Vancouver/Köln – Es gibt diese Kuriositäten, die einem sofort auffallen, wenn man aus dem Rheinland nach Nordamerika reist: Das Wasser aus dem Hahn riecht wie im Schwimmbad. Die Preise auf der Speisekarte entsprechen niemals dem, was am Ende auf der Quittung steht. Duschköpfe sind in der Wand verankert und beim Blick in die mit Wasser gefüllte Toilette entsteht für ungeübte europäische Augen schnell die Sorge, dass sie verstopft ist.
Doch neben diesen gewöhnungsbedürftigen Unterschieden gibt es gerade im kanadischen Vancouver auch so einiges, an dem man sich in Köln ein Beispiel nehmen könnte. Sei es der lächerlich unkomplizierte ÖPNV, kostenlose öffentliche Infrastruktur oder eine Lektion in Barrierefreiheit.
Öffentlicher Raum für alle
Mittagszeit in Downtown Vancouver: Auf einem kleinen Platz an der belebten Granville Street verbringen zahlreiche Menschen ihre Pause. Im Schatten eines Einkaufszentrums sind Tische, Stühle und Bänke aufgebaut, die keinem der umliegenden Cafés und Geschäfte zuzuordnen sind. Nur eine Straße weiter zeigt sich vor der städtischen Kunstgalerie ein ganz ähnliches Bild. Wer hier sitzt, ist kein zahlender Kunde, sondern Bürger.
Diese Art von Infrastruktur gibt es überall in der Stadt: auf Plätzen wie diesen, in den Parks, an den Stränden. Mal stehen dort Bankreihen, mal kleine Ensembles an Picknicktischen. Und es sind diese Tische, die den qualitativen Unterschied machen. Denn Parkbänke sind zwar für einen Zwischenstopp gut – an einem Tisch lässt es sich arbeiten, essen, spielen, Zeit verbringen. Der öffentliche Raum wird mit wenig Aufwand viel einladender. Viele Kölner Plätze könnten davon profitieren.
Digitalisierung im öffentlichen Nahverkehr
Wer neu in Köln ist und den öffentlichen Nahverkehr nutzen möchte, benötigt dafür erschreckend viel Vorwissen. Wird das Ticket am Bahnsteig (S-Bahn), in der Bahn (Straßenbahn) oder beim Busfahrer gekauft? In welche Tarifzone fällt meine Fahrt? Muss ich mein Ticket abstempeln, und wenn ja, wo in aller Welt steht das entsprechende Gerät? Wer sich in einem dieser Punkte verheddert, dem droht ein Bußgeld fürs Schwarzfahren – so selbst gesehen, als eine fremdsprachige Touristin bei einer KVB-Kontrolle ein unabgestempeltes Ticket vorzeigte.
Wer neu in Vancouver ist und den öffentlichen Nahverkehr benutzen möchte, benötigt dafür bloß eine Kreditkarte. Hinein in den Bus oder die Bahnstation, die Karte ans Lesegerät halten, fertig. Kontaktlos innerhalb von Sekundenbruchteilen erledigt, eine Preisstufe für alles. In vielen europäischen Nachbarländern läuft es genauso.
Wessen Kreditkarte nicht funktioniert, der wird von den kanadischen Busfahrern in der Regel übrigens trotzdem durchgewunken.
Professionelle Höflichkeit
Apropos öffentlicher Nahverkehr: Ist es nicht eine schöne Angewohnheit, Busfahrerinnen und -fahrern beim Aussteigen zu danken? In einer Stadt wie Vancouver ist das eine Selbstverständlichkeit. Hat man es sich einmal angewöhnt, scheint es absurd, wieder damit aufzuhören. Aus einem Taxi springt man ja auch nicht kommentarlos heraus, sobald die Fahrt beendet ist.
Die Interaktion zwischen Dienstleister und Kunden läuft in Nordamerika meist zwei Spuren freundlicher, als man es in Deutschland – und ja, selbst im herzlichen Köln – gewohnt ist. Das gilt für beide Seiten. Hilfe wird angeboten, noch bevor man den Mund geöffnet hat, um danach zu fragen. Was hierzulande gern naserümpfend als „aufgesetzt“ bezeichnet wird, macht das Navigieren des öffentlichen Lebens tatsächlich um einiges angenehmer.
Kostenloses Wasser, kostenlose Toiletten
Vancouver ist eine teure Stadt. Das zeigt sich an den Mietpreisen, im Supermarkt, im Restaurant. Die menschlichsten aller menschlichen Grundbedürfnisse kann man hier allerdings – genau wie im restlichen Nordamerika – kostenlos stillen. Wasser gibt es nicht nur in Restaurants gratis dazu, sondern auch an Wasserstellen in der Stadt und Touristenattraktionen mitten in den Bergen. Anekdotisch sei an dieser Stelle von einem Jogger berichtet, der sich in einem Sandwich-Laden „selbstverständlich“ kostenlos sein Wasser auffüllen durfte, bevor er das Geschäft verließ, ohne dort einen Penny ausgegeben zu haben. Auch Toiletten sind überall kostenfrei zugänglich.
Barrierefreiheit
Strände sind selten barrierefrei. Sand ist nun einmal kein Untergrund, der sich gut mit Rädern verträgt – seien es nun die eines Rollstuhls, Rollators oder Kinderwagens. An zwei der beliebtesten Stadtstrände in Vancouver – Kitsilano Beach und English Bay – gibt es daher spezielle Strandmatten, die einen Korridor vom nächstgelegenen asphaltierten Weg bis hinunter ans Wasser bilden. An insgesamt neun Stränden und Pools können außerdem kostenlos Wasser-Rollstühle ausgeliehen werden.
Vancouver gilt als Vorbild in Sachen Barrierefreiheit. Das zeigt sich zumindest gefühlt auch im Stadtbild: an der Selbstverständlichkeit, mit der die Passagiere Busfahrern Kommandos für Rollstühle und Kinderwagen zurufen, an einer größeren Anzahl an Menschen mit Blindenstock. In Köln sind wir doch so stolz darauf, eine Stadt für Jedermann zu sein – wieso nicht auch hier eine Schippe zulegen?
Unsere Autorin ist Wirtschaftsredakteurin beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ und berichtet zurzeit als Stipendiatin des Arthur F. Burns Fellowship aus Kanada.