue mich über jede Gurke.“ Diese Dankbarkeit teilt sie gerne, wenn ihr Garten Eden wieder einmal so viel produziert hat, dass sich auch Freunde an den Gaben erfreuen können. (kna)