Im kanadischen Vancouver wird ebenso ein Bier namens Kölsch gebraut wie in Brasilien und den USA. Den Kölner Brauern ist das ein Dorn im Auge. In den USA isst man zu allem Überfluss zum Kölsch gern Aprikosenkuchen.
Kölner Brauerei-Verband machtlosKölsch-Imitate im Ausland werden immer beliebter
Das Kölsch, das in der Brassneck-Brauerei im kanadischen Vancouver ausgeschenkt wird, gibt es in 473-Milliliter-Dosen. Keine Kölsch-Stange, wie man sie in der Heimat gewohnt ist, auch kein Aufdruck in rut-wiess auf der Flasche, kein Dom oder Fraktur-Schrift.
Stattdessen wird das Bier in der schwarzen Dose auf der Website so beworben: „Unser bewährtes Kolsch ist zum Durstlöschen gedacht, nicht dazu, dich umzuhauen (außer, du bist schon von der schieren Dimension dieses Durstlöschens überwältigt)“.
Conrad Gmoser, Co-Chef der Brassneck-Brauerei, lacht, als er mit diesen Worten konfrontiert wird. Und findet neue Worte dafür, zu beschreiben, was er und sein Team mit „nicht umhauen“ ausdrücken wollen. „Deutsche Biere sind ein bisschen wie Baguette“, sagt er im Telefongespräch. „Nämlich nicht besonders interessant, wenn man sich bloß die Zutaten anschaut. Aber im Zusammenspiel funktioniert dieses Schlichte sehr gut. Ich habe definitiv gelernt, Kölsch als Biersorte zu lieben. Es hat diese leichte Fruchtigkeit.“ Aber: „Wir tun definitiv nicht so, als sei unsere Interpretation das gleiche wie das Original.“
Kölsch ist kölsch, das sagt schon das Gesetz
Kölsch ist eine kölsche Angelegenheit. Das sagt nicht nur der Name, das sagt auch das Gesetz: Seit 1985 regelt die Kölsch-Konvention, welches Bier so heißen darf – nämlich unter anderem nur, was in der Region gebraut wird. Doch Anwendung findet die Kölsch-Konvention nur in der EU. Deshalb gibt es in anderen Teilen der Welt viele Brauereien, die sich an das Bier heranwagen (dabei allerdings den Umlaut häufig elegant durch ein „o“ ersetzen).
In den US-Südstaaten wirbt eine Brauerei mit „Kölsch made in Texas“. Im kalifornischen Städtchen Mammoth Lakes stellt die örtliche Brauerei ein „Golden Trout Kölsch“ her, benannt nach dem „schwer zu fangenden California State Fish“ – der Goldforelle. Wer im hauseigenen Biergarten ein „Earthquake“ (Erdbeben) bestellt, bekommt hingegen ein Altbier.
Auch in Vancouver gibt es mehrere Brauereien mit Kölsch. In Brasilien wird ein Kölsch von der Eisenbahn-Brauerei gebraut, und zwar in der sehr deutsch klingenden Stadt Blumenau. Dass die so vertraut klingt, liegt daran, dass sie 1850 von Deutschen gegründet wurde. An deutschen Traditionen hält man dort fest und pflegt einen seltsamen Mix. So gibt es bayerische Brezeln, in süß statt salzig. Dazu Fachwerkhäuser (oder solche die so aussehen) im hessischen Stil.
Natürlich gibt es auch ein Oktoberfest und dazu eben nach dem deutschen Reinheitsgebot gebrautes Bier. Und weil im Blumenauer Deutschland-Mix noch was fehlte, gibt es neben Pils, Weizen, Bock und Bio-Pils eben auch Kölsch. Oder das, was man in Brasilien halt für Kölsch hält.
Christian Kerner ist der Geschäftsführer des Kölner Brauerei-Verbands und so der Hüter des Kölschs. Er hat das Bier dort vor Ort vor einigen Jahren getestet. „Man kann es trinken, aber wie Kölsch schmeckt es nicht“, sagt Kerner. In der EU gibt es immer wieder Kölsch-Imitate, gegen die Kerner und sein Verband gerichtlich vorgehen. Zuletzt etwa gegen das im österreichischen Sölden gebrauten Bier namens Sölsch.“ Das darf in Deutschland nicht mehr vertrieben werden.
