Familie Gross soll für den Heimplatz der Mutter ab August 890 Euro mehr zahlen. Kölner Pflegeheime sind im Bundesschnitt besonders teuer.
Angehörige schockiertKölner Pflegeheim erhöht auf über 4000 Euro Eigenanteil pro Monat
„Als ich den Brief der Sozial-Betriebe-Köln aufgemacht habe, war das ein Schock“, sagt Franz Gross. Der 74-Jährige hatte ja schon in den Medien gelesen, dass Pflege im Heim wieder teurer wird. „Aber das hat alles überstiegen, womit ich gerechnet habe.“ In dem Brief kündigen die Sozial-Betriebe-Köln, die neben den Riehler Heimstätten unter anderem das Sülzer Seniorenzentrum betreiben, in dem seine 93-jährige Mutter lebt, zum 1. August eine Erhöhung des Eigenanteils an. Dem Brief beigefügt sind Tabellen, die die Tagessätze für Pflege, Verpflegung und Investitionskosten auflistet. „Wir haben bislang 3148 Euro Eigenanteil pro Monat bezahlt.“ Den Tabellen entnimmt er, dass ab dem 1. August nun für seine Mutter 4038 Euro Eigenanteil gezahlt werden muss. „Eine unglaubliche Steigerung um 889,75 Euro pro Monat.“
„Die Inflationsrate und die Tariferhöhung führen zu enormen Steigerungsraten – das ist uns bewusst und das bedauern wir gegenüber den Heimbewohnerinnen und -bewohnern selbstverständlich auch“, erklärte Katrin Miebach, Leiterin des Controllings. Die Sozial-Betriebe-Köln weisen allerdings darauf hin, dass es sich bei den mitgeteilten Monatssätzen um den Maximalbetrag handelt, der auf die Angehörigen zukommt. Die Verhandlungen mit den Pflegekassen liefen noch und man hoffe noch auf eine Anpassung nach unten.
Köln ist für Heimbewohner ein teures Pflaster
So wie für die Heime des SBK führen derzeit auch andere Träger die Verhandlungen und stellen ihre Bewohner auf höhere Preise ein. Ein angekündigter Preis von über 4000 Euro sei allerdings ein „absoluter Spitzenwert“, ordnet Christian Breidenbach, Sprecher des Verbands der Ersatzkassen NRW (VDEK) ein. Andere Heime wie etwa das Haus Andreas des Clarenbachwerks werden zum 1. August voraussichtlich auf einen Eigenanteil zwischen 3400 und 3600 Euro erhöhen. Das Seniorenhaus Heilige Drei Könige liegt bei 3150 Euro Eigenanteil. Es gibt auch Häuser, die liegen bei 3000 Euro oder knapp darunter. Die Verträge mit den Pflegekassen laufen allerdings von Haus zu Haus zu unterschiedlichen Zeiten aus und die Neuverhandlungen – und damit verbundene Erhöhungen – stehen für viele Kölner Häuser in den nächsten Monaten erst an.
Fest steht: Köln ist für Heimbewohner ein besonders teures Pflaster. Im bundesweiten Schnitt waren Stand 1. Juli im ersten Jahr im Heim 2548 Euro fällig, wie eine Auswertung des Verbands der Ersatzkassen ergab. Schon das waren im Schnitt 348 Euro mehr als im Vorjahr. Dabei sind die Kosten in NRW besonders hoch. Die monatliche Eigenbeteiligung in NRW stieg innerhalb eines Jahres um 200 Euro auf derzeit 2801 Euro durchschnittlich. Ein Wert, den ein Großteil der Kölner Heime schon jetzt überschreitet.
