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Kölner Reiterstandbild„Solche Männer sollten öffentlich nicht verherrlicht werden“

Lesezeit 5 Minuten
Reiterdenkmal mit Blumen

Reiterstandbild Kaiser Wilhelm II.

  1. Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal vor der Hohenzollernbrücke in Deutz könnte mittelfristig abgerissen werden. Auch weitere Denkmäler, die an Machthaber in der deutschen Kolonialgeschichte erinnern, stehen in Frage.
  2. Richtig so, findet Architekt Eli Abeke. Das Denkmal rufe sofort in Erinnerung, in welch verbrecherischer Form damals Macht ausgeübt wurde.
  3. Ganz falsch, sagt Historiker Ulrich Soénius. Ein Denkmal sollte zum Lernort für Weiterentwicklung und Nachdenken dienen.

KölnEli Abeke ist Architekt und engagiert sich seit Jahren für die Aufarbeitung der Kölner Kolonialgeschichte, saß sechs Jahre im Integrationsrat und ist nun Teil des zwölfköpfigen Gremiums zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes. Er findet: Männer wie Kaiser Wilhelm darf man im öffentlichen Raum nicht mit Statuen ehren.

Pro: Bei Denkmälern geht es darum, welche Werte wir ehren und öffentlich zur Schau stellen wollen

Die Wilhelm-Statuen sind eine schmerzhafte Erinnerung an vergangenen und gegenwärtigen institutionalisierten Rassismus überall auf der Welt. Sie stellen die Geschichte falsch dar und verherrlichen Menschen, die die Sklaverei aufrechterhielten und Kriege führten.

Der Institution der Sklaverei galt das größte materielle Interesse Kaiser Wilhelms II. Die versklavten Afrikaner sollten mit ihrer Arbeit die Produkte liefern, die den bei weitem größten Teil des Handels von Deutschland ausmachten. Die Produkte gibt es in Deutschland bis zum heutigen Tag. Und auch der Kolonialismus wird mit derlei Statuen weiterhin gefeiert.

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Eli Abeke ist Architekt und engagiert sich seit vielen Jahren für die Aufarbeitung der Kölner Kolonialgeschichte.

Die Denkmäler wurden gebaut, um Ansichten weißer Rassisten zu ehren und deren Machtinstrumente durchzusetzen. Indem man die Denkmäler weiter stehen lässt, bestätigt man diese Dominanz. Die Statuen wurden errichtet, um die zentrale Bedeutung der weißen Vorherrschaft gegenüber der südlichen Kultur zu bekräftigen. Daher kann Rassismus nicht kontextualisieren oder beim Kolonialismus Kompromisse eingehen. Bei Denkmälern geht es letztlich darum, welche Werte wir ehren und öffentlich zur Schau stellen wollen.

Affront gegen unsere Ideale

Denkmäler für Männer, die Grausamkeit und Barbarei befürworteten, sind ein grotesker Affront gegen unsere Ideale. Ihre Statuen sind eine Hommage an den Hass, nicht an das Erbe. Deshalb mussten auch Adolf-Hitler-Denkmäler entfernt und alle nach ihm benannten Straßen und Plätze in Deutschland nach 1949 umbenannt werden.

Andere Maßnahmen waren, dass Bibliotheken von Nazi-Büchern, Zeitschriften und faschistischen Zeitungen befreit wurden und alle Überreste des Adolf-Hitler-Regimes zerstört wurden. Die Bundesrepublik Deutschland verbot das Zurschaustellen von Hakenkreuzen, zerstörte systematisch Statuen, Denkmäler und viele architektonische Bauwerke der Nazis. Auch in Köln wurden Straßen umbenannt. Der Ebertplatz hieß beispielsweise bis 1945 Adolf-Hitler-Platz. Auch beim Entkolonialisierungsprozess der Stadt Köln sollte man ähnlich entschieden vorgehen.

„Solche Männer sollten öffentlich nicht verherrlicht werden“

Wenn die Stadt Köln wirklich etwas gutmachen wollte, dann sollte sie diese Statuen in ein spezielles Museum stellen, das den Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewidmet ist. Öffentlich verherrlicht werden sollen solche Männer aber sicher nicht.

Um erfolgreich zu sein, muss Dekolonisierung über die bloße Änderung von Etiketten hinausgehen. Wir müssen eine vielfältigere Geschichten darstellen und gleichzeitig den strukturellen Rassismus in unseren Institutionen angehen. Die Vorstellung, dass das Erbe in seiner gegenwärtigen Form für eine imaginäre zukünftige Generation erhalten werden muss, lässt wenig Raum für notwendige Transformationen. Die Aufbewahrungs- und Erklärungspolitik in den Köpfen sehr vieler Menschen verkennt, dass Erbe und Denkmäler nicht nur Geschichte repräsentieren, sondern auch die Gewalt der Macht zeigen.

