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Kriminelle Rocker in KölnSchusswaffengebrauch soll „vehement zugenommen“ haben

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Spezialkräfte der Polizei bereiten sich 31. Mai 2017 in Köln auf die Stürmung eines Vereinsheims der Hells Angels in Ostheim vor.

Köln – Der Fall sorgte für Aufsehen: Im April wurden in Humboldt/ Gremberg zwei Männer, die der Rocker-Gruppierung „Bandidos“ angehörten, auf offener Straße angeschossen und schwer verletzt. Die Polizei ging von einer Revier-Auseinandersetzung im Rockermilieu aus und durchsuchte ein Clubheim der „Hells Angels“ in Ostheim. Die Ermittler seien weiter dabei, „die Hintergründe aufzuklären“, sagte Staatsanwalt Rene Gilles nun, als die Kölner Staatsanwaltschaft zum Jahresende Bilanz zog und einen Ausblick auf ihre künftige Arbeit gab.

Sein persönlicher Eindruck sei, dass in letzter Zeit der Schusswaffengebrauch „vehement zugenommen hat“, sagte der Staatsanwalt. „Wir müssen vehement gegensteuern und tun das auch.“ Oft folge auf eine Schießerei als Rache eine andere. In Köln gibt es nur ein „Chapter“ (Ortsgruppe) der „Bandidos“. Dagegen sind die „Hells Angels“ laut Gilles nach einer kürzlichen Neugründung in der Stadt mit vier „Chartern“, wie bei ihnen die Ortsgruppen heißen, vertreten. Im gesamten Bezirk der Kölner Staatsanwaltschaft gebe es zwölf Clubs mit insgesamt – grob geschätzt – 150 bis 200 Mitgliedern.

Kutten-Verbot erschwert die Arbeit der Ermittler

„Die Szene ist nicht einfach zu beobachten, aber wir haben unseren Weg gefunden“, so Gilles. Das seit 2017 geltende Gesetz, dass es Mitgliedern solcher Gruppierungen untersagt, „Kutten“ mit den Club-Abzeichen zu tragen, ist für den Staatsanwalt zwiespältig: Es sei ein verständlicher Versuch, das „Drohpotenzial“ zu verringern, andererseits erschwere es den Ermittlern die Arbeit, weil sie die Rocker nicht mehr so leicht als solche erkennen könnten.

Mit Blick darauf, dass am Kölner Landgericht gerade ein Betrugsprozess gegen das Oberhaupt einer Leverkusener Großfamilie und zwei Mittäter mit der Verhängung von Haftstrafen zu Ende gegangen ist, wies Behördenleiter Joachim Roth darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft in der Wirtschaftsabteilung ein Dezernat geschaffen hat, dass auf die Verfolgung der Clan-Kriminalität spezialisiert ist.

Ziel sei es, mit gebündelten Wissen „Clan-Strukturen und Geldflüsse zu erkennen“, auch, um illegal erworbenen Besitz „abzuschöpfen“. Was den Leverkusener Familien-Clan betrifft, sagte Staatsanwalt René Seppi, liefen weitere Ermittlungen, die noch einige Zeit in Anspruch nehmen würden. „Deutlich mehr als 50 Personen“ würden als Beschuldigte gelten; das bedeute nicht, dass es in allen Fällen zu einer Anklage kommen werde.

Neues Dezernat eingerichtet

Neu eingerichtet worden ist auch ein Dezernat, in dem speziell systematisch verübte „Straftaten zum Nachteil älterer Menschen“ bearbeitet werden, vom „Enkeltrick“ bis zur „Wasserwerker“-Methode. Wegen des demografischen Wandels werde das „Opferfeld“ immer größer, sagte Oberstaatsanwalt Roth, „aber wir können versuchen, den Tätern das Leben so schwer wie möglich zu machen“. In dem Dezernat, das der Abteilung für Organisierte Kriminalität angegliedert ist, sind seit Mitte Oktober 22 Verfahren aufgenommen worden, davon zwei Haftsachen.

Die Kölner Staatsanwaltschaft zählt 618 Mitarbeiter, darunter 188 Staatsanwälte und 53 Amtsanwälte. Seit 2017 ist die Mitarbeiterzahl um rund 25 gestiegen, weil die rot-grüne und dann die schwarz-gelbe Landesregierung wegen der Übergriffe in der Silvesternacht zusätzliche Stellen bewilligt haben. Laut Roth sind weitere Stellen zu besetzen, doch der Arbeitsmarkt gebe zurzeit zu wenig her.

2017 wurden rund 304.000 Rechtssachen bearbeitet; in diesem Jahr werden es hochgerechnet circa 320.000 sein, von Ordnungswidrigkeiten über Diebstahl bis zum Mord. Die Zahl unbekannt gebliebener Täter lag 2017 bei etwa 128.000, in diesem Jahr sind es gut 130.000.