Prozess wird neu aufgerolltBGH hebt Freisprüche nach Stadtarchiv-Einsturz in Köln auf
Köln – Mehr als zwölf Jahre nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe die Freisprüche von zwei Bauleitern vor dem Landgericht Köln kassiert. Damit wird der Mammutprozess um die Katastrophe vom 3. März 2009 in Teilen wieder aufgerollt. Eine andere Kammer des Landgerichts muss nun neu entscheiden.
Die Urteile des Landgerichts vom Oktober 2018 seien in allen Bereichen aufzuheben, sagt der Vorsitzende BGH-Richter Ulrich Franke und findet deutliche Worte. Das Landgericht habe seinerzeit die mangelhaften Abstimmungen auf der Baustelle nicht berücksichtigt sowie das Fehlen engmaschiger Kontrollen und die „gehäufte Anzahl von Zwischenfällen außer Betracht gelassen“, moniert er. „Darin liegt der Rechtsfehler.“
Zwei Menschen bei Stadtarchiv-Unglück in Köln gestorben
Den Bauleitern war vorgeworfen worden, durch eine Verletzung der Sorgfaltspflicht für den Einsturz des Stadtarchivs am 3. März 2009 mitverantwortlich zu sein. Bei der Katastrophe kollabierte eine Baugrube für die Nord-Süd-U-Bahn vor dem Stadtarchiv, weil eine Schlitzwand nicht fachgerecht eingebaut worden war. Daraufhin schossen Wasser und Erdreich in die Baugrube, wodurch ein Hohlraum unter dem Archivgebäude entstand, das daraufhin in die Grube stürzte. Bei dem Unglück kamen zwei Menschen ums Leben; sie wohnten im Nachbargebäude, das ebenfalls einstürzte. Es entstand zudem ein Sachschaden in Milliardenhöhe.
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Im Jahr 2018 hatte das Landgericht festgestellt, dass die Bauleiter zwar ihre Sorgfaltspflicht verletzt hätten, das jedoch nicht ursächlich für den Einsturz gewesen sei. Es sprach die beiden vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. Daraufhin legte die Staatsanwaltschaft Revisionen ein.Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft hin hat der 2. Strafsenat des BGH die Freisprüche nun aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. „Nach Ansicht des Senats hat die Strafkammer bei der Bestimmung der die Angeklagten treffenden Sorgfaltspflichten maßgebende Umstände“ zu wenig geprüft, begründet der BGH nun seine Entscheidung.
Schon bei der Verhandlung vor dem Landgericht 2018 hatte die Staatsanwaltschaft sehr umfassend ausgeführt, warum ihrer Meinung nach die Bauleiter ihren Pflichten nicht nachgekommen seien. Sie hätten Hinweise über mögliche Gefahren in der Grube gehabt und es dennoch nicht vermocht, rechtzeitig dem Baufehler auf die Spur zu kommen, der zum Einsturz am Waidmarkt geführt habe, hieß es. Dennoch sprach des Landgericht die Männer frei.
Im vergangenen Juli verhandelte der BGH die Revision der Staatsanwaltschaft erstmals. „Das Urteil ist durchgehend fehlerhaft“, befand Bundesanwältin Frauke Kathrin Schulte bereits damals über den Spruch des Landgerichts. Auch habe es „gefahrenträchtige Hinweise“ gegeben, aufgrund derer die Bauleiter eine gesteigerte Sorgfaltspflicht an den Tag hätten legen müssen, argumentierte sie. Doch der BGH traf wegen der extrem komplexen Gemengelage in diesem Fall noch keine Entscheidung, erklärte der Vorsitzende Richter und kündigte dies für den 13.Oktober an. Das tat der BGH nun, die Freisprüche sind vorerst aufgehoben, das Landgericht muss die Fälle neu verhandeln.
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„Ein neues Tatgericht wird möglicherweise noch eine Pflichtverletzung feststellen können“, sagt BGH-Richter Franke. Der Ausgang ist allerdings offen. Am Ende könnte auch ein neuer Freispruch für die Bauleiter stehen. Neue Zeugen werden nun in Köln gehört werden, Sachverständige geladen. Nur die Anklage, die verlesen werden wird, bleibt gleich. Wann die Neuverhandlung beginnt, ist nach Worten von Jan Orth, Sprecher des Landgerichts Köln, noch nicht absehbar. Es werde sicherlich noch mehrere Monate dauern, bis es zur ersten Zusammenkunft im Gerichtssaal komme. (mit dpa)