Köln – „Hännesche op der Fahrt noh’m Glöck“ und „Meister Nikola“ hießen die Stücke, mit denen sich die Puppenspiele der Stadt Köln nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zurückmeldeten. Da das Hänneschen-Theater am Eisenmarkt nach einem Bombentreffer noch in Trümmern lag, hob sich der Vorhang des Hänneschens am 15. August 1948 im Hörsaal I der Kölner Universität. Etwa zur gleichen Zeit hieß es keine zwei Kilometer Luftlinie entfernt ebenfalls: „Sid ehr all do?“
In der Pfarrgemeinde von St. Aposteln hatte Jugendgruppenleiter Michael Josuweck eine etwa zehnköpfige Hänneschen-Spielschar zusammengestellt. Die jüngsten Puppenspieler waren zehn, elf Jahre alt, die ältesten um die 20. Mitglied dieser „Jungschar-Gruppe“ war der damals 16 Jahre alte Toni Buhz. Der heute 88-Jährige erinnert sich lebhaft an die Zeit „hinger d’r Britz“. Gespielt wurde im Jugendheim an der Benesisstraße. „Der Raum bot Platz für gut 50 Kinder oder 30 Erwachsene. Der Zuspruch war groß, die Vorstellungen waren immer ausverkauft. Dabei ging es munter und lebhaft zu, wir haben das Publikum aktiv in unser Spiel miteinbezogen.“ Reich wurden sie mit dem Puppenspiel nicht. Kinder unter 14 Jahren zahlten zehn Pfennig Eintritt, Erwachsene 30 Pfennig.
Gespielt wurde sonntags, manchmal zwei Vorstellungen hintereinander. Auf Wunsch eines einzelnen Herrn gab es in jeder Spielzeit eine Montagsvorstellung. „Dann besuchte uns Karl Funck vom großen Hänneschen-Theater“, sagt Toni Buhz, „der Spielleiter der Puppenspiele hat jedes unserer Stücke gesehen.“ Und wohl auch geschätzt. „Funck hat mehrmals betont, dass er uns nicht als Konkurrenten sieht, sondern als Unterstützer. Es meinte, wir würden mit unserem Spiel dem Hänneschen-Theater vor allem junges Publikum zuführen“, erzählt Buhz. Es wird deutlich, dass den ehemaligen Lehrer und bekannten Kölner Mundart-Autor dieses Lob des Profis auch viele Jahrzehnte später noch freut.
Zum Gespräch bringt er seine erste „Freundin“ mit, liebevoll eingewickelt in ein Frotteehandtuch. „Meine Frau hat gesagt, da darf nix drankommen“. Kaum mag man das Bärbelchen berühren. Schon gar nicht die langen Zöpfe – „das ist Echthaar“. Dabei ist die 28 Zentimeter große Figur aus dem Jahr 1948 recht robust. Kopf, Rumpf, Arme und Beine sind aus Holz, lediglich die Kleidung ist ein wenig ramponiert. Aber das rote Röckchen mit schwarzer Weste zu weißem Blüschen und Schürzchen sind modisch zeitlos schön.
Alles, was die Puppenspieler „vun Zint Apostele“ für ihr Hänneschen brauchten, schufen sie in Eigenregie. Sie stellten die Stockpuppen, die Kulissen, Bühnenbilder und Requisiten selber her. An pfiffigen Ideen mangelte es nicht. „Die Handstangen, um die Arme der Puppen bewegen zu können, haben wir aus den Speichen eines alten Regenschirms gebastelt.“ Die Kostüme von Hänneschen, Bärbelchen, Tünnes, Schäl, Bestemo, Besteva und Speimanes steuerten die Frauen und Mädchen der Pfarre bei.Ein Blick in alte Programmhefte, die damals in den Schulen der Umgebung verteilt wurden, zeigt, wie akribisch die Jungen zu Werke gingen. Für das Stück „De Mondraket – en Abenteuerspillche met vill Klamauk en fünf Opzög“ von Laurenz Kiesgen wurden unter anderem ein Observatorium, eine Mondlandschaft und natürlich eine Rakete als Kulisse gebaut. Es kamen sieben Spieler in verschiedenen Rollen zum Einsatz. Und Elisabeth Josuweck. Die Schwester des Gruppenleiters Michael war Ensemblemitglied ehrenhalber und spielte die Frauenrollen. Mal war sie Bärbelchen, mal Bestemo oder auch das Mädchen Bibi im Stück „Hännes’gens Fahrt noh Afrika“.
Bis zum Jahr 1955 gab es die „Puppenspiele St. Aposteln“. Zuletzt gingen die engagierten Jungen sogar parallel mit einer Wanderbühne auf Stadt-Tournee. „Diese Bühne haben wir selber konstruiert, das Stahlgerüst war 4,50 mal drei Meter groß. Für den Aufbau brauchten wir jeweils anderthalb Stunden. Aufgetreten sind wir in Pfarreien oder Kinderheimen“, erzählt Buhz. Das letzte Stück hieß „Hänneschen auf Burg Schreckenstein“, geschrieben von Toni Buhz. Damit gelang den Puppenspielern der Sprung vom Pfarrheim ins Radio. Der NWDR (aus dem später NDR und WDR hervorgingen) baute eine eigens vom Autor erstellte Hörfunkfassung in sein Programm ein. Später strahlte auch der RIAS Berlin die Sendung aus. Dafür erhielt die Spielgruppe insgesamt 80 D-Mark Gage, die unter allen Mitwirkenden verteilt wurde.