Neue AnalyseProbleme an Kölner Schulen viel tiefgreifender als bekannt
Köln – Die Analyse sei so „unerfreulich, dass sie uns nicht ruhig schlafen lassen sollte“. Der ehemalige Gymnasialschulleiter Klaus Zimmermann, der für die CDU als sachkundiger Einwohner im Schulausschuss mitarbeitet, fand nach dem Vortrag der Schulverwaltung deutliche Worte. Zwei aktuelle „Monitoringberichte“ der Stadt zur Lage des Kölner Schulangebots, die im Ratsausschuss vorgestellt wurden, dokumentieren mit vielen Zahlen und Einschätzungen die akuten und drängenden Probleme. Wenn bislang vom „Schulnotstand“ die Rede war, ging es in erster Linie um die nicht ausreichende Platzzahl an Gesamtschulen und Gymnasien. Die Berichte machen nun deutlich, dass sich Raumnot und Mangelverwaltung unmittelbar auf die Qualität auswirken.
Es gibt nur eine einzige Zahl, die sich in den vergangenen Jahren zum Positiven entwickelt hat: So brechen weniger Jugendliche die Schule ohne Abschluss ab. Zuletzt waren es noch 195 Schüler und Schülerinnen. Alle anderen Zahlen haben sich verschlechtert: mehr Sitzenbleiber, mehr Förderschüler, weniger Vertrauen in das Inklusionsangebot an Regelschulen, eine große soziale Ungleichheit in der Stadt, fehlende Ressourcen, immer größere Raumnot. Einer der Monitoringberichte fällt ein deutliches Urteil, das allen Verantwortlichen in Stadt und Land in die Pflicht nimmt: Das Bildungssystem schafft es nicht in ausreichendem Maße, sich auf die „individuelle Lernausgangslage“ der Kinder einzustellen.
Vom Ideal der Chancengleichheit weit entfernt
Vom Ideal, dass alle Kinder die gleichen Chancen für die Gestaltung ihres Lebenswegs haben müssen, ist die Stadt weit entfernt. „Die sozialökonomische Herkunft“ beeinflusse nachhaltig die Bildungschancen, wie es in der Sprache des Berichts heißt. Die Diagnose ist nicht neu. Die aktuellen Zahlen zeigen, dass sich in diesem Bereich nur wenig verbessert. Weil es an Räumen und Möglichkeiten für die einzelnen Schulen fehlt, kann vielerorts nur schlecht gegengesteuert werden.
Die Berichte sprechen von einer „ungünstigen Lehrkraft-Schüler-Relation“. Bei 34 Prozent der Klassen an Gymnasien, 23 Prozent an Realschulen und 11 Prozent an Gesamtschulen liegt die Schülerzahl mittlerweile über 30 Schüler und Schülerinnen. Empfohlen wird als Richtwert 27. Bei den Realschulen und den Gesamtschulen wiegen die vollen Klassen schwerer, weil sie auch Kinder mit Förderbedarf in den Regelbetrieb integrieren wollen und müssen. Hier ist eigentlich ein Richtwert von 25 empfohlen.
„Run auf die Förderschulen“
Der zweite Monitoringbericht zur Inklusionsentwicklung an den Kölner Schulen dokumentiert die Folgen für den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht-behinderten Kindern in den Regelschulen. Die Zahl der Kinder, bei denen ein besonderer Förderbedarf diagnostiziert wird, steigt deutlich an. Gleichzeitig scheint das Vertrauen vieler Eltern in die Qualität der Inklusion eher zu sinken.
Schulausschuss-Vorsitzender Helge Schlieben (CDU) sprach von einem „Run auf die Förderschulen“. Die Qualität des gemeinsamen Unterrichts sei nicht ausreichend. Die sehr hohe Zahl von Kindern aus prekären Verhältnissen an den Förderschulen mit den Schwerpunkten „Lernen“ sowie „Emotionale Entwicklung“ dokumentiert ein weiteres Mal den Zusammenhang zwischen Bildungskarriere und „individueller Lernausgangslage“.
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Beeindruckend sind auch die Zahlen, mit denen sich die sehr unterschiedlichen Herausforderungen für einzelne Schulen belegen lassen. Armut sei regional ungleich auf das Stadtgebiet verteilt, urteilen die Berichterstatter. Hinzu kämen „Selektionsmechanismen mehrgliedriger Schulsysteme“, wenn die vier Grundschuljahre enden. Zum umstrittenen Thema, wer auf welcher Grundlage die weiterführende Schulform empfehlen darf, heißt es in dem Bericht: „Stünden ausreichende Unterstützungsangebote auch Kindern aus ressourcenärmeren Familien zur Verfügung, müssten weder Eltern noch Lehrkräfte die meist vorurteilsbehafteten Prognosen in Bezug auf die möglichen Bildungsverläufe anstellen.“
Potenziale von Kindern nicht ausgeschöpft
Die „enormen Unterschiede“ in der Stadt lassen sich mit mehreren Indikatoren belegen: So schwankt der Anteil von Kindern aus Hartz-IV-Familien zwischen 1,5 und 60 Prozent, abhängig von Stadtteil und der jeweiligen Schule. Noch größer sind die Unterschiede bei Kindern ohne deutschen Pass. Die niedrigste Quote liegt bei 1,4 Prozent, die höchste bei 73. Der Anteil von Kindern, in deren Familie nicht Deutsch gesprochen wird, schwankt sogar zwischen 1 und 91,5 Prozent. Es gibt Schulen, in die kein einziges Kind mit einer festgestellten Lernbeeinträchtigung geht. In anderen macht der Anteil dieser Kinder mit besonderem Förderbedarf 20 Prozent aus. Einige Schulen leisten somit deutlich mehr als andere, wenn es um Integration und Inklusion geht.
Die Stadt bietet bereits einige bedarfsgerechte Unterstützungsmaßnahmen. Doch das scheint noch nicht auszureichen. „Trotz verschiedener Ansätze für eine sozialindizierte Steuerung von Bildungsressourcen“ bleibe festzuhalten, dass „Potenziale junger Menschen“ nicht ausgeschöpft werden.