Konrad AdenauerVor 50 Jahren starb der erste Bundeskanzler
Köln – Am Nachmittag des 19. April 1967 verkündete ein Extrablatt des „Kölner Stadt-Anzeiger“ die traurige Nachricht: „Konrad Adenauer ist tot – der Alt-Bundeskanzler starb heute um 13.21 Uhr in seinem Rhöndorfer Haus.“
Die behandelnden Ärzte, Hausärztin Dr. Ella Buch-Bebber und Prof. Adolf Heymer von der Universitätsklinik Bonn, hätten bis zum letzten Augenblick um das Leben ihres prominenten Patienten gekämpft, hieß es; Adenauer sei den Folgen eines grippalen Infektes – verbunden mit einer Bronchitis – erlegen, die zusammen eine Schwächung des Kreislaufs und der Herztätigkeit hervorgerufen hätten. Obwohl er in den letzten Stunden seines siebentägigen Todeskampfes oft von Schmerzen geplagt wurde, sei er sanft entschlafen.
Erst eine Woche vor seinem Ableben waren Nachrichten über den schlechten Gesundheitszustand des 91-Jährigen in den Medien verbreitet worden. Aus Adenauers Familie verlautete zudem, dass „der alte Herr“, wie er genannt wurde, kurz nach Ostern (26./27. März) ernsthaft erkrankt sei; schon von einer Reise nach Madrid, wo er auch den spanischen Staatschef Franco getroffen hatte, sei er „gesundheitlich leicht angeschlagen“ zurückgekehrt. Ende März diagnostizierte die Hausärztin jedoch einen Herzinfarkt und verordnete strengste Bettruhe.
Da Adenauer aber geäußert habe, er wolle nichts Besorgniserregendes über sich in der Presse lesen, habe man zunächst davon abgesehen, die Öffentlichkeit zu informieren. Am 13. April, als sich sein Zustand immer mehr verschlechterte, wurde dann doch ein ärztliches Bulletin veröffentlicht. Die Kinder Adenauers waren seit diesem Tag – abwechselnd und mit kurzen Unterbrechungen – an seinem Krankenbett versammelt, darunter Monsignore Paul Adenauer, der dem Vater dann auch die letzte Ölung erteilen sollte.
Als bekannt wurde, dass „Deutschlands „großer alter Mann“ – so der „Express“ am 14. April – im Sterben liegt, nahm die ganze Nation Anteil an seinem Todeskampf; zu Füßen des Hauses in Rhöndorf versammelten sich Menschen, stumm, aber voller Hoffnung auf ein Wunder. In Kirchen wurden Kerzen entzündet und Bittgottesdienste abgehalten.
Auch aus dem Ausland wurde große Anteilnahme bekundet – Papst Paul VI. sandte Adenauer ein Telegramm mit Genesungswünschen, Charles de Gaulle, französischer Staatspräsident und Freund Adenauers, schickte einen handschriftlichen Brief nach Rhöndorf und erkundigte sich stündlich nach dem Befinden des Patienten; auch US-Präsident Johnson wünschte Adenauer baldige Genesung. Seit dem 13. April gingen Tausende Telegramme, Schreiben und Blumengrüße in Rhöndorf ein.
Enkel erinnert sich an die letzten Stunden
Adenauer-Enkel Konrad, Jahrgang 1945, heute unter anderem Vorsitzender der Stiftung Stadtgedächtnis, erinnert sich an seinen letzten Besuch beim Großvater: „In dieser letzten Phase seiner Krankheit habe ich ihn mit meinem Vater abends aufgesucht. Sein Bett stand frei im Schlafzimmer, umgeben von Apparaturen, Sauerstoffflaschen und ärztlichem Personal. Seine Sekretärin Anneliese Poppinga versuchte mich mit dem Satz zu trösten, es würde schon alles wieder gut werden. Leider war dem nicht so.“
Die Nachricht vom Tode Adenauers übermittelte die Familie zunächst dem Bundeskanzleramt; die vor dem Haus wartenden Journalisten erfuhren vom Ableben des Alt-Kanzlers etwa 20 Minuten später, als eine Hausangestellte der dort postierten Polizeiwache zurief: „Ihr müsst die Flagge auf halbmast setzen.“ Kurz nach 14 Uhr begannen die Glocken der Rhöndorfer Pfarrkirche zu läuten, viele Einwohner fanden sich daraufhin zum Gebet für den Toten im Gotteshaus ein. Als erster kondolierte der französische Botschafter Francois Seydoux den Adenauer-Söhnen Georg und Paul, er übermittelte dabei auch das persönliche Beileid de Gaulles; Bundesinnenminister Paul Lücke überbrachte kurz vor 17 Uhr die Beileidswünsche der Bundesregierung.
