Ärger in WeidenBauzaun nimmt Jugendlichen Spielfläche
Weiden – Das Areal erinnert an Berlin vor dem Mauerfall. Ein Zaun teilt die Fläche zwischen dem Jugendzentrum in Weiden und dem Georg-Büchner-Gymnasium, mit Planen behangen und mit bunter Graffiti bemalt. Neulich, erzählt eine der Anwohnerinnen, die sich an diesem Abend im „Juze“ versammelt haben, habe eines der hier betreuten Kinder gesagt, dass es wisse, warum der Grenzzaun nötig sei: „Die vom Gymnasium wollen ja nicht, dass wir herüberkommen.“ Das habe sie erschreckt. „Wenn ein Kind so etwas denkt“, so die Frau, „dann läuft doch pädagogisch etwas falsch.“
Das Jugendzentrum und seine Schützlinge fühlen sich ausgegrenzt. Deswegen haben sich die Leiter des „Juze“, Bezirkspolitiker, Vertreter der Bürgerinteressengemeinschaft Weiden, engagierte Ehrenamtler, Anwohner und Eltern dort versammelt. Unter dem Titel „Vom Bildungs- und Kulturzentrum zur Käfighaltung in Weiden“ möchten sie über die Notlage diskutieren und nach einer Lösung suchen.
Das Georg-Büchner-Gymnasium (GBG) wird gerade neu gebaut. Seit Beginn der Bauarbeiten ist ein Zaun ganz nah am Jugendzentrum errichtet und lässt ihm nicht mehr viel Platz. Es gibt nur noch eine kleine Wiese und eine Fläche mit zwei Minitoren, die eher jüngere Kids zum Kicken einladen. Die Leiterin des Jugendzentrums Tanja Gharbi und ihr Stellvertreter Younes Alla haben laut eigener Aussage Pläne gesehen, wonach der Zaun nach Abschluss der Bauarbeiten noch dichter an das „Juze“ rücken soll, bis kurz vor den Eingangsbereich. Wenige Meter haben die Kinder und Jugendlichen dann draußen noch Platz. Sie sind geschockt.
„Wie konnte es soweit kommen?“ Diese Frage stellte Alla bei der Veranstaltung. Elisabeth-Maria Spiegel, Vorsitzende der Bürger-Interessen-Gemeinschaft Weiden, erzählte, dass es früher ein anderes Miteinander gab: „1973 wurde hier das Bildungs- und Kulturzentrum mit Georg-Büchner-Gymnasium, Martin-Luther-King-Hauptschule, einer Dependance der Volkshochschule und der Stadtteilbibliothek und sogar mit einem Hallenbad und dem »Juze« eröffnet“, schilderte sie. Es war Treffpunkt für Jung und Alt. Laut Roland Held, Anwohner und Vorstandsmitglied der Bürgerstiftung, sieht dieses stadtplanerische Konzept aus den 70er Jahren vor, dass der gesamte Außenbereich des Zentrums ein öffentlich frei zugänglicher Raum ist. Es sei deswegen auch nicht in Ordnung, dass das Gymnasium immer mehr Platz einnimmt und nun auch noch die Freifläche für die Öffentlichkeit abriegelt.
Der erste Zaun wurde bereits 2009 errichtet. Grund war Vandalismus, dem das Schulzentrum ausgesetzt war. Im Lehrerzimmer der Hauptschule war zudem mehrfach eingebrochen worden. Damals war das „Juze“ im Untergeschoss des Gymnasiums untergeschlüpft. Das eingezäunte Gelände passte dann allerdings nicht mehr recht zu einer Einrichtung wie dem „Juze“, die jedem Kind und Jugendlichen offenstehen soll.
Und weil die Verwaltung sowieso plante, das marode Schulgebäude neu zu bauen, machte das „Juze“ sich selbstständig und der Träger Jugendzenten Köln GmbH begann, in Eigenregie ein modernes Gebäude an dem benachbarten Rondellgrundstück zu errichten. 2017 wurde es eingeweiht.Wenige Monate später begann schließlich der Neubau des GBG – und die Annexion von immer mehr Gelände. Roland Held glaubt, dass der weiteren Grenzverlagerung ein Wunsch des Gymnasiums selbst zugrunde liegt. Die Schule möchte dazu selbst allerdings keine Stellung beziehen: „Das ist Sache der Verwaltung. Wenn etwas mit der Stadt abgesprochen wurde, dann hat das der Schulleiter getan, der leider seit längerem erkrankt ist“, sagt der stellvertretende Schulleiter Ulf Ußner.
Die Bezirksvertretung Lindenthal mahnte derweil die Stadtverwaltung mehrfach, dafür zu sorgen, dass der Betrieb des Jugendzentrums Weiden, vor allem die dafür nötige Außenfläche, nicht durch die Baumaßnahmen zu stark beeinträchtigt wird.
Zuletzt forderte sie im Dezember 2018, dass das Jugendzentrum mit einer ausreichenden, sportlich nutzbaren Außenfläche in die Planungen der neuen Flächen des GBG mit aufgenommen wird. Die Verwaltung sieht allerdings keinen Grund für eine Beschwerde. „Die Außenanlagen sind so geplant, dass der Zaun an die bestehenden Grundstücksverhältnisse angepasst wird“, sagt Nicole Trum, Sprecherin der Stadt. „Das bisher öffentlich zugängliche Rondell befand sich schon immer auf dem Schulgrundstück des Gymnasiums und wurde dem »Juze« zur Verfügung gestellt. Jetzt wird die Fläche aber gebraucht.“ Dem „Juze“ würde der Bereich davor verbleiben. Die Frage, wo der Zaun genau verlaufen wird, ließ die Stadtverwaltung unbeantwortet.
Mit der Verkleinerung des Außenbereichs des „Juze“ ist Bezirksbürgermeisterin Helga Blömer-Frerker aber so oder so nicht einverstanden. „Wir möchten unseren Beschluss natürlich so verstanden wissen, dass die Fläche in der alten Dimension mitsamt Rondell erhalten bleibt“, sagt sie. „Da müssen wir wohl noch einmal aktiv werden und das entsprechend konkretisieren.“
Denn mittlerweile ist der Platz für die jungen Bewohner im Viertel knapp, wie viele Anwohner kritisierten: „Ich verfolge mit großem Schrecken, dass der Raum für die Kinder und Jugendlichen immer mehr eingeschränkt wird“, klagte eine Besucherin. „Sie können sich nirgendwo aufhalten.“ Anlagen wie Bolzplätze oder Basketballkörbe fehlten komplett.
Viele Anwesende wünschen sich ein komplettes Umdenken: „Lasst die Zäune weg, damit die Menschen zusammenkommen können“, sagte eine ehrenamtliche Mitarbeiterin. Und eine Anwohnerin ergänzte: „Das pädagogische Konzept muss man doch wirklich überdenken. Das ist doch gruselig, dass eine Schule sich vom Viertel abgrenzt – anstatt sich für dieses zu öffnen.“