Alternatives Wohnen in Alt-MüngersdorfVerein Machbarschaft darf Petershof nutzen
Müngersdorf – Im Petershof werden künftig rund 50 Menschen leben. Der Innenhof wird der Öffentlichkeit zugänglich sein. Eine Kita und kleine Gewerbebetriebe werden ebenfalls einziehen. In einem anderen Gebäudeteil wird es öffentliche Angebote für interessierte Menschen geben. Was bislang noch wie eine Utopie klang, wird nun wohl wahr: Der alte Gutshof im Herzen von Alt-Müngersdorf soll bald endlich wiederbelebt werden, und zwar genau nach diesem Konzept.
Verein darf seine Ideen umsetzen
Der aus rund 20 Mitgliedern aus unterschiedlichen Stadtvierteln bestehende Verein „Machbarschaft Petershof“ hat sich im Zuge eines Konzeptvergabeverfahrens der Stadt mit seinen Ideen beworben und den Zuschlag für ihre Umsetzung bekommen. Der Stadtrat hat nun der Verwaltung den Auftrag erteilt, Verhandlungen mit dem Verein über die Vergabe eines Erbbaurechts für die denkmalgeschützte Hofanlage aufzunehmen. Eine vom Liegenschaftsausschuss bestimmte Jury hatte den Verein „Machbarschaft“ vorher unter mehreren Bewerbern ausgewählt. Er konnte mit seinem Vorschlag überzeugen, vor allem auch, weil dieser sich eng an dem Ergebnis der Ideenschmiede Petershof orientiert.
Workshop schon im Jahr 2018
Bereits im Jahr 2018 hatte unter diesem Titel ein Workshop zur Nutzung der Hofanlage stattgefunden, bei dem Müngersdorfer Bürger beteiligt waren. Sie hatten bereits festgelegt, dass die Hälfte des zur Verfügung stehenden Platzes von rund 3.500 Quadratmetern zum Wohnen genutzt werden soll, eine Kita dort wieder beheimatet sein soll und weitere Gebäudeteile für Gewerbe „publikumsbezogene Nutzungen“ zur Verfügung stehen sollen. Wie diese Vorstellungen konkretisiert werden können, hat der Verein Machbarschaft bereits genauer ausgearbeitet: Die Hofanlage wird mit Hilfe des Architekturbüros Schaller denkmalgerecht umgebaut. Danach werden Menschen aller Altersgruppen dort einziehen und in Form von Wohngemeinschaften, Privatwohnungen und Clusterwohneinheiten, also privaten Wohnbereichne, die durch einen Gemeinschaftsraum miteinander verbunden sind, zusammenleben.
Das könnte Sie auch interessieren:
Zudem setzt der Verein auf ökologische Nachhaltigkeit: „Schon bei der Sanierung achten wir auf Klimaverträglichkeit. Zudem planen wir ein alternatives Mobilitätskonzept, das private Autos weitestgehend überflüssig macht“, heißt es auf seiner Homepage. Der Hof selbst soll autofrei bleiben. Damit dieser Plan realisiert werden kann, hoffen die Vereinsmitglieder, dass eine Quartiersgarage entsteht, wie sie die Bezirksvertretung Lindenthal auch in diesem Jahr beschlossen hat: Sie soll in der Garage des ehemaligen Unitymedia-Gebäudes, Aachener Straße 744 bis 750 untergebracht werden, welches die Stadt nun für ein neues Gymnasium gemietet hat.
Car-Sharing in der Tiefgarage des Unity-Media-Gebäudes
Dort soll auch ein für Car-Sharing-Anbieter Fahrzeuge zur Verfügung stellen. Die Gruppe möchte ihr Projekt als Genossenschaft umsetzen – ohne dass ein Investor eingeschaltet wird. Das Vorgehen hat einen großen Vorteil für die künftigen Bewohner: „Wir müssen nur die Kosten, die wir haben, umlegen“, erläutert Hannah Espin Grau von der Projektgruppe. „Wir möchten keinen Gewinn erzielen.“
Geschichte des Petershofs
Der Petershof ist einer der wenigen erhaltenen Vierkanthöfe in Köln. Er wurde 1896 als Nachfolgeanlage des älteren Petershofs errichtet, der an der Wendelinstraße 67 lag. Wohl schon 1262 kam dieser Hof durch Schenkung in den Besitz des Kölner Apostelnstifts. Nach einer kurzen Phase im preußischen Besitz wurde er 1820 Privateigentum.
Der neue Petershof prägte mit anderen Gehöften das landwirtschaftliche Bild von Müngersdorf. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Kölner Bankier Ernst Koenig Eigentümer; der Hof war an die Familie Leo Lintermann verpachtet. Seit 1923 gehört er der Stadt. Graf Adelmann von Adelmannsfelden, der von 1922 bis 1926 Regierungspräsident in Köln war, lebte dort.
Nachdem der landwirtschaftliche Betrieb eingestellt wurde, waren verschiedene Gewerbetreibende in dem Hof zuhause. Im Krieg waren dort Gefangene untergebracht. Danach war er zunächst Volksschule. Später war nur noch eine Kindertagesstätte dort beheimatet. Sie musste den Hof aufgrund eines Wasserschadens 2015 verlassen. Seitdem steht er leer.
Das Wohnen soll also bezahlbar sein. Zum einen sollen nach den Vorgaben der Stadt 30 Prozent sozialer Wohnungsbau entstehen. Aber auch die Mieten der anderen Wohneinheiten sollen geringer sein als an anderen Orten. Für 9,50 Euro pro Quadratmeter sollen sie zu haben sein. Allerdings muss der Verein zunächst eine Menge Geld berappen: Zehn Millionen Euro kostet die Sanierung der Hofanlage. Für die Finanzierung möchte die Projektgruppe einen Kredit bei einer Alternativbank, wie der GLS oder Umweltbank, aufnehmen.
Drei Millionen Euro Eigenanteil
Voraussetzung ist allerdings, dass sie einen Eigenanteil von 30 Prozent, also rund drei Millionen Euro aufbringen. Um diese finanzielle Last zu stemmen, bietet die Gruppe Privatpersonen an „Direktkredite“ zu vergeben. Die hätten für die Darlehensgeber den Vorteil, dass ihre Schuldner ihnen bis zu anderthalb Prozent Zinsen zahlen. Sie sind damit eine attraktive Alternative zu einem Guthaben bei einer gewöhnlichen Bank, das derzeit durch Negativzinsen eher geschmälert als vermehrt wird. Die Refinanzierung der Aufwendungen soll zum einen durch die Mieten erfolgen, die die Bewohner bezahlen, zudem durch die Bewirtschaftung seitens anderer Partner, wie beispielsweise soziale Einrichtungen, wie die Kindertagesstätte.
Der Verein ist mit mehreren Trägern im Gespräch. Desweiteren soll ein Hofladen einziehen, Künstler sollen Ateliers mieten können. Co-Working-Spaces errichtet werden. Und dann möchte der Verein den Müngersdorfern einen lang gehegten Wunsch erfüllen. Vereinsmitglied Christian Frings hat ihn im Viertel aufgeschnappt: „Viele Müngersdorfer haben mir erzählt, dass sie endlich einmal wieder frische Brötchen im Viertel kaufen möchten.“ Der Einzug einer Bäckereifiliale gehört fest mit zum Plan.