Die Öffentlichkeit traf die Nachricht aus Rhöndorf zwar nicht unvorbereitet – sie löste nicht nur in Deutschland große Trauer aus. Politiker in aller Welt würdigten Adenauer als großen Staatsmann, der dem deutschen Volk den Weg zurück in die Staatengemeinschaft gebahnt habe.
Selbst die sowjetische Nachrichtenagentur TASS meldete Adenauers Tod mit einer Blitzmeldung, in der Respekt vor seiner politischen Lebensleistung geäußert wurde. An allen öffentlichen Gebäuden Westdeutschlands wehten die Fahnen in den nächsten Tagen auf halbmast, in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, wo Landtagswahlen anstanden, wurde der Wahlkampf wegen Adenauers Tod ausgesetzt.
Ergreifende Szenen an Adenauers Sterbebett
Am Abend des 19. April gab Regierungssprecher Karl-Günther von Hase bekannt, dass die Trauerfeier am 25. April um 14 Uhr im Kölner Dom stattfinden werde; der von Bundespräsident Lübke angeordnete Staatsakt sollte einige Stunden zuvor, um 10 Uhr, im Bonner Bundeshaus beginnen. Zugleich teilte das Bundespresseamt mit, dass US-Präsident Lyndon B. Johnsohn, Frankreichs Charles de Gaulle, der britische Premierminister Harold Wilson und der italienische Ministerpräsident Aldo Moro bereits ihre Teilnahme an den Trauerfeiern zugesagt hätten.
Nach dem sorgfältig ausgetüftelten Programm der Beisetzungsfeierlichkeiten sollte eine Lafette des Bundesgrenzschutzes den Sarg am 22. April vom Adenauer-Haus nach Bonn bringen. An diesem frühen Samstagmorgen spielten sich ergreifende Szenen in Rhöndorf ab: Kölns 80-jähriger Erzbischof Josef Kardinal Frings war ins Adenauer-Haus geeilt und sprach im Sterbezimmer, vor dem Verstorbenen kniend, das Totengebet. Enkel Konrad war ebenfalls anwesend: „Ich sah meinen Großvater tot auf seinem Bett liegen, die Frühlingssonne schien auf ihn durch das geöffnete Fenster – ein Anblick, den ich nie vergessen werde.“
Großer Trauermarsch für den verstorbenen Kanzler
Als Offiziere den mit der Bundesflagge bedeckten Sarg den schmalen Gartenpfad zur Lafette hinuntertrugen, weinte der zutiefst erschütterte Sohn Georg. Die Lafette nahm dann den gleichen Weg, den Adenauer früher auf seiner täglichen Fahrt in die Bundeshauptstadt genommen hatte. In Rhöndorf, Bad Dollendorf, Bad Godesberg und Bonn säumten Zehntausende schweigend und voller Anteilnahme diesen Weg, zunächst zur Fähre, die den Sarg über den Rhein ans Godesberger Ufer brachte.
Im Palais Schaumburg, dem Amtssitz des Bundeskanzlers, wurde der Trauerkondukt unter Trommelwirbel von Kurt Georg Kiesinger, dem damaligen Hausherrn, empfangen; zwei Tage lang hatten dann Adenauers frühere Mitarbeiter, Diplomaten, Abgeordnete und der „einfache“ Bürger Gelegenheit, sich vom Verstorbenen zu verabschieden – Tausende nahmen diese Gelegenheit trotz Regens wahr.
In der Nacht zum Montag eskortierten Polizei und Bundesgrenzschutz den Sarg auf dem Weg von Bonn – über die Autobahn – nach Köln, hinter dem Leichenwagen folgten mehrere Autos mit den Mitgliedern der Familie Adenauer. Mehr als zehntausend Menschen, viele mit Pechfackeln ausgestattet, erwarteten den Trauerzug vor dem Dom, wo Kardinal Frings, Oberbürgermeister Theo Burauen und die Stadtspitze dem Toten die letzte Ehre erwiesen; aufgebahrt wurde der Sarg vor dem Vierungsaltar.