„In der EU ist Kölsch eine geschützte geografische Marke, und daher verteidigen wir hier unser Recht“, sagt Kerner. In Übersee sei die Durchsetzung der Rechte am Namen Kölsch meist kaum möglich. „In Staaten ohne Freihandelsabkommen haben wir fast keine Chance“, sagt Kerner. Außerdem sei es für den recht kleinen Verband der Kölner Traditionsbrauereien viel zu aufwendig und zu teuer, in den USA oder Kanada gegen die Kölsch-Verstöße vorzugehen.
New York Times kürte Kölsch zum Sommerbier des Jahres 2011
Trotzdem berichten Kerner oft Urlauber davon, Kölsch in Übersee gesehen oder getrunken zu haben. Fünf Meldungen pro Jahr seien der Schnitt. So berichtet Kerner etwa von einem Alaska Kölsch oder einem anderen namens Cucumber-Kölsch. Im US-Wettbewerb World Beer Cup gibt es etwa eine Kategorie „German-Style Kölsch/Köln-Style Kölsch“. Die New York Times kürte das Kölsch zum „Sommerbier des Jahres 2011“. Die US-Bierkennerseite craftbeer.com rät beim Genuss von „Kolsch-Style-Beer“ übrigens wahlweise zu „Bratwurst, nussigem Käse oder Aprikosenkuchen“, nicht grade die kölscheste Bierbegleitung.
Fakt ist: Kölsch hat in den vergangenen Jahren international an Beliebt- und Bekanntheit gewonnen. Und das nicht nur, aber möglicherweise auch, nach einer ausführlichen Schimpftirade des Iron-Maiden-Sängers Bruce Dickinson: Es sei ihm „unbegreiflich, wie man sich das [Kölsch] freiwillig durch den Hals jagen kann“, sagte er 2018 in einem Interview mit dem Playboy. Dabei gebe es in Deutschland so wunderbare Biere, „die dir nach dem fünften Glas nicht vorgaukeln, dass du sechs weitere verträgst“. Und er setzte noch einen drauf: „Die Hölle ist ein Ort, an dem es nur Männer gibt, die Kölsch trinken, und wo am Ende eines spannenden Fußballspiels immer die Deutschen gewinnen.“
Zumindest in Nordamerika scheint man das Urteil des Briten nicht zu teilen. Die US-amerikanische Plattform „Beer Advocate“ listet 2101 Kölsch-Sorten in ihrer Sammlung. Bei den sogenannten „Beer Awards“ der west-kanadischen Provinz British Columbia wurde sogar eine eigene Auszeichnung für Kölsch vergeben. Unter 14 Einsendungen gewann das „Klutz“ von Gmosers Brauerei Brassneck.
Dort gehört das Kölsch zum Standard-Repertoire. Eigentlich wechselt die Bierauswahl in der 2013 eröffneten Brauerei regelmäßig. Es gibt bloß zwei Sorten aus dem Zapfhahn, die durchgängig verkauft werden. Ein „Passive Aggressive“ getauftes Pale Ale in Eigenkreation – und eben das Kölsch. „Nicht alle unsere Kunden sind hier, um das verrückteste Bier zu trinken, was sie je erlebt haben“, sagt Gmoser. „Ihre Geschmäcker sind verschieden.“ Und für die, die etwas Leichtes bevorzugen, gibt es Kölsch.
Meist kommt es in die monatliche Top 3 der meist verkauften Biere. „Es ist sehr leicht, sehr einfach, sehr gut zu trinken“, beschreibt es eine Besucherin an einem Abend in der Brauerei. „Ich denke, es wird mein neues Standardbier.“ Ins Repertoire geschafft hat es das Bier wegen eines jungen, deutschen Braumeisters, der 2014 zu Brassneck stieß. Er wollte ein eigenes Bier beitragen und versuchte sich am Kölsch. „Ich war noch nie in Köln und habe Kölsch so getrunken, wie es gedacht ist“, sagt Conrad Gmoser, in Anspielung auf die hier üblichen 0,2 Liter-Kölsch-Stangen. „Aber es steht auf meiner Liste.“