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„Es ist eine Tortur”Warum Köln für Rollstuhlfahrer ein Parcours mit Hindernissen ist

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Elfi Krietemeyer müht sich den Weg hinauf zum Dom.

Köln – Hindernisse, überall Hindernisse. Wenn Elfi Krietemeyer etwas einkaufen oder einen Ausflug in die Stadt machen will, muss sie genau planen. Die 84-Jährige kann nur noch schlecht laufen und muss sich mithilfe eines Rollstuhls in der Stadt bewegen – und da fangen die Überlegungen an. Wo sind die Bordsteine abgesenkt, wie komme ich in die Bahn, wo gibt es Aufzüge? „Jeder längere Weg ist für mich purer Stress“, sagt sie.

Man trifft Elfi Krietemeyer zu einer kleinen Tour von ihrem Haus an der Echternacher Straße in Braunsfeld zum Dom. Krietemeyer ist es gewohnt, unterwegs zu sein. Sie ist gerne Rad gefahren, hat lange Jahre im Außendienst einer Versicherung gearbeitet und war als Vorführerin des Haushaltwarenherstellers WMF beschäftigt. Sie ist viel rumgekommen in Deutschland. Seitdem ihr seit 2018 ihre Beine zu schaffen machen, ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Seit wenigen Wochen hat sie ein elektrisch betriebenes Modell.

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Bordsteinkanten sind Hindernisse für Rollstuhlfahrer.

Damit sollte es eigentlich einfach sein, den Weg zum Dom zu meistern. Doch die Probleme fangen schon auf dem Weg zur Bahnhaltestelle der Linie 1 am Clarenbachstift an. Selbst die abgesenkten Bordsteinkanten sind noch so hoch, dass Krietemeyer zwar mit dem Rollstuhl hinab, aber nicht wieder hinaufkommt, wenn sie die Straßenseite wechseln will. Sie muss aussteigen und den 26 Kilo schweren Rollstuhl über eine Kante schieben. Auch über das Kopfsteinpflaster in der Echternacher Straße zu fahren ist kein Vergnügen. „Hätte ich einen Kuchenteig dabei, wäre er jetzt fertig geschlagen“, sagt sie ob der Erschütterungen und lacht.

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U-Bahnen haben hohe Kanten in den Eingängen.

Ein paar Minuten später schiebt sie den Rollstuhl mit einem Ruck in die Bahn der Linie 1. Als das Fahrzeug schnell anfährt, stürzt die gebürtige Österreicherin, die seit 20 Jahren in Köln lebt, beinahe, setzt sich und wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht. Einmal sei sie mit dem Fuß zwischen Bahn und Bahnsteig geraten, als sie schon nicht mehr so gut zu Fuß war, aber noch keinen Rollstuhl hatte. Die Bahn wollte schon die Türe schließen, als aufmerksame Fahrgäste wohl Schlimmeres verhinderten.

Überhaupt der öffentliche Nahverkehr. Eigentlich hätte der ÖPNV in diesem Jahr barrierefrei gestaltet werden sollen. Die Realität sieht anders aus. Zum Deutzer Bahnhof fährt Krietemeyer nicht mehr, weil es dort nur einen Aufzug an der S-Bahn gebe. Zu weit, wenn man umsteigen will, sagt sie. Die Linie 13, die auch nach Braunsfeld fährt, kann sie nicht nutzen, weil man nur über Treppen in die Bahn einsteigen kann. Und in Porz mussten zwei Passanten ihren 26 Kilo schweren Rollstuhl eine Treppe runter und schließlich wieder hinauftragen, weil ein Aufzug defekt war.

Busse mag sie ohnehin nicht. Zwar verfügen viele Fahrzeuge über Rampen für Rollstuhlfahrer. „Oft sind die Fahrer aber in Zeitnot, nicht sehr freundlich und haben keine Lust, die Rampen anzubringen“, sagt sie.

Keine Lust auf Kino

Kino? Theater? Geht nicht. Selbst wenn man mit Mühe ins Theater hineinkomme. Was ist, wenn man auf Toilette muss? Was, wenn man sich in der Pause ein Getränk kaufen möchte? „Man hat manchmal das Gefühl, dass Menschen mit Behinderungen zu Hause bleiben sollen“, sagt sie. 15 Minuten später ist sie am Heumarkt. Kurz, bevor sie die Haltstelle erreicht, stellt sie sich in Position, um den Rollstuhl rauszuschieben. „Ich muss schnell sein, sonst geht die Tür wieder zu.“ Auf dem Heumarkt rüttelt sie wieder Kopfsteinpflaster durch, aber der Weg zum Rhein verläuft vergleichsweise einfach.

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Aufzugtüren klemmen Rollstuhlfahrer ein.

Über den Weltjugendtagsweg unterhalb des Museum Ludwig soll es zum Dom gehen. Krietemeyer blickt die steilen Treppen hinauf. Zum Glück führt etwas weiter eine Rampe die Steigung hoch. Ein Umweg, aber besser als nichts. Krietemeyer fährt die Rampe hoch und muss vor der ersten Biegung stoppen, weil der Weg abschüssig ist und die Seniorin befürchtet, dass sie mit dem Rollstuhl eine Böschung hinabstürzen könnte.

Sie steht auf, und schiebt den Rollstuhl vor sich her. Touristen flitzen um sie herum, eine Radfahrerin bimmelt sie an. Die Prozedur muss Krietemeyer zweimal wiederholen und dann steht da plötzlich ein Baum im Weg, an dem der Rollstuhl gerade so vorbei passt. Wofür junge Menschen 30 Sekunden benötigen, braucht die Rollstuhlfahrerin 20 Minuten. „Das ist eine ganz schöne Tortur.“

Der Aufzug ist defekt

Über die Domplatte zu fahren ist kein Problem. Doch wie kommt man in die U-Bahn? Der Aufzug zur Zwischenebene funktioniert zum Glück, der zweite Lift, der zu den Gleisen führen soll, ist aber außer Betrieb.

Also auf zum Breslauer Platz, mitten durch den Hauptbahnhof. Dort geht alles klar, doch als Krietemeyer den Rollstuhl in einen Wagen der Line 18 schieben will, hindert sie eine Lücke zwischen Bahn und Bahnsteig. Ein Fahrgast muss ihr helfen, damit sie einsteigen kann. In der Bahn kann sich die Seniorin nicht setzen, weil der Wagon voll ist und sie mit dem Rollstuhl nicht zu den Sitzen gelangt. Der Wagen ist schlicht nicht breit genug dafür.

Am Neumarkt sind die Aufzüge intakt, dafür wird Krietemeyer für einen Moment in den Aufzugtüren eingequetscht. Auf dem Platz trifft sie einen jungen Mann einer Firma, der den Lift gerade repariert hat. „Der Aufzug am Dom ist auch kaputt“, spricht Krietemeyer ihn an. Der Mann winkt ab. „Ja, das wissen wir.“