Pflegeversicherung funktioniert nur noch wie eine Teilkaskoversicherung
Dass die Kosten so explodieren, hat mehrere Gründe: Dabei schlagen vor allem höhere Löhne für die Pflegekräfte durch. Sie müssen nun mindestens nach Tarif vergütet werden. Der neue Tarifvertrag im öffentlichen Dienst bedeute neben einem Inflationsausgleich von 3000 Euro pro Beschäftigten auch deutlich gestiegene Gehälter, erläuterten die Sozial-Betriebe-Köln. Sie haben einen besonders hohen Personalschlüssel für Pflegekräfte, was jetzt eben auch proportional höher gestiegene Kosten bedinge. Zudem weisen die Sozial-Betriebe-Köln darauf hin, dass seit 1. Juli die Pflegekräfte durch ein neu eingeführtes Personalbemessungsverfahren refinanziert werden müssten. Bisher wurde zusätzliches Personal separat von den Pflegekassen vergütet. Ab der neuen Vereinbarung wird dieses über den Eigenanteil der Bewohner mit finanziert.
Weil jetzt alle Heime nach und nach dieses Personalbemessungsverfahren durchführen müssen, geht der VDEK davon aus, dass der Eigenbeitrag bis Jahresende weiter ansteigt, auch in den Häusern, die jetzt noch nicht angepasst haben. Man muss sich das vorstellen wie eine Teilkaskoversicherung: Die Pflegeversicherung übernimmt nur noch einen Teil der Kosten. Den Rest übernimmt der Bewohner.
Zu Inflationsrate, Tariferhöhungen und Beteiligung an den Investitionskosten kommen Faktoren wie durch den Mindestlohn gestiegene Kosten für Wäsche- und Gebäudereinigung und Preissteigerungen bei den Lebensmitteln.
Franz Gross fragt sich, wer das noch bezahlen soll und wo das Ende der Fahnenstange ist. Er sieht Monat für Monat das Ersparte seiner Eltern dahinschmelzen. Für seinen Vater (93), der seine Frau jeden Tag im Heim besucht, sei das schlimm. „Meine Eltern sind Arbeiter gewesen. Sie haben immer gespart. Jetzt fließt das alles in das Heim. Das geht gegen mein Gerechtigkeitsempfinden. Andere haben ihr Geld einfach verprasst“, sagt Gross. Bei 4000 Euro monatlich sei das Ersparte schnell weg.
„Eine faire Bezahlung der Pflegekräfte und die Sicherstellung einer angemessenen Personaldecke wird ausdrücklich begrüßt“, sagte Breidenbach vom VDEK. „Inakzeptabel ist jedoch, dass die stetig steigenden Kosten zum Großteil von den Pflegebedürftigen getragen werden müssen.“ Auch wenn die finanzielle Belastung mit steigender Wohndauer durch die 2022 eingeführten Zuschüsse abnimmt: Es brauche dringend eine Lösung zur nachhaltigen Entlastung der Pflegebedürftigen.
Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband warnt vor zunehmender Armut pflegebedürftiger Menschen. „Wir erleben, wie Pflegebedürftigkeit immer mehr zu einer echten Armutsfalle wird“, erklärt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Bundesweit sei fast ein Drittel aller Heimbewohner inzwischen auf Sozialhilfe angewiesen, weil die Rente nicht reicht und das Ersparte aufgebraucht ist.
In Köln sind das schon jetzt vielerorts deutlich mehr. „Bei uns sind es an die 70 Prozent der Bewohner, bei denen der Eigenanteil inzwischen über die Sozialhilfe entrichtet wird“, berichtet Elisabeth Römisch, Leiterin der beiden Heime der Arbeiterwohlfahrt. Was auch daran liege, dass der Großteil hochbetagte Frauen sind – in der Regel mit kleiner Rente. Wer als Bewohner Sozialhilfe bezieht, bekommt noch 135,34 Euro Taschengeld. Auch das erleben viele Bewohner als Demütigung. Es muss etwas passieren, schlagen die Sozialverbände Alarm und fordern den Umbau der Pflegeversicherung zu einer Pflegevollversicherung. „Zumindest alle pflegebedingten Kosten müssten ohne Eigenanteile vollständig von den Kassen finanziert werden.“