Sie gingen zwischen Trümmern zur KommunionKölner treffen sich nach 75 Jahren wieder
Köln – Die erste Erinnerung an die Kommunion vor 75 Jahren ist für Marie-Anne Remagen eine fast heute noch fühlbare: die kratzigen, selbst gestrickten Wollstrümpfe, die nach damaliger Sitte bei fast allen Mädchen schwarz waren. Acht Jahre alt war Marie-Anne Remagen, als sie als eines von neun Kindern in St. Gereon am 28. Oktober 1945 zur Kommunion ging – es war die erste Gruppe nach dem Krieg.
Zum ersten Mal hatten sich die Kinder von damals 1984 wiedergetroffen, nachdem man sich Jahrzehnte aus den Augen verloren hatte. Nun fand beim Gottesdienst in St. Gereon das Jubiläumstreffen statt. Vier der ehemaligen Kommunionkinder hatten zugesagt, doch wegen Corona-Absagen waren es am Ende Marie-Anne Remagen und Manfred Inkamp, die nach dem Gottesdienst ihre Erinnerungen austauschten.
Auch Manfred Inkamp, damals elf Jahre alt, fällt sofort seine Festkleidung ein. Die Mutter hatte die Hosen aus einer eingefärbten Decke genäht. „Auf der stand noch die Abkürzung für den Reichsarbeitsdienst“, sagt er. Auf alten Fotos ist zu sehen, wie die Kindergruppe durch eine Trümmerlandschaft zur Kirche geht.
Kölner Kirche St. Gereon zerstört
St. Gereon selbst war so stark zerstört, dass die Zeremonie damals in der Krypta stattfinden musste. Beide Seiten des Dekagons waren weggerissen. Doch die Kinder von damals sehen eigentlich so positiv aufgeregt aus wie die Kommunionkinder von heute.
„Wir haben uns sehr auf den Tag gefreut“, sagt Marie-Anne Remagen, die damals wie Manfred Inkamp in der Erftstraße unweit der Kirche wohnte. Sogar Kommunionunterricht hatte es zuvor gegeben. „Wir wussten, worum es ging.“ Ihre Eltern hatten einen Tante-Emma-Laden, ein Onkel war Metzger, ein anderer Bäcker, so dass man die Lebensmittel für die Gäste trotz der schwierigen Zeiten zusammenbekam. „Wir hatten eine Riesenfeier, 100 Leute.“ Die vielen Blumen wurden zum Wässern in der Badewanne gelagert. Die Kleider für sie und ihre inzwischen verstorbene Zwillingsschwester nähte eine Kundin. „Die hieß Fräulein Zittrig, weil sie so stark zitterte.“ Aber Nähen konnte sie ganz wunderbar. Nur Kaffee war schwer zu beschaffen. Doch da kam der Zufall zur Hilfe. Vater Remagen hatte einen Koffer voller Kaffee zum Aufbewahren bekommen, der wurde „entliehen. Ein Teil wurde getrunken, gegen einen anderen Teil noch weitere Dinge getauscht.
Kommunion als Aussicht auf normale Zeiten
„Ohne Maggeln ging damals gar nichts“, sagt Manfred Inkamp. Und man brauchte ein gute Planung: Wochenlang wurden Kartoffeln gehortet, um sie dann am Festtag bei Inkamps zum Gulasch zu reichen. „Wir Kinder sind immer ins Vorgebirge gefahren. Wenn dort die Kartoffelernte war, sind wir immer noch mal auf die Felder gegangen und haben den Rest aufgesammelt.“ Für die Erwachsenen gab es zum Essen „Knolli-Brandi“, selbstgebrannten Schnaps aus Zuckerrüben. „Wenn der gemacht wurde, roch man das in der ganzen Straße.“
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Die Kommunion schien damals wie eine Art Aussicht auf normale Zeiten nach dem langen Krieg, in dem die Kinder damals aufwuchsen. „Wir haben kaum eine Nacht durchgeschlafen wegen der vielen Bombenangriffe“, sagt Inkamp. An zerstörte Straßen war man gewöhnt. „Wir sind immer zur Schule in die Machabäerstraße gelaufen, immer alleine. Helikoptereltern gab es damals nicht“, sagt Inkamp.
Auch nach 75 Jahren scheint die Zeit von damals noch ganz nach. Als Erinnerung an das Jubiläum gab es für Marie-Anne Remagen und Manfred Inkamp gelbe Rosen.