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So wohnt KölnZu Besuch in der 27-Frauen-Wohngemeinschaft in Köln

Lesezeit 5 Minuten
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Beim Besuchstermin waren diese Frauen vor Ort, insgesamt sind es 27, die im Beginenhof zusammen leben. 

  1. In unserer Serie „So wohnt Köln“ stellen wir ungewöhnliche Wohnmodelle, Behausungen, Projekte oder Konstellationen vor – von prekär bis spektakulär.
  2. Im Beginenhof wohnen 27 Frauen in 27 Wohnungen, die mit Männern abgeschlossen haben oder nicht alleine alt werden möchten.
  3. Wer hier einziehen möchte, muss Mitglied im Verein und der Genossenschaft des Beginenhofes werden, die Lebensphilosophie der Beginen teilen und sich für die Gemeinschaft engagieren.

Köln-Widdersdorf – Allein und einsam im Alter, davor haben viele Menschen Angst. Doch in der Millionenstadt Köln gibt es Alternativen. 27 alleinstehende Frauen zwischen 57 und 81 Jahren haben für ihren dritten Lebensabschnitt eine ganz besondere Lösung gefunden: Sie wohnen zusammen im Kölner Beginenhof, einem Wohnprojekt von Frauen für Frauen.

Wer hier einziehen möchte, muss allerdings Mitglied im Verein und der Genossenschaft des Beginenhofes werden – und natürlich die Lebensphilosophie der Beginen teilen. Dazu zählen Wertschätzung, Hilfsbereitschaft, Toleranz der unterschiedlichen Lebensentwürfe und spirituellen Ausrichtungen, soziales und kulturelles Engagement.

„Wir Beginen möchten Frauen darin unterstützen, ihren eigenen Weg zu gehen, individuell und unabhängig in einer Frauengemeinschaft zu leben und sich darüber hinaus gemeinsam gesellschaftspolitisch zu engagieren“, sagt Christine Müthrath, die vor zehn Jahren dem Beginen-Verein beigetreten und Mitinitiatorin des Wohnprojektes ist.

Eigenständigkeit, Unabhängigkeit und Chancengleichheit der Geschlechter

Der Ansatz moderner Beginen ist grundsätzlich feministisch und karitativ. Die Frauen legen Wert auf Eigenständigkeit, Unabhängigkeit und Chancengleichheit der Geschlechter. Vera Schumacher ist eine von ihnen. Die 57-Jährige ist alleinerziehend und arbeitet als politische Sekretärin bei der Gewerkschaft Verdi.

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Vera Schumacher fand durch einen Flyer zur Frauengemeinschaft. 

„Ich habe zufällig einen Flyer gesehen, darin stand: «Wir sind 27 alleinstehende Frauen und bauen zusammen ein Haus, jede Frau hat eine eigene Wohnung. Wir haben zusätzlich Gemeinschaftsräume und zahlreiche Aktivitäten.» Von dieser Idee war ich begeistert und bin sofort in den Verein eingetreten. Mittlerweile ist mein Sohn erwachsen und ausgezogen. Ich war plötzlich allein, das Thema Männer habe ich für mich eh abgeschlossen. Jetzt lebe ich seit einem halben Jahr im Beginenhof und fühle mich hier zu Hause, eingebettet in eine familienähnliche Gemeinschaft.“

Angelika Klisch ist aus ganz anderen Beweggründen bereits vor fünf Jahren in den Beginenhof gezogen. „Meine Mutter hat allein gewohnt und trotz netter Nachbarn und Betreuung war sie unterm Strich täglich 20 Stunden allein. Als sie verstorben ist, da habe ich gedacht, das will ich nicht. Ich wollte das Anonyme nicht, ich möchte anders alt werden, den Alltag anders gestalten. Ich habe hier eine schicke Wohnung mit Garten für mich allein und kann in guten und schlechten Zeiten auf die anderen Mitbeginen zählen – wie diese auch auf mich.“

Erste Frauen-Wohngenossenschaft in NRW

Der Beginenhof befindet sich in Widdersdorf. Das Grundstück ist fast 2600 Quadratmeter groß, das Gebäude umfasst neben 27 Wohnungen zwischen 40 und 75 Quadratmeter, einen Gemeinschaftsraum, einen Raum der Stille, eine Tiefgarage und zwei Innenhöfe.

