Kölns erste RöntgenschwesterWarum die Arbeit Blandina Ridder das Leben kostete
- In der Serie „Frauen Voran“ stellt der „Kölner Stadt-Anzeiger“ Frauen vor, die in der Geschichte der Stadt eine besondere Rolle gespielt haben.
- Viele von ihnen sind heutzutage in Vergessenheit geraten, obwohl sie zu ihrer Zeit Pionierarbeit geleistet haben.
- Im ersten Teil geht es Schwester Blandina Ridder, die als Röntgenpionierin in die Geschichte einging. Nach nur 18 Monaten erkrankte sie schwer.
Köln – Im Jahr 1899 schreibt Direktor Karl Hoff an das Kölner Bürgerhospital: "Mein Söhnchen im Alter von 3 1/3 Jahr hat vor circa 4 Monaten einen Pfennig verschluckt, dessen Abgang bis jetzt noch nicht constatiert werden konnte!" Er bitte daher "ergebenst um Mitteilung, an welchem Tag und zu welcher Stunde ich mit dem Kinde nach dorten kommen kann, um ihn vermittels der Röntgen Strahlen aufnehmen zu lassen." In der gerade gegründeten Röntgenabteilung arbeitete damals Blandina Ridder — eine Röntgenpionioerin, die ihren Einsatz mit dem Leben bezahlte.
Erst vier Jahre zuvor hatte Wilhelm Konrad Röntgen seine Entdeckung der X-Strahlen vorgestellt. Eine Entdeckung, die sich in rasanter Geschwindigkeit verbreitete, weil ihr praktischer Nutzen selbst für Laien so offensichtlich war: Plötzlich konnte man ins Innere des Körpers sehen, die Knochen in der Hand, die Münze im Magen, das Geld im Portemonnaie. Selbst auf Jahrmärkten wurde die wundersame Strahlung als Attraktion dargeboten.
Über die Gefährlichkeit der Strahlen indes wusste man in den Anfangsjahren nichts - ein Umstand, den viele Röntgenpioniere mit dem Leben bezahlten. Zu ihnen gehörte auch die Kölner Ordensschwester Blandina Ridder von der Gemeinschaft der Cellitinnen. Seit 1898 arbeitete Schwester Blandina in der kurz zuvor neugegründeten Röntgenabteilung des städtischen Bürgerhospitals nahe der Cäcilienstraße. Nur 18 Monate später erkrankte sie an Krebs, nach Jahren des Leidens starb sie 1916 im Alter von nur 45 Jahren. Als einzige Frau ist sie auf einem Denkmal verewigt, das vor dem Hamburger Krankenhaus St. Georg steht und den Röntgenpionieren gewidmet ist. Auch zwei Pflegeschulen waren zeitweise nach ihr benannt.
Mit 18 Jahren verließ Ridder ihr Zuhause, um nach Köln zu gehen
Geboren wurde Schwester Blandina am 4. Mai 1871 als Anna Maria Ridder im westfälischen Anreppen. Die ärmlichen Verhältnisse auf dem Land und ihre katholische Erziehung könnten ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass Ridder mit 18 Jahren Anreppen verließ, um sich in Köln der "Genossenschaft der Cellitinnen nach der Regel des heiligen Augustinus" anzuschließen, einem Orden, der sich traditionell der Pflege von Kranken widmete. Mit dieser Entscheidung habe sie nicht allein gestanden, schreibt Helma Sperling, Lehrerin für Pflege und Gesundheit, in einer Masterarbeit, in der sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Karin Zipper das Leben der Ordensschwester rekonstruiert hat ("Durchleuchtet. Blandina Ridder und der Arbeitsalltag als Röntgenschwester"). Mehrere junge Frauen aus Anreppen seien in dieser Zeit den gleichen Weg gegangen.
