In der zweiten Anmelderunde gibt es in Köln zu wenig Gymnasialplätze. Die Stadt hat das in Kauf genommen und muss ihre Verantwortung für die Betroffenen übernehmen.
Kommentar zu Kölner GymnasienSehenden Auges und ohne Plan B ins Schul-Desaster
Aus dem Drama mit Schulanmeldechaos mit Mehrfachmeldungen im vergangenen Jahr ist ein rechtssicheres Drama ohne Chaos geworden. Was knapp 500 Kölner Familien seit Aschermittwoch durchleben, ist eine Zumutung. Wenn neunjährige Kinder mit Gymnasialempfehlung nun ihren Eltern vorschlagen, sitzenzubleiben, damit es im nächsten Jahr vielleicht mit dem Platz an der Wunschschule doch noch klappt, kann einen das nicht kaltlassen.
Auch nicht, wenn ein Vater sich in diesen Tagen beim Arzt Beruhigungstabletten verschreiben lässt, weil er Panik hat, dass seine Neunjährige womöglich ab Sommer jeden Morgen um 7 Uhr von Ehrenfeld oder Longerich einmal quer durch die Stadt ans Gymnasium nach Kalk zur Schule geschickt wird. Gleichzeitig ist es nicht fair, dass die Stadt die Eltern im Unklaren darüber lässt, wie viele Plätze es jeweils an Gymnasien mit freien Plätzen noch gibt, damit diese abwägen können, wo sie anmelden. Die Transparenz hätte ja deutlich gemacht, dass es eine Lücke gibt. Dass es in diesem Jahr erstmals auch in großer Zahl Familien trifft, die an Realschulen angemeldet haben, ist eine neue Dimension, die man erwähnen muss. Gerade weil sich die Eltern dort vielleicht nicht so lautstark äußern, ist es wichtig auch dort hinzuschauen.
Stadt schätzte einen Mehrbedarf von sieben Klassen
Das Schlimme ist, dass es ein Drama mit Ansage ist. Man muss sich noch mal die Pressekonferenz in Erinnerung rufen, die die Stadt im letzten Frühjahr abgehalten hat, als es mit Ach und Krach geschafft war, nach monatelangem Chaos doch noch für alle Kölner Kinder einen Gymnasialplatz anzubieten. Im nächsten Jahr werde es noch schwerer, hatte Schuldezernent Robert Voigtsberger da gesagt. Man brauche dann wohl nach Schätzung der Stadt mindestens sieben Mehrklassen, die die Bezirksregierung nur noch unter der Bedingung räumlicher Erweiterungen genehmigt würden.
Die kölsche Lösung, Jahr für Jahr einfach immer mehr Kinder ohne Raumerweiterung in die ohnehin schon völlig überfüllten Schulen zu stopfen, hat die damalige Schulministerin Yvonne Gebauer höchstselbst letztes Jahr für beendet erklärt. Und auch die 34 Gymnasialschulleitungen sind aus pädagogischer Verantwortung geschlossen in die Verweigerung gegangen.
Wir haben verstanden, suggerierte die Stadt. Deshalb brauche es kurzfristige bauliche Nachverdichtung durch Container an den bestehenden Schulen sowie Gesamtschulen und Gymnasien, die in Interimsbauten vorgezogen an den Start gehen. Sonst könne man schon nächstes Jahr nicht mehr alle Kölner Kinder versorgen. Konkret sprach der Dezernent von mindestens 300 Plätzen, die zum neuen Schuljahr neu geschaffen werden müssten.
Geschaffen wurden aber nur genau 120 Plätze. Damit ist man fahrlässig in das diesjährige Anmeldeverfahren gegangen. Ohne eine einzige neue Schule im Provisorium, ohne Plan B und mit der unbeirrbaren Hoffnung, dass es ja vielleicht doch nicht so schlimm kommen möge, weil vielleicht noch viel mehr Familien als im letzten Jahr aus Angst gleich in Pulheim, Dormagen oder Hürth anmelden. Gleichzeitig suggeriert man den Eltern, sie hätten einen Zweitwunsch. De facto entpuppt sich der Zweitwunsch als eine Art Postservice: Die Zweitwünsche landen aus Gründen der Rechtssicherheit ebenso in der zweiten Runde wie alle, die jetzt nochmal neu anmelden müssen. Sie konkurrieren zeitgleich um dieselben Plätze.
Kölner Eltern wählen den Schulplatz nach Wohnortnähe
Wie das Plätze-Roulette nun ausgeht, weiß derzeit keiner. Wenn am Ende Plätze fehlen, hat die Stadt ein großes Problem. Keiner weiß, wie sie aus der Nummer rauskommt. Sie selbst wohl auch nicht. Aber selbst wenn es am Ende doch irgendwie knapp aufgehen sollte: Schulplatzverteilung darf nicht heißen, einfach nur die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit der Zahl der Plätze irgendwie rechnerisch zur Deckung bringen. Und Schulplätze schaffen, heißt auch nicht einfach einen weiteren Stuhl in schon mit 31 Kindern überfüllte Klassen zu stellen.
Die auskömmliche Bereitstellung von Schulplätzen ist eine der wenigen kommunalen Pflichtausgaben – und dies bedeutet Schulplätze in erreichbarer Nähe, da wo sie gebraucht werden und nicht am anderen Ende der Stadt. Die Elternumfrage zur Schulwahl, die die Stadt im vergangenen Jahr aufwändig hat durchführen lassen, hatte ein sehr deutliches Ergebnis: Für die Entscheidung der Eltern zählt vor allem ein Kriterium – sie muss wohnortnah sein. 30 Minuten pro Weg seien die zumutbare Entfernung, hat der Schuldezernent letztes Jahr gesagt. Daran werden er und die Stadt sich messen lassen müssen, wenn die Kinder, die auch in der zweiten Runde leer ausgehen, verteilt werden müssen.
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