„Wir haben damals lange nach einem historischen Gebäude gesucht. Als uns das aussichtslos erschien, haben wir uns für einen Neubau entschieden. Da die Investition bei fünf Millionen Euro lag, haben wir eine Genossenschaft gegründet, übrigens die erste Frauen-Wohngenossenschaft in NRW“, sagt Christine Müthrath nicht ohne Stolz.

„Den Frauen wird immer mehr bewusst, dass sie sich in der Gemeinschaft viel besser organisieren können. Das gilt nicht nur für ältere Frauen, sondern vor allem für alleinerziehende, berufstätige Mütter. Die Gesellschaft ist an einem demographischen Wendepunkt angekommen. Die große Zahl an Single-Haushalten und veränderten Familienstrukturen macht es dringend notwendig, nach neuen Wohn- und Lebensformen zu suchen“, sagt die ehemalige Lehrerin Müthrath, die zu den treibenden Kräften der Kölner Beginenbewegung gehört.

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Vera Schumacher fand durch einen Flyer zur Frauengemeinschaft. 

Da der Beginenhof ein individuelles Wohnen mit einem Leben in Gemeinschaft verbindet, ist er ein Wohnkonzept der Zukunft, davon ist Begine Lissi Weiß überzeugt. „Ich bin 65 Jahre alt, habe zwei gescheiterte Ehen hinter mir, die Kinder sind erwachsen. Ich möchte nicht alleine und isoliert in der Stadt wohnen. Hier kann ich mich zurückziehen und lebe trotzdem nicht alleine. Es findet sich immer jemand für einen Kaffee, oder wir kochen zusammen, teilen uns das Auto und wenn eine von uns krank wird, gibt es genug helfende Hände“, sagt die gelernte Kinderpflegerin und Floristin, die den Arbeitskreis Garten leitet und eine Wildwiese angelegt hat.

Beginen-Vortrag am 10. August

Köln war im Mittelalter mit fast 170 Konventen eine Hochburg der Beginen. Die Frauen führten ein religiöses, eheloses Leben in einem Beginenhof. Im Gegensatz zu einem Leben als Nonne konnten sie die Gemeinschaft verlassen, um zu heiraten und sich ein bürgerliches Leben aufzubauen. Ihr Vermögen mussten sie in diesem Fall zurücklassen. Aus diesem Grunde lebten in der Blütezeit vorwiegend ältere Frauen in den Beginenhäusern. Der Kölner Beginen-Verein, der an diese Tradition anknüpft, wurde 1994 gegründet und hat inzwischen 120 Mitglieder. Im Gegensatz zu den traditionellen Beginen verstehen sich die Kölnerinnen nicht als christliche Gemeinschaft. Der Beginen Köln e. V. feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen, ein Vortrag über die Beginenhöfe findet am Samstag, 10. August, von 11 bis 13 Uhr im Beginenhof, Unter Linden 119, in Widdersdorf statt. Eine Anmeldung ist dafür erforderlich.

Nur Wohnen reicht nicht aus, nach der Satzungsordnung müssen die Bewohnerinnen sich auch für die Gemeinschaft engagieren: Neben den Verwaltungsaufgaben, die eine Genossenschaft braucht, arbeiten sie zusammen im Garten, betreuen Flüchtlinge, organisieren Vorträge und Seminare über Gesundheit, Psyche und Spiritualität.

Außerdem laden die Beginen regelmäßig zum Sonntagsfrühstück ein und diskutieren über aktuelle gesellschaftspolitische Themen. Es gibt drei verschiedene Wohnformen im Beginenhof: Sozialwohnungen, Wohnungen zu einer vergleichsweise günstigen Miete und Wohnungen im Dauerwohnrecht. Alle sind gleich ausgestattet. Mit dem Kauf von vier Anteilen à 500 Euro kann man Genossin in der Beginenhof eG werden.

Wie viel Gemeinschaft sie braucht, entscheidet jede Begine für sich selbst. „Hier leben sehr selbstbewusste Frauen, jede hat eine eigene Motivation und eine ganz persönliche Biographie. Einige sind verheiratet, leben aber getrennt, andere sind verwitwet oder geschieden, ledig, lesbisch, katholisch, evangelisch, buddhistisch oder Anhängerinnen von Naturreligionen“, schildert Müthrath. „Diese Vielfalt führt natürlich auch zu Reibereien und Konflikten, die aber in Gesprächen geklärt werden.“

Fest steht jedenfalls, dass das Wohnmodell gut ankommt, denn die Nachfrage nach freien Wohnungen im Beginenhof ist groß.