500 Wohnungen im SchutzgebietGroße Irritation um Bauprojekt in Köln-Lindenthal
Lindenthal/Weiden – Der Punkt weit hinten auf der Tagesordnung wirkte zunächst unspektakulär. Die Bezirksvertretung Lindenthal sollte einem Beschluss des Stadtentwicklungsausschusses zustimmen oder ihn ablehnen, mit dem ein Bebauungsplanverfahren für ein Bauvorhaben im Kölner Westen eingeleitet werden soll. Die neu gegründete Projektentwicklungsgesellschaft Weiden, deren Geschäftsführer auch die Geschäfte des Lindenthaler Investors Living Estate am Stadtwaldgürtel leitet, möchte 500 Wohneinheiten errichten und zwar auf dem rund 37 000 Quadratmeter großen Gebiet zwischen Beller Weg, Bundesautobahn A1, Jungbluthgassenbrücke, Kronstädter Straße und Ignystraße in Weiden. Bislang befindet sich einzig der Gartenbetrieb Müller auf dem Areal. Angesichts dieser Adresse wurden die Bezirkspolitiker hellhörig.
Schnell drehte sich die Diskussion, um die „Gretchenfrage“, wie Inge Klein (Grüne) sie bezeichnete, nämlich ob das Areal Teil des Landschaftsschutzgebiets Grünzug-West sei. Heinrich Funk vom Stadtplanungsamt hatte eine konkrete Antwort parat: „Diese Fläche ist seit den 90er Jahren Bestandteil des Grünzug-West.“ Sie habe eine Sonderstellung, weil es dort einen Gartenbaubetrieb gebe. Diesen habe man als landwirtschaftlichen Betrieb ausnahmsweise zugelassen. Trotz des Privatbesitzes sei das Gebiet eindeutig Bestandteil des Grünzugs.
Um ein Bebauungsplanverfahren einzuleiten sei deswegen eine Änderung des Flächennutzungsplans erforderlich. „Ich bin nicht derjenige, der ihnen Empfehlungen aussprechen darf“, sagte Funk „aber wir sprechen hier über ein Grundstück in einer brisanten Lage, über eine klare Verdichtung auf dieser Fläche.“ Der vorgelegte Beschluss sei als „erster Aufschlag“ zu verstehen, dem das Stadtteilparlament grundsätzlich zustimmen oder den es ablehnen solle. Nach den klaren Worten des Verwaltungsmitarbeiters sahen sich die Bezirksvertreter allerdings dazu nicht mehr in der Lage, sondern verschoben die Entscheidung auf eine spätere Sitzung.
Der Grünzug-West
Der Grünzug-West ist seit Anfang der 90er Jahre im Landschaftsplan als Grünkorridor im Westen Kölns und im Flächennutzungsplan als öffentliche Grünfläche ausgewiesen. Er soll den Weidenern, deren Stadtteil über keine andere öffentliche Grünfläche verfügt, als Naherholungsgebiet dienen. Zudem soll er als Frischluftkorridor die Luftqualität in der Stadt sichern. Die Bürgerinteressengemeinschaft Weiden betont, dass der Grünzug-West eine große Bedeutung für das gesamte Klima der Stadt Köln habe. (se)
Der stellvertretende Bezirksbürgermeister Roland Schüler (Grüne) fasste die Bedenken seiner Fraktion in Worte: „Wir sind davon ausgegangen, dass es sich um eine bloße Grünfläche handelt und waren der Ansicht, dass wir einige Schritte der Bebauungsplanung mitgehen können. Wenn wir nun aber hören, dass es sich um den Grünzug-West handelt, geht es um einen Tabubereich.“ Die Grünen könnten die Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens dort nicht gut heißen.
„Unseliges Signal"
Seine Fraktionskollegin, Inge Klein, teilte die Bedenken: „Ich fürchte, dass von unserer Zustimmung ein unseliges Signal ausgeht. Wenn wir dort ein Bauvorhaben zulassen, ist die Büchse der Pandora geöffnet.“ Marliese Berthmann, Vorsitzende der CDU-Fraktion, wünschte sich mehr Informationen über das Vorhaben. „Die anfängliche Euphorie, die man ja haben muss, wenn Wohnbebauung angekündigt wird, ist mittlerweile einer ganz großen Ernüchterung gewichen“, kommentierte sie. „Da hat die Stadt einen Teil des Grüns an einen Investor verkauft, der es dann an Garten Müller veräußert hat. Der musste es nutzen, wie er es bis jetzt genutzt hat. Und nun verkauft er es als Baugebiet.“ Der Inhaber des Gartencenters, Otto Müller, bestätigte auf Nachfrage, dass Verhandlungen mit dem Investor laufen.
Für den Fall, dass die Bezirksvertretung in einer späteren Sitzung der Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens zustimmen wird, gaben die Politiker der Verwaltung einiges zu bedenken. Roland Schüler wünschte sich, dass besonderes Augenmerk auf die Infrastruktur gelegt würde. Außer der Kita müssten auch Schulen geplant werden. Die verkehrlichen Anbindungen müssten überprüft, die Verkehrsknotenpunkte und der öffentliche Nahverkehr ertüchtigt werden. Es müsse auch sichergestellt werden, dass der durch den Zuzug entstehende Autoverkehr nicht seinen Weg über die Jungbluthgassenbrücke durch Junkersdorf nehme. Zudem müsse eine Radverbindung geschaffen werden. Gerd Kaspar (FDP) sagte, dass an der anvisierten Stelle, weniger Wohneinheiten ein Gewinn sein könnten. „Ich finde die bislang vorgelegten Pläne enthalten viel zu viel Standard“, so Kaspar. Man solle überlegen, ob an einer ökologisch sensiblen Stelle, derart wuchtige Bauten oder vielleicht nicht etwas ökologisch Reizvolleres entstehen solle. „Ein solches Volumen wirft bei den Bürgern, die dort leben, sehr große Fragezeichen auf.“ Es sei wünschenswert, dass ein solches Projekt eine möglichst breite Bürgerbeteiligung erfährt und auch sinnvoll, einen städtebaulichen Wettbewerb für die Bebauung auszuschreiben.
Heinrich Funk gab ihm Recht: „Bei einer solchen Verdichtung ist es lohnenswert, einen Wettbewerb vorzuschalten.“ Angesichts der Prominenz der Fläche müsse man Qualität und Transparenz höher gewichten als Schnelligkeit – vorausgesetzt die Bezirksvertretung lehnt das Bauvorhaben wegen der Planung im Grünzug-West nicht gleich ganz ab. Dass die Bezirkspolitiker mehr Zeit für die Entscheidung brauchten, könne er verstehen. Die Sachlage sei kompliziert. „Das Ganze läuft frei nach dem Motto »Ich hätte es ja kapiert, wenn keiner versucht hätte, es mir zu erklären«“, sagte er lächelnd.