AboAbonnieren

Kölner Stadtschulpflegschaft„Das Verbot von Distanzunterricht ist falsch“

Lesezeit 3 Minuten
Stadtschulpflegschaft Jansen

Gerhard Jansen ist der neue Vorsitzende der Stadtschulpflegschaft.

  1. Die Stadtschulpflegschaft vertritt die Interessen der Eltern von Kölner Schülerinnen und Schülern. Im Oktober hat sie einen neuen Vorstand gewählt.
  2. Der neue Vorsitzende Gerhard Jansen gehörte vorher bereits zum erweiterten Vorstand. Der 53-Jährige ist Vater eines Sohnes, der ein Berufskolleg besucht, und einer Tochter, die in eine Realschule geht.
  3. Im Interview spricht er über das Lernen in Corona-Zeiten und Inklusion.

KölnHerr Jansen, Schulministerin Yvonne Gebauer muss sich zurzeit viel Kritik anhören. Wie bewerten Sie die Schulpolitik in Zeiten der Pandemie?Jansen: Es ist schwierig, das mit einem einfachen „gut“ oder „schlecht“ zu bewerten. Die Ministerin muss auf die Entwicklungen reagieren, viele verschiedene Interessen wirken auf sie ein. Das strikte Verbot von Distanzunterricht halte ich jedoch für falsch.

Viele Interessenvertreter fordern einen Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht, damit weniger Kinder in der Schule sind. Das würde mancher Familie ein Betreuungsproblem bescheren...

Deshalb muss man genau überlegen, wo das Lernen zu Hause geht und wo nicht. Ein Wechsel der Unterrichtsformen für alle Kinder halte ich für falsch. Die Kinder der Klassen 1 bis 7 sollten überhaupt nicht zu Hause unterrichtet werden, weil sie dann eine Betreuung durch die Eltern brauchen. Für die Jahrgänge ab Klasse 8 sehe ich aber überhaupt kein Problem.

Was halten Sie von der Idee, die Weihnachtsferien zu verlängern?

Man kann die Schulen zwei Tage vorher schließen, ohne die Ferien zu verlängern. Die Kinder müssen für die Tage sinnvolle Aufgaben bekommen, die über Beschäftigungstherapie hinaus gehen. Und für die Familien von jüngeren Schülern, die keine Betreuung sicherstellen können, muss es unbürokratische Notbetreuungsangebote in den Schulen geben.

Die Stadt hat vor den Sommerferien eine Digitaloffensive beschlossen. Tausende Kinder sollten mit digitalen Endgeräten versorgt werden. Bund und Land haben ebenfalls entsprechende Programme auf den Weg gebracht. Wie sieht Ihre Bilanz nach drei Monaten aus?

Das, was geschehen ist, war schon vor Corona beschlossen worden. Viel Neues hat es vonseiten der Stadt bislang nicht gegeben. Ich kenne kein Kind an der Schule meiner Tochter, das ein Endgerät bekommen hat. Es ist noch nicht einmal gelungen die Kinder aus einkommensschwachen Familien auszustatten. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt keine gute Bilanz.

Ihre beiden Vorgänger haben oft mit deutlicher Kritik die Auseinandersetzung mit der Schul- und vor allem der Bauverwaltung geführt. Welchen Ton werden Sie anschlagen?

Dass im Bereich Sanierung und Neubau vieles zu spät begonnen wurde und nun vielerorts Mangel herrscht, ist ja bekannt. Ich möchte versuchen, ein Miteinander hinzubekommen, um weiterzukommen. Wir haben mit der neuen Leiterin des Amtes für Schulentwicklung verabredet, dass wir uns regelmäßig treffen und austauschen. Das erste Gespräch war sehr gut. Da wurde nichts schöngeredet. Wir haben Antworten auf unsere Fragen bekommen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Beim Thema Inklusion war und ist das Land Adressat der Kritik vieler Elternvertreter. Wie beurteilen Sie die Lage?

Ich sehe den eingeschlagenen Weg kritisch. Es ist nicht richtig, dass sich Schulen aus der Inklusion verabschieden dürfen, wie es in Köln alle Gymnasien gemacht haben. Inklusion kann nur funktionieren, wenn die Praxis überall entsprechend ausgerichtet wird. Ich halte es auch für falsch, dass das Förderschulsystem weiterhin parallel zum Regelschulsystem aufrecht erhalten bleibt. Es wird immer Kinder geben, für die eine Förderschule der richtige Ort ist. Aber das muss die Ausnahme sein. Wir brauchen die Sonderpädagogen, die heute noch in großer Zahl an den Förderschulen arbeiten, im Regelschulsystem.

Die Realschule Ihrer Tochter arbeitet inklusiv. Wie sieht da die Praxis aus?

Es gibt vier Sonderpädagogen für rund 50 Kinder mit Förderbedarf, die sich auf sechs Jahrgangsstufen verteilen. Das ist völlig unzureichend, alle Beteiligten sind überfordert. Ein Sonderpädagoge pro Jahrgangsstufe wäre eine Mindestanforderung. Eigentlich brauchen wir viel mehr, um eine gute Förderung der Kinder sicher zu stellen.