Geschäfts-Aufgabe"Die Bärte gehen woanders hin"

Achim und Annette Zimmerman vor ihrem Feinkostladen an der Sülzburgstraße.
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- Feinkostladen an der Sülzburgstraße schließt nach 42 Jahren - Kunden blieben aus
Sülz – . Soll sie lachen oder weinen? Annette Zimmermann weiß es nicht. Mit gemischten Gefühlen hält sie den großen Blumenstrauß. Eine Kundin hat ihn ihr mitgebracht. Die Geschäftsfrau freut sich darüber, aber es ist und bleibt ein Abschiedsgeschenk. Achim und Annette Zimmermann schließen ihren Feinkostladen an der Sülzburgstraße. 42 Jahre lang war es Anlaufstelle für Liebhaber delikater Speisen in Sülz, Klettenberg und im ganzen Kölner Westen. Vor 16 Jahren hat das Paar den Laden übernommen und sich insbesondere auf Käse spezialisiert. "Bis zu 140 verschiedene Sorten hatten wir im Angebot", erzählt Achim Zimmermann. "Sie kamen aus Frankreich, Italien und Österreich und waren zum großen Teil nachhaltig produzierte Bio-Produkte, milde und würzige, lange gereifte Käse, eher Delikatessen als bloßer Brotbelag."
Das Paar besuchte Seminare, um möglich viel über die Käsegeschmäcker zu erfahren. Achim Zimmermann lernte bei Käsebauern, wie man Käse herstellt, fertigte eigenen, der erst nach jahrelanger Reifezeit verkaufsbereit war. Die Zimmermanns belieferten Gourmetrestaurants. Auch Weine, Öle, Essig, besondere Spirituosen hatten sie im Angebot. Sogar ein eigener Riesling von ihrem gepachteten Weinberg stand im Regal. Sie veranstalteten Käse- und Weinseminare, waren Ratgeber in Zeitungsberichten. Ihr Laden war Drehort für Kochsendungen, der selbst gemachte Obatza ein stetiger Renner.
Trotzdem blieben die Kunden aus. Ganz langsam über die Jahre wurden es weniger. Die Sülzburgstraße sei einfach nicht mehr das, was sie einmal war, meinen die Geschäftsleute. "Seitdem an der Rhöndorfstraße gleich mehrere Supermärkte mit großen Parkplätzen aufgemacht haben, kommen weniger Kunden hierhin", schildert Achim Zimmermann. "Viele Klettenberger gehen nun an der Rhöndorfer Straße einkaufen und wer mit dem Auto einkaufen fährt, findet dort leichter einen Parkplatz." Überhaupt sei die Parkplatznot an der Sülzburgstraße groß, seitdem es den Parkplatz hinter der Aldi-Filiale nicht mehr gebe. Das alles sei allerdings wohl nicht der Hauptgrund dafür, dass die Kundschaft schwinde. "Es ist nur eine Theorie", sagt Annette Zimmermann, "aber die jüngeren Menschen setzen einfach andere Prioritäten beim Einkaufen. In einem Käsegeschäft kaufen sie nur für besondere Anlässe, sonst eher im Supermarkt." Die älteren Kunden, die einmal in der Woche ihren Kühlschrank mit Käse aus dem Feinkostladen auffüllen, würden allmählich sterben.
Achim Zimmermann formuliert es noch anders: "Die Bärte gehen woanders hin", sagt er augenzwinkernd. Auch wenn sie sich natürlich an die sich ändernden Geschmäcker anpassen würden, sei ihr Feinkostladen nicht hipp. Damit können die beiden leben. Nur so manchen kleinen Scherz habe man sich mal erlaubt. Eine Käsecreme hätten sie als "Dipster für Hipster" angeboten. Sie sei weggegangen wie warme Semmeln. Sonst sei es nicht so ihr Ding, den neuesten Trends nachzujagen. Ihr Geschäft noch einmal komplett umzukrempeln und das Risiko einzugehen, damit doch keine neue Kundschaft zu generieren, möchten sie nicht.
"Es ist nicht so, dass wir aufgeben, betont Annette Zimmermann. "Wir schließen den Laden einfach lieber, bevor sich Schulden auftürmen." Ihr Stammkunden seien allerdings regelrecht geschockt. "Immer wieder fragen sie mich, wo sie dann in Zukunft diesen oder jenen Käse herbekommen", sagt Annette Zimmermann. "Aber das weiß ich selbst ja auch nicht. Mit jedem Geschäft wie dem unseren, das schließt, geht ein Stückchen Kultur verloren. Solche Läden eröffnen ja nicht neu."
Statt darüber zu trauern, möchte sie den Blick lieber in die Zukunft richten. Wir sind jetzt noch in dem Alter, in dem wir noch einmal durchstarten können", sagt die Mittfünfzigerin. Schließlich haben sie auch schon andere Dinge gemacht als feinen Käse verkauft. Annette Zimmermann hat lange im Management verschiedener Logistikunternehmen gearbeitet.
Eine ähnliche Tätigkeit kann sie sich in Zukunft auch vorstellen, allerdings "lieber in der Lebensmittelbranche". Ihr Mann hat früher als Friseurmeister auch Models bei Modenschauen in Paris frisiert. Er möchte sich noch nicht aus der Selbstständigkeit verabschieden. Seine Planung muss noch reifen wie der Käse, den er gerne isst. Die Zukunft beginnt in kleinen Schritten, zunächst einmal mit einem Essen am Abend, mit Stammkunden, die über die Jahre zu Freunden wurden.