Kölner SPD-Politiker kritisiert Türkei scharfAdil Demirci wird weiter festgehalten
Köln/Istanbul – Der Kölner Sozialwissenschaftler und Journalist Adil Demirci darf die Türkei nicht verlassen. Ein türkisches Gericht entschied am Dienstag, dass der 33-Jährige bis zum nächsten Verhandlungstermin am 15. Oktober in Istanbul bleiben muss.
Nach zehn Monaten in Untersuchungshaft war Demirci im Februar freigekommen, er lebt seitdem in der Wohnung seines Onkels. Dort war er im April 2018 von einer Spezialeinheit festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft wirft Demirci vor, Mitglied der verbotenen linksextremen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei zu sein und an Beerdigungen von Parteimitgliedern teilgenommen zu haben. Demirci, der die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft besitzt, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, er sei nie Mitglied dieser Partei gewesen und habe auch keine Propaganda betrieben. „Ich bin überrascht und sehr enttäuscht über die Entscheidung. Wir haben es hier mit einem Fall von Willkür zu tun.“
Der Kölner Bundestagsabgeordnete Rolf Mützenich (SPD), der den Prozess im Gerichtssaal verfolgte, sprach von einem „so nicht hinnehmbaren politischen Prozess“. Die türkische Seite „versteht offenbar nicht, zu was für einem Maß an Entfremdung solch eine Entscheidung führt“. Er habe weder eine souveräne Verhandlungsführung erlebt noch „irgendeine Behauptung der Staatsanwaltschaft, die belastbar gewesen wären“. Die Prozessführung widerspreche „jeder rechtsstaatlichen Verortung“. Er werde innerhalb der Bundesregierung darauf dringen, den von der Türkei angestrebten Ausbau der Zollunion zu verhindern, „solange es keine faire Verfahren für Bürger unseres Landes gibt. Wir werden unserem Ärger weiter Luft machen“.
„Wir haben kein rechtsstaatliches Verfahren gesehen, die Entscheidung macht uns fassungslos", sagte Anke Brunn vom Internationalen Bund, die den Prozess ebenfalls in Istanbul verfolgte. „Wir werden sofort beantragen, dass die Auflagen für Adil aufgehoben werden und er ausreisen darf. Ihm wird nichts als die Teilnahme an einer Beerdigung vorgeworfen. Ähnlich geht es in der Türkei Tausenden Menschen. Das ist ein Skandal.“