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„Das war gruselig“Krähe greift Kölner Jugendliche im Sturzflug wie ein Kamikaze-Pilot an

Lesezeit 5 Minuten
Eine Krähe trägt eine Eichel im Schnabel. Während der Brutzeit kann eine Rabenkrähe aggressiv werden und in Einzelfällen sogar Menschen angreifen.

Während der Brutzeit kann eine Rabenkrähe aggressiv werden und in Einzelfällen sogar Menschen angreifen.

Zwei 15-Jährige wurden im Kölner Stadtgarten von einer Krähe angegegriffen. Das Tier wollte womöglich seinen Nachwuchs verteidigen.

Als Arno am Samstag vor drei Wochen wie üblich mit dem Familienhund in den Kölner Stadtgarten geht, ist er spät dran. „Ich muss mich beeilen, um noch pünktlich zu meinem Kickbox-Training zu kommen“, denkt er, als plötzlich etwas ganz knapp über seinen Kopf hinweg donnert. Ein Vogel, verdutzt dreht sich der 15-Jährige um und schaut dem Tier hinterher. „Das ist eine Krähe oder so ähnlich“, vermutet er und mustert den schwarz gefiederten Störenfried. Der fixiert offenbar auch den Jugendlichen.

„Da habe ich sofort gesehen, dass irgendwas komisch ist, dass er zurückkommt und mich angreifen will“, erzählt der Teenager. Das Tier sei hoch in die Luft geflogen und dann im Sturzflug wie ein Kamikazeflieger auf ihn zugerast. „Knapp vor meinem Kopf ist die Krähe dann wieder nach oben gezogen“, so Arno. Sechs, sieben Mal sei das geschehen. Einmal sei das Tier mit den Krallen über seine Kopfhaut geschrammt. „Manchmal ist sie auch nur über mich geflogen und hat dann ihre Flügel gespreizt, vermutlich um mich einzuschüchtern.“

„Das ist schon ein bisschen gruselig gewesen“

So eine Krähe, die könne echt groß aussehen, wenn sie sich aufplustert, sagt der Teenager. Das sei „schon ein bisschen gruselig gewesen“, vor allem auch, weil er nicht gewusst habe, was er tun soll. „Wenn die sich mit ihren Krallen so richtig in den Hals bohrt, könnte das schließlich auch böse enden“, erzählt Arno. Kurz habe er überlegt, einen Stock zur Verteidigung zu suchen. Dann aber sei er, immer auf der Hut vor einer neuen Attacke und konzentriert auf eventuell notwendige Ausweichbewegungen, so schnell wie möglich aus dem Park gegangen.

„Weil ich dachte, die Krähe beruhigt sich dann“, sagt der 15-Jährige, der etwa 150 Meter entfernt vom Stadtgarten wohnt. Aber der Vogel habe ihn weiterverfolgt und ihn bis nach Hause immer wieder attackiert, Angriffe in einem Höllentempo immer wieder angetäuscht. „Die Leute auf der Straße sind stehengebblieben und haben irritiert geguckt, alleine schon wegen der Lautstärke, mit der der Vogel gekräht hat.“

Auch auf der Venloer Straße gingen die Vogel-Attacken weiter

Wenn auch selten, gibt es solche Angriffe immer wieder mal, wissen Experten. Im Kölner Stadtgarten-Park beispielsweise war auch noch Paul betroffen. Ebenfalls mit einem Hund unterwegs, habe die Krähe ihn von hinten angeflogen und seinen Kopf gestreift, erzählt der Jugendliche. Dann habe sie ihn so lange verfolgt, bis er den Park verlassen habe.

Ein Rabenkrähen-Paar tippelt über den Rasen im Kölner Stadtgarten. Einer der beiden Vögel soll die Jungendlichen angegriffen haben.

Ein Rabenkrähen-Paar im Kölner Stadtgarten. Einer der beiden Vögel soll die Jungendlichen angegriffen haben.

Während der Brutzeit, und jetzt sei gerade Hauptsaison, „reagiert mancher Vogel empfindlich, wenn sich vermeintliche Feinde wie Menschen sowie potenzielle Nesträuber wie Katzen, Eichhörnchen oder andere Vögel dem Nest nähern“, sagt Birgit Königs vom „Naturschutzbund Deutschland“ (Nabu) in NRW. Da würden harmlose Jogger, Radfahrer und seltener sogar Fußgänger attackiert – gelegentlich sogar mit Schnabel und Krallen. Meistens bleibe es aber bei Scheinangriffen.

