Kölner TierlebenWenn ein Tier in großer Gefahr ist

Ingrid Klaar simuliert mit ihrem Hund Gismo einen Einsatz im Rettungswagen.
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Köln – Ingrid Klaar sitzt am Steuer ihres Kastenwagens. Sie hat eine Freisprecheinrichtung am Ohr, neben ihr sitzt Gismo, ihr Hund, der sie stets begleitet. Klaar trägt eine Uniform, die mit der leuchtend gelben Farbe und den roten Streifen an der Seite an die Kluft von Rettungssanitätern erinnert. „Kein Wunder“, sagt sie und lacht. „Ich bin Sanitäterin. Aber eben für Tiere und nicht für Menschen.“ Spätestens wenn das orangefarbene Licht auf dem Dach des Fahrzeuges anfängt zu blinken, wird klar: Hier ist tatsächlich ein Rettungswagen unterwegs. Tierrettungsdienst steht in großen Buchstaben auf dem Fahrzeug. Über die Freisprecheinrichtung ist Klaar mit der Einsatzzentrale des Rettungsdienstes verbunden. Manchmal kommen Anfragen minütlich herein. Per Telefon klärt sie die Entfernungen ab, die sie von ihrem Standort zum Einsatzort brauchen würde. Doch an diesem Nachmittag ist es ruhig im Großraum Köln.
Im Inneren des Fahrzeugs ist alles auf mobile Erste Hilfe ausgelegt. In Dutzenden Boxen und Behältern findet sich das, was im Falle eines Kreislaufzusammenbruchs, einer Verbrennung, einer Unterkühlung oder einer offenen Verletzung die Zeit bis zur Klinik oder bis zum Tierarzt überbrücken kann. „Hier drin haben wir Sauerstoff, einen Beatmungsbeutel, Schläuche zum Einführen in Nase und Maul“, erklärt Klar und öffnet einen Behälter nach dem anderen. „Ebenso sterile Verbände, eine Rettungsplane und eine Trage sind verstaut. Wir sind für alles gerüstet.“
Etliche Käfige in verschiedenen Größen verweisen auf die Kundschaft: „Ich habe schon alles gefahren, vom Hamster bis zum 50-Kilo-Hund“, sagt Klaar nicht ohne Stolz. Der Verein UNA – Union für das Leben – hat den Rettungsdienst 2007 gegründet. Seither finden sich bundesweit immer mehr Ehrenamtliche, die in ihrer Freizeit verletzte, kranke, oder verunglückte Tiere transportieren. Der Verein sitzt mit seiner Leitstelle in Süddeutschland. Über eine bundesweite Notrufnummer werden die Einsätze in allen Regionen, in denen der Verein Fahrzeuge unterhält, koordiniert. Alle Helfer haben etliche Kurse und Seminare zur Tierrettung absolviert.
Schon alles erlebt
Ingrid Klaar, Industriekauffrau im Ruhestand, ist für den Großraum Köln zuständig und hat schon alles erlebt: „Schlimm sind Hunde oder Katzen, die aus hohen Stockwerken fallen und sich dann Knochenbrüche zuziehen. Die Tiere fahren wir meistens nur noch zum Einschläfern zum Tierarzt. Immer wieder haben wir auch vergiftete Hunde“, erzählt die Tiersanitäterin. „Aber nicht durch Fremdeinwirken, nein. Ich erinnere mich an einen Fünf-Kilo-Schoßhund, der 450 Gramm Schokolade gefressen hatte. Es war buchstäblich fünf vor zwölf, als die Leute anriefen. Das Tier begann bereits, zu hyperventilieren.“
Klaar fuhr den Mops nachts in die nächste Klinik, der Hund kam an den Tropf und überlebte. Eine verängstigte Katze, die unter einer Badewanne festsaß, hat die Sanitäterin aus den Fliesen geklopft. Denn im Gegensatz zur Feuerwehr hilft der Verein auch in Privathaushalten, wenn die Nerven blank liegen – bei Mensch und Tier gleichermaßen. Mit ihrem Wagen übernimmt sie zudem normale Transporte für Tierhalter, die kein Auto haben, wovon oft ältere Menschen Gebrauch machen, erzählt sie.
Wildtiere darf das Einsatzfahrzeug in Köln nicht mitnehmen. Das ist nur der Feuerwehr erlaubt. Entsprechend abwehrend muss die Hotline auf besorgte Tierfreunde reagieren, die Vögel oder Kleinwild in Gefahr sehen. Die entsprechenden Bestimmungen für die Transporte sind von Stadt zu Stadt unterschiedlich und werden vom Veterinäramt reglementiert. „In Düsseldorf und Frankfurt darf unser Rettungsdienst zum Beispiel auch verletzte Wildtiere fahren“, sagt Klaar. „Doch oft ist das Problem ein ganz anderes: Selbst wenn das Tier von einem Veterinär freundlicherweise umsonst behandelt wird, fragt sich anschließend: Wohin mit dem verletzten Tier, wenn es nicht sofort wieder selbstständig unterwegs sein kann.“ In manchen Fällen kann Klaar als erklärte Tierfreundin nicht widerstehen. Erst vor wenigen Tagen hat die Tier-Sanitäterin eine Ente nach Düsseldorf gefahren, die von einer Bruchlandung an einer Fensterscheibe einen gebrochenen Flügel davongetragen hatte: „Die haben dort eine Enten-Hotline mit einer angeschlossenen Auffangstation. Das ist klasse Tierschutzarbeit, daran könnte sich Köln mal ein Beispiel nehmen.“
Der Tierrettungsdienst ist Tag und Nacht über die bundesweite Notrufnummer 0700 – 952 952 95 erreichbar. Eine Rettung kostet 35 Euro bei einer Fahrtstrecke von 50 Kilometer. Jeder weitere Kilometer wird mit zwei Euro berechnet. Mitglieder zahlen weniger.