Kriminalität im Kölner DomWie ein Pfarrer eine wilde Horde FC-Fans bändigte
Köln – Die drei Männer kamen im Dunkeln, sie hatten eine Strickleiter und Bergsteigerausrüstung dabei. An der Nordseite des Doms bogen sie in sechs Metern Höhe mit roher Gewalt zwei Eisengitterstäbe vor einem Lüftungsschacht auseinander. Einer zwängte sich durch die schmale Öffnung, ließ sich an einem Seil in die Domschatzkammer hinunter und brach dort die ungesicherten Vitrinen auf.
Der Einbruch in der Nacht zum 2. November 1975 war vermutlich die spektakulärste Straftat, die es je im Dom gegeben hat. Die ungewöhnlichste war sie auf jeden Fall. Die Täter entkamen mit wertvollen Monstranzen und Kreuzen und hätten womöglich noch größere Beute gemacht, wäre ihnen in der Schatzkammer nicht die große Prunkmonstranz aus den Händen gefallen.
„Das gab einen Höllenlärm“, erzählt Helmut Simon, heute pensionierter Polizist, der seinerzeit bei den Ermittlungen half. Zwei Domschweizer der Nachtwache schreckten hoch, rannten zur Schatzkammer, hatten aber keinen Schlüssel. „Der Dieb kletterte am Seil wieder hoch und flüchtete mit einem Komplizen“, berichtet Simon.
Und dennoch: Die Täter wurden schnell gefasst, schon kurz nach der Tat sagte der damalige Ermittlungsleiter: „Es gibt in Köln nur einen, der so bescheuert ist, den Domschatz zu klauen: Lubomir E.“ - ein Jugoslawe, der als Kunsthändler arbeitete. Und der war es dann auch. Er hatte zwei Mittäter angeheuert. Alle drei bekamen hohe Gefängnisstrafen. „Den Kölner Dom beklaut man nicht“, sagt Helmut Simon.
Schäfers Nas brachte das geraubte Prozessionskreuz zurück
Trotzdem hat es 1996 wieder jemand versucht: Unbekannte Diebe stahlen aus der Domschatzkammer das Prozessionskreuz, das beim Einzug der Erzbischöfe in den Dom vorangetragen wird. Kein geringerer als Heinrich Schäfer, damalige Rotlichtgröße, brachte das silberne Kreuz persönlich wieder zurück – er hatte seine Kontakte in die Unterwelt spielen lassen. Auf den dafür ausgesetzten Finderlohn von 3000 D-Mark verzichtete er. Die Tat widersprach seiner Ganovenehre.
„Vom Dom nimmt man nicht, dem Dom gibt man höchstens“, erklärte er. Das Angebot des damaligen Dompropstes Bernard Henrichs, eine Messe für ihn zu lesen, nahm Schäfer aber dankbar an: „Das tut meiner schwarzen Seele gut“, antwortet er.
Doch Aufsehen erregende Verbrechen sind die große Ausnahme. Während rund um den Dom zahlreiche Taschendiebstähle begangen werden, geht es im Innern vergleichsweise ruhig zu. Für die offizielle Anschrift „Domkloster 4“ weist die jährliche Kriminalstatistik nur wenige Straftaten aus, sehr wenige: ganze neun Taten im gesamten Jahr 2021, fast ausnahmslos Diebstähle. Einer 84-Jährigen wird im Juli ihre Geldbörse aus der Tasche gezogen, im Oktober vermisst eine junge Mutter ihr Portemonnaie, das sie neben sich abgelegt hatte, während sie ihr Kind stillte.
Vereinzelt habe es in den vergangenen Jahren auch Versuche gegeben, Opferstöcke aufzubrechen, berichtet Polizeisprecher Christoph Gilles. Auch die eine oder andere Körperverletzung, eine Sachbeschädigung oder ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz findet sich in der Statistik. Nichts Herausragendes.
Gegen die Kathedrale uriniert
Volker Lange, pensionierter Polizeidirektor und viele Jahre Vize-Chef der Innenstadtwache, beschreibt ein „besonderes Verhältnis“, das die Polizistinnen und Polizisten in Köln zu „ihrem“ Dom hätten. Lange erinnert sich an zwei Kollegen, die sahen, wie ein Mann nachts gegen die Kathedrale pinkelte. „Einer der beiden Beamten war im Dom Messdiener und hat dort geheiratet. Er sprach den Typen an. Der drehte sich nur kurz um – und pinkelte seelenruhig weiter“, erzählt Lange.
Der Kollege habe den Mann aufgeklärt, dass es das Allerletzte sei, gegen ein Kirchengebäude zu urinieren, insbesondere gegen den Kölner Dom. Der Wildpinkler fragte: „Ja, und jetzt? Soll ich das wegmachen oder was?“ Der Polizist nickte, antwortete: „Gute Idee.“ Der Mann zog seinen Pullover aus „und wischte die Sauerei weg“, sagt Lange. „Wenn es um den Dom geht, ist halt nicht mit allen Kollegen gut Kirschen essen.“
Demonstranten und Fußballfans zieht es zum Dom
Für Demonstranten mit verschiedenen Anliegen ist der Dom eine beliebte Hintergrundkulisse. Im Jahr 2013 sprang eine Femen-Aktivistin während der Weihnachtsmesse halbnackt auf den Altar. Aber auch Ultra-Fans von Fußballvereinen treffen sich gerne zum Gruppenfoto auf den Domtreppen. Volker Lange erinnert sich an eine Horde FC-Fans, die sich an einem Samstag vor einem Heimspiel am Dom in Szene setzen wollte. „Die Treppe war voll, ein Teil der Leute war es auch. Sie zündeten Bengalos, hüllten sich in roten Rauch und warfen Böller auf Reisende“, erzählt Lange. Die Bundespolizei führte verängstigte Reisende aus einem Seitenausgang hinaus, vor dem Hotel Excelsior Ernst mussten die Passanten an aggressiven Männer vorbei Pfützen von Erbrochenem ausweichen.
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Lange griff zur kölschen Lösung: Er rief einen Dompfarrer an, den er von einem früheren Einsatz kannte. „Ich fragte ihn, ob er bereit wäre, zu den Ultras zu sprechen. Das war er.“ Über den Lautsprecherwagen der Bundespolizei sagte der Geistliche ein paar Sätze über den FC und schloss sinngemäß mit den Worten: „Und nun gehet hin in Frieden und bringet drei Punkte mit.“ Und so geschah es. Nach wenigen Minuten waren die Fans verschwunden und auf dem Weg zum Stadion.