Bekanntes Verhalten bei Rabenkrähen und Bussarden

Bekannt sei dieses Verhalten insbesondere von Bussarden und Rabenkrähen. Aber auch alle Singvögel könnten ähnlich reagieren. „Nur nimmt man Angriffsflüge einer ausgewachsenen Krähe anders wahr als das erregte Tschilpen und Verleiten eines Spatzen“, so Königs. Zudem seien „Vogelpersönlichkeiten verschieden, und es gibt einzelne Tiere, die empfindlicher reagieren als der große andere Teil“.

Die Gefahr eines Angriffs aber bestehe auch bei Krähen und Bussarden nur während der Aufzucht. „Sobald die Jungen selbständig sind, kehrt bei den Eltern wieder Ruhe ein.“ Spätestens „gegen Ende Juni ist der Spuk zwar wieder vorbei“, ergänzt die Nabu-Sprecherin. In der Umgebung bekannter Nester der beiden Arten solle man sich derzeit aber „aufmerksam und langsam bewegen“. Falls es trotzdem zu einem Angriff komme, laute der Rat: Möglichst Ruhe bewahren, den Kopf mit Händen oder einem erhobenen Ast abschirmen und langsam vom Nest weggehen.

Vögel verteidigen ihren Nachwuchs

Vor Kurzem hat der Nabu-NRW vor allem Jogger und Radfahrer vor Mäusebussarden gewarnt, deren Nester oft am Waldrand zu finden sind. „Es ist die Geschwindigkeit, die den Bussard dazu veranlasst, in den Betroffenen eine Bedrohung für seine Jungen zu sehen“, erklärt Christian Chwallek, Sprecher des Nabu-Ausschusses Ornithologie. Bussarde, von denen es in NRW 9000 bis 14.000 Paare gibt, brüten ab Mitte April. Die Jungen schlüpfen nach rund fünf Wochen. Nach weiteren sechs bis sieben Wochen verlassen sie den Horst. „Die kritische Phase, in der die Altvögel am ehesten ihre Brut aggressiv verteidigen, beginnt also Anfang Juni und reicht bis in den Juli“, so Chwallek.

Ein Mäusebussard fliegt am Himmel. Auch diese Vögel können angreifen, wenn sie ihre Brut in Gefahr sehen.

Ein Mäusebussard fliegt am Himmel. Auch diese Vögel können angreifen, wenn sie ihre Brut in Gefahr sehen.

Auch Rabenkrähen sind in NRW weit verbreitet. Ihre Population ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gewachsen. Der aktuelle Bestand liegt in NRW bei 68.000 bis 87.000 Brutpaaren, was fast zwei Drittel über der Verbreitung in den 1990er Jahren liegt. Anfang April legen die Rabenkrähen, die meist in alten Laubbäumen nisten, bis zu sechs Eier. Dort schlüpfen nach rund 20 Tagen die Jungvögel. Erst nach einem weiteren Monat verlassen die jungen Krähen das Nest, so dass ab Mitte Mai ihre sogenannte Ästlingsphase beginnt.

Nach der Aufzucht sind die Eltern wieder friedlich

Als Ästlinge werden Jungvögel bezeichnet, die nach ihrer Aufzucht das Nest verlassen haben und noch unsicher ihre ersten Kletter- und Flugversuche in den Bäumen unternehmen. Während dieser Zeit kommt es nicht selten vor, dass die Frischlinge auf dem Boden, im Gebüsch oder auf Wegen landen, dabei jedoch ständig in Rufkontakt mit ihren Eltern stehen und weiterhin gefüttert werden.

In der Regel klettern die Jungvögel nach einer Weile auf dem Boden wieder auf Bäume, schon weil sie dort besser geschützt sind. Nähern sich allerdings Menschen den noch recht hilflosen Jungkrähen unwissentlich, kann es schnell passieren, dass dies ein Altvogel als Bedrohung seines Nachwuchses sieht und Angriffsflüge startet, um die Aufmerksamkeit auf sich zu leiten.

Auch er habe damals gedacht, dass er attackiert wird, weil die Krähe womöglich ihre Küken verteidigen will, sagt Arno. „Aber ich habe weder ein Nest noch ein Jungtier gesehen.“ Der Vogel jedenfalls hatte sich den Teenager offensichtlich gemerkt. In den folgenden Tagen, als er wie üblich wieder mit dem Familienhund durch den Park ging, wurde er noch zweimal angegriffen. „Aber jeweils nur, bis ich wieder am Parkausgang war, danach ist der Vogel umgekehrt“, sagt Arno und lacht: „Und seit etwa zehn Tagen ist Ruhe, da ist nichts mehr passiert.“