Nach ihrem ewigen Gelübde trat Schwester Blandina 1898 ihre Arbeit in der Röntgenabteilung des Bürgerhospitals an. Auf das, was sie dort erwartete, war die 27-Jährige, die keine physikalisch-technischen Vorkenntnisse besaß, in keiner Weise vorbereitet. Die krebserregende Wirkung der Strahlen war noch unbekannt; Bleischürzen, Sicherheitsglas oder strahlensichere Abdeckungen der Röhren gab es nicht.
Tödliche Überdosis
Auch Schwester Blandina setzte sich einer letztlich tödlichen Überdosis aus. Kinder oder Patienten mit Schmerzen hielt sie während der Durchleuchtung mit bloßen Händen fest - bei Belichtungszeiten, die bis zu 20 Minuten dauern konnten. Schon nach 18 Monaten erkrankte sie an Krebs, an Händen und Unterarmen zeigten sich Blasen und Geschwüre. Dennoch arbeitete sie weiter. Nach und nach mussten ihr alle Finger, dann die linke Hand und der linke Unterarm amputiert werden. Metastasen in Brust und Rücken quälten sie, bis sie 1916 starb.
Eine zeitgenössische Beschreibung schildert die Zustände im Röntgenzimmer so: "Eine akute Gefährdung für Leib und Leben bestand jederzeit durch die frei unter der Decke hängenden blanken Leitungen, die die Hochspannung zur Röhre führten. Mitunter war der Abstand zur Röntgenröhre so gering, dass das Hochspannungspotenzial sich von der Röhre direkt zum Patienten entlud." Stechend riechende Gase und Überschlagsfunken in Form greller klatschender Blitze und implodierende Röntgenröhren erschwerten die Arbeit.
"Bei den anfangs offenen Behältern der wassergekühlten Röhren kam bei längerem Betrieb die Gefahr des Verbrühens durch ausspritzendes, siedend heißes Kühlwasser hinzu - der Patient befand sich ja meist nur wenige Zentimeter von der Röhre entfernt."
Eine geregelte Ausbildung existierte trotz der Gefahren nicht. Die Röntgenschwester war auf die Anleitung des verantwortlichen Arztes und die gelegentlichen Unterweisungen der Ingenieure und Techniker, die die Apparaturen entwickelten und installierten, angewiesen und brachte sich ansonsten die Handhabung autodidaktisch bei, so Karin Zipper.
Technische Berufe waren bis dahin dem Mann vorbehalten
Es sei "bemerkenswert", sagt die Kölner Medizinhistorikerin Monika Frank, dass es ausgerechnet die Ordensschwestern waren, die als erste in das neuartige medizintechnische Arbeitsfeld gingen - galten technische Berufe doch zu dieser Zeit eindeutig als dem Mann vorbehalten. Gerade die besondere geistliche Berufung der Ordensschwestern sich aufzuopfern, zu helfen bis hin zur Selbstaufgabe, erwies sich jedoch geradezu als Voraussetzung für die gefährliche Arbeit im Röntgenzimmer. In einer Würdigung, die anlässlich des 150. Jubiläums der Kölner Cellitinnen in einer Festschrift erschien, heißt es: "Was das Leben dieser Frau so bemerkenswert macht, ist nicht die Tatsache, dass sie sich unwissentlich in Lebensgefahr gebracht hatte, sondern vielmehr ihr zähes Weiterarbeiten, als sie die Ursache ihres Leidens erkannt hatte."Für die Medizinhistorikerin Monika Frank wirkt das hier beschworene Ethos in der Wahrnehmung der Pflegeberufe bis heute nach. "Schwester <<Blandina>> war der Prototyp der Krankenschwester, so wie sie in der Erwartung der Gesellschaft sein soll, merkt Klein an. "Sie pflegt auch die Corona-Patienten auf der Intensivstation, unterbezahlt und ohne Gefahrenzulage."
Die Serie entstand in Zusammenarbeit mit dem Kölner Frauengeschichtsverein.