Köln – Ein internes Einsatzdokument der Polizei Köln zur Silvesternacht 2016/2017 sorgt für Wirbel. Es geht um die so genannte Lageabschlussmeldung des Silvestereinsatzes, die das Innenministerium am Donnerstag auf Antrag der FDP dem Innenausschuss vorgelegt hat. Das Problem: Eine Passage am Ende des Original-Dokuments ließ das Ministerium schwärzen, bevor sie es an die Parlamentarier versandte – und zwar mit der Begründung, sie unterläge der Geheimhaltung und stünde „nicht in unmittelbarem Zusammenhang“ zu den Ereignissen rund um nordafrikanisch- und arabischstämmige Männergruppen, auf die sich der FDP-Antrag bezogen hatte.
Ausgerechnet die geschwärzten Zeilen aber sind brisant. Darin steht, dass auf der Liste für das Sicherheitspersonal der Silvesternacht angeblich auch zwei mit Haftbefehlen gesuchte Männer - womöglich Rocker - aufgeführt waren sowie einer aus dem Umfeld des islamistischen Terrorismus. Die Stadt hatte wie in den Vorjahren ein privates Sicherheitsunternehmen als Unterstützung für die Mitarbeiter des Ordnungsamtes beauftragt. Am Nachmittag des 31. Dezember hatte die Polizei einen entsprechenden Hinweis auf die drei Personen bekommen, sagte ein Polizeisprecher. Man habe sie auf der Liste des Unternehmens überprüft und in der Nacht nach ihnen gesucht – sie jedoch nirgends angetroffen.
Die Stadtverwaltung Köln betont auf Anfrage, das Unternehmen habe angegeben, alle Wachleute hätten entsprechende „Wächtermeldungen“ vorliegen. Diese würden bei der Ordnungsbehörde beantragt, die unter anderem die Zuverlässigkeit der potenziellen Wachleute prüft - inklusive einer Abfrage bei der Polizei.
FDP-Innenexperte ist „nur noch sprachlos“
FDP-Innenexperte Marc Lürbke ist nach eigenen Angaben „nur noch sprachlos“, nennt es „unfassbar, dass Rocker oder gar potentielle Terroristen einfach eine Warnweste bekommen und für die Sicherheit an Silvester sorgen sollten“. Die Schwärzung der Textpassage durch das Innenministerium von Ralf Jäger (SPD) sei zudem ein weiterer Beleg dafür, „wie Jäger das Parlament bewusst dumm halten und wichtige Fakten unterdrücken wollte – so wie beim Fall Amri, so wie bei Silvester des Vorjahres und bei Hogesa.“
Laut dem Polizeidokument, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, beklagte die Polizei am Neujahrsmorgen drei verletzte Beamte: einem war ein Feuerwerkskörper gegen die Wade geflogen, ein anderer wurde an der Hand verletzt, ein dritter am Bein. Turbulente Szenen spielten sich auch in einem Gefangenentransporter ab: Ein Randalierer demolierte die Zellentür so massiv, dass die Feuerwehr sie aufsägen musste. In der Altstadt nahm die Polizei zudem drei Verdächtige „nordafrikanischer Herkunft“ fest – sie sollen eine Frau „unsittlich berührt“ haben. Dasselbe im Hauptbahnhof, nur in diesem Fall gelang drei Tätern die Flucht.
Was nicht im Protokoll steht, aber von Polizeisprecher Wolfgang Baldes auf Anfrage bestätigt wird: Beamte bekamen in der Nacht offenbar auch mit, dass ein Mann, der als islamistischer „Gefährder“ – also potenzieller Terrorist – eingestuft wird, mit zwei Begleitern in die Innenstadt gefahren war. Den Grund kenne man nicht. Aber mit richterlichen Beschluss habe man den Verdächtigen für den Rest der Nacht „aus gefahrenabwehrenden Gründen“ in Gewahrsam genommen.
Die Höhepunkte der Lageabschlussmeldung
Die Lageabschlussmeldung der Polizei führt die wichtigsten Ereignisse des Silvestereinsatzes auf. Hier die Höhepunkte im zeitlichen Ablauf:
16 Uhr: Beginn des Großeinsatzes
20 Uhr: erste Brückensperrungen
22 Uhr: Etwa 1000 Personen, die die Polizei zu diesem Zeitpunkt dem „nordafrikanischen Spektrum“ zuordnet, stehen vor dem Hauptbahnhof. Sie werden „im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten einer Identitätsfeststellung unterzogen“. Die meisten treten danach freiwillig die Heimreise an, heißt es in dem Bericht. Knapp zwei Wochen später, am 13. Januar, teilt die Polizei mit, dass von 425 kontrollierten Personen die Nationalität vorläufig feststehe. Demnach stammt knapp die Hälfte aus Syrien und dem Irak, nur eine Minderheit aus nordafrikanischen Staaten.
23.04 Uhr: In Deutz reisen 300 Personen „mit nordafrikanischem Hintergrund“ an. Die Bundespolizei geleitet sie aus dem Zug, die Landespolizei hält sie unter Kontrolle. „Sie verteilten sich anschließend im Raum Köln-Deutz.“ Identitäten werden nicht oder nur vereinzelt festgestellt.
0.24 Uhr: Die Polizei verzeichnet „starke Abwanderungstendenzen“ aus der Innenstadt.
1.29 Uhr: Die Polizei stellt „keine größeren Ansammlungen von Personen mit nordafrikanischem Hintergrund“ mehr fest.
2 Uhr: Die ersten Einsatzkräfte der Polizei werden in den Feierabend entlassen. Insgesamt waren in dieser Nacht in der Spitze 1546 Beamte eingesetzt.
2.25 Uhr: Die Brücken sind wieder frei.
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