Am Montagmorgen wurde der Dom um 8 Uhr für die Kölner Bevölkerung geöffnet, die von ihrem Ehrenbürger Abschied nehmen wollte. Ein endloser Zug trauernder Menschen, man schätzt deren Zahl auf annähernd Hunderttausend, defilierten dann am Sarg vorbei, an dem Soldaten die Ehrenwache hielten. Auch am folgenden Tag, dem Höhepunkt der Trauerfeierlichkeiten, bestand noch einmal, allerdings nur für kurze Zeit, die Möglichkeit, sich vor dem großen Toten zu verneigen.
50.000 Menschen verabschieden sich von Adenauer
Um 12 Uhr wurde der Dom geschlossen, um das Requiem vorzubereiten, an dem neben den geladenen Gästen, Staatsoberhäuptern, Premier- und Außenministern, Diplomaten aus mehr als hundert Ländern, darunter die erwähnten Präsidenten Johnson und de Gaulle, auch etwa dreitausend Kölnerinnen und Kölner, so schätzten Zeitungen, ohne jede Vorauswahl und -kontrolle teilnehmen sollten.
Um 13.40 Uhr rollte der Konvoi der Staatsgäste, direkt vom Staatstakt im Bonner Bundeshaus kommend, am Westportal des Doms vor; Johnson entstieg einem gepanzerten US-Straßenkreuzer, de Gaulle natürlich einem großem Citroen. Das große Geläut des Doms setzte ein, als de Gaulle und Bundespräsident Lübke die Stufen zum Portal hinaufschritten, in der Dom-Umgebung hatten sich mehr als 50.000 Menschen eingefunden.
Einer derjenigen, die es in den Dom schafften, war Wolfgang Oelsner, renommierter Psychologe und Kenner des Kölner Karnevals, damals noch Gymnasiast. Er war aus Opladen „auf gut Glück“ nach Köln gefahren. Um so mehr überraschte es ihn, wie er sagt, „dass ausgerechnet ich zu den wenigen Kölnern gehören sollte, die neben den Ehrengästen Zutritt zum Dom hatten.“ Den Sarg Adenauers, so Oelsner, „sah ich nun mit eigenen Augen. Das hat mich dermaßen beeindruckt, dass ich meine Erlebnisse am Abend noch niederschrieb, als damals 17-Jähriger vermutlich weniger, um die großen Verdienste dieses Mannes zu würdigen, als um später sagen zu können: Ich war dabei an einem historischen Tag.“
Oelsner notierte, dass sechs Generäle die Totenwache am Sarg übernahmen – und dass er im Kopf eine Liste der Ehrengäste anfertigte, die er erkannte, darunter Barzel, Brandt, Erhardt, damalige bundespolitische Prominenz; „Dann, als fast alle Plätze eingenommen waren, bis auf vier in der ersten Reihe, keine zehn Meter von mir entfernt, erhoben sich die Trauergäste – Johnson schritt durch das Hauptportal ein, nach ihm de Gaulle. Da wurde mir noch einmal bewusst, welch großer Tag dies war.“
Den Trauergottesdienst zelebrierte Kardinal Frings, zum Auftakt sang der Domchor das „Requiem aeternam“; die kirchliche Feier dauerte etwa 75 Minuten, das Fernsehen übertrug in 19 Länder. Anschließend wurde der Sarg Adenauers unter gedämpften Trommelwirbel aus dem Dom getragen und auf einen Katafalk-Wagen gehoben, es ging hinunter zum Rhein. Dem Wagen folgten die kirchlichen Würdenträger, die Familie und schließlich die Staatsgäste. Am Rheinufer erklang das Deutschland-Lied, als Schnellboote der Bundesmarine den Sarg übernahmen, um ihn nach Rhöndorf zu transportieren. Ein Artillerie-Bataillon schoss Salut, dann donnerten Starfighter über dem schwimmenden Trauerzug hinweg.
Konrad Adenauer trat seine letzte Reise auf dieser Welt an. Bestattet werden wollte er auf dem Friedhof in Rhöndorf im Familienkreis – „in aller Stille und Bescheidenheit, die seinem Wesen mehr entsprach als das militärische Gepränge der vorangegangenen Stunden“. So fasste der „Kölner Stadt-Anzeiger“ das Geschehen am 25. April 1967 treffend zusammen.
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