Wir könnten viele andere Menschen mit Statuen ehren, die den historischen Fortschritt und die Vielfalt des Landes repräsentieren. Darunter auch viel mehr Frauen, Schwarzafrikaner oder andere People of Colour.

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Das Reiterstandbild Kaiser Wilhelms II. wurde im Juni 2020 von Unbekannten mit roter Farbe beschmiert.  

Contra: Ein Bildersturm hat vergangenes Unrecht noch nie rückgängig gemacht

Ulrich Soénius (59) ist Historiker. Er war Mitglied der Geschäftsführung der IHK Köln und ist seit 2007 Direktor das Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsarchivs. Er ist der Meinung, dass Denkmäler ihre Berechtigung als Lernort zur Weiterentwicklung der Gesellschaft haben. Auch das Reiterstandbild.

An die Hohenzollern-Monarchen erinnert nur wenig Positives. Kriege, Verhinderung von demokratischen Entwicklungen im Innern und imperialistisches Machtstreben nach Außen ergeben keine guten Noten. Mit den heutigen Maßstäben gemessen waren die deutschen Monarchien ein Anachronismus. Niemand würde ihnen in der Gegenwart ein neues Denkmal setzen. Aber gehören auch Standbilder, die in der Zeit der Monarchie entstanden sind auf den „Müllhaufen der Geschichte“?

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Ulrich Soénius ist Historiker. Er war Mitglied der Geschäftsführung der IHK Köln und ist seit 2007 Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs.

Bildliche Darstellungen sind kritisch zu hinterfragen. Da, wo sie Grenzen überschreiten, ist eine Diskussion über ihre Dauerhaftigkeit und räumliche Verortung angesagt. Antisemitische, rassistische oder andere beleidigende Darstellungen haben keinen Platz im öffentlichen Raum. Deshalb gehört die Schmähplastik der „Judensau“ in Wittenberg allenfalls in ein Museum mit eindeutiger Erläuterung. Eine beleidigende Darstellung ist bei den Reiterdenkmälern der Hohenzollern nicht zu finden.

Einen „Adolf-Hitler-Platz“ gibt es zurecht nicht

Bei der Frage, ob ehemalige „Herrscher“ überhaupt öffentlich gezeigt werden dürfen, gilt es genau hinzuschauen. Selbstverständlich gibt es keinen „Adolf-Hitler-Platz“ mehr, da dieser als Verantwortlicher für den industrialisierten Massenmord an den Juden jedes Recht auf eine wie auch immer geartete Berücksichtigung verwirkt hat. Aber diese Maßstäbe gelten nicht für die Hohenzollern-Monarchen, noch nicht mal für Wilhelm II. Sicher, in seiner Regierungszeit begann der Erste Weltkrieg und fanden in den Kolonien Verbrechen statt, wie der Genozid an den Herero. Aber der Unterschied besteht in der ideologischen Ausrichtung und industriellen Vernichtung von Menschenleben. Unter seinem Großvater Wilhelm I. wurde Deutschland Kolonialmacht, besetzte und erwarb mit zweifelhaften Mitteln Land in Afrika.

Wilhelm I Denkmal Deutz

Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Deutz

Doch es waren weder der Kaiser noch sein Reichskanzler Otto von Bismarck, die das forcierten. Privatleute unternahmen Expeditionen und erwarteten „Schutz“ von ihrer Regierung.

Ein Symbol für die verlorene Macht

Wilhelm II. verstand sein Reiterstandbild, offiziell von der Eisenbahnverwaltung in Auftrag gegeben, als Herrschaftssymbol. Bereits acht Jahre nach der Einweihung war seine Herrschaft beendet und er begab sich ins niederländische Exil. Das Denkmal steht seitdem für die verlorene Macht. Es ist zum musealen Exponat im öffentlichen Raum geworden und als solches sollte es auch verstanden werden.

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Verpasst wurde die Kontextualisierung – die Tafel am Fuße des Sockels sollte dringend erneuert werden. Dabei könnte man Interessierten mit modernen Mitteln eine kritische Einordnung liefern. Dies sollte für alle Hohenzollern-Statuen und auch die Bismarck-Säule gelten. Die Standbilder bekämen so einen neuen Zweck. Zudem sollten sie Gegenstand des öffentlichen Diskurses werden.

Ein Ort zum Nachdenken und zur Weiterentwicklung

Die Zeugnisse aus vergangenen Zeiten dienten so der Auseinandersetzung über Themen wie Menschenwürde, Demokratie, Gestaltung des öffentlichen Raumes mit historischen Artefakten und Epochen der deutschen Geschichte. Ein „Bildersturm“ hat vergangenes Unrecht noch nie rückgängig gemacht – die Chance zum Nachdenken darüber erhöht sich mit der Weiterentwicklung zu einem Lernort.