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Antik-Laden in JunkersdorfWarum Robert Palgrave die „Schnauze voll von Ikea“ hat

Lesezeit 3 Minuten
geliebte möbel

Robert Palgrave liebt das Wohnen mit besonderem Flair.

Junkersdorf – Man könnte meinen, dass es die Verkäufer antiker Möbel dieser Tage schwer haben. Gefühlt waren die Billigmöbel großer Ketten niemals gefragter als heute, möglichst bezahlbar scheint das oberste Credo zu sein. Diese Entwicklung kennt Robert Palgrave. Umso überraschter ist der Kölner Möbelhändler, dass sein Antik-Geschäft „Geliebte Möbel“ in Junkersdorf nach Jahren der Stagnation nun scheinbar einen Gegentrend setzt.

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Rotes Ledersofa bei „Geliebte Möbel“ in Junkersdorf

„Als ich damals meinen Laden eröffnet habe, hätte ich niemals gedacht, dass es einmal eine Abkehr von dem Trend geben könnte, sich bloß nicht so einrichten zu wollen wie seine Eltern“, sagt Palgrave, der sich nach einer Tischlerlehre in Köln zunächst in England bis 1996 zum Restaurator für antike Möbel ausbilden ließ, später sogar in New York arbeitete, bevor es ihn wieder nach Köln verschlagen hat.

„Schnauze voll vom Ikea-Standard“

„Zu mir kommen heute unglaublich viele Leute, die die Schnauze voll haben vom Ikea-Standard.“ Wer seine mit Möbeln gefüllte Halle in Junkersdorf betritt, ahnt bald, woran das liegen könnte – hier verpufft das Klischee vom angestaubten Antik-Dachboden des Großvaters binnen Sekunden. Stattdessen hängen blaue und weiße Lampen im Industrial Look von der Decke, hinter einer dunkelbraunen Werkbank schaut „das Mädchen mit dem Perlenohrring“ (Jan Vermeer) von einer dunkelblauen Wand herunter, in einer Ecke steht ein Heißluftballonkorb aus dem Jahr 1974, daneben ausgemusterte Bundesbahn-Sitzbänke mit rotem Lederüberzug, ein alter Automat hinter einem lederüberzogenen Turnbock. Ein Bild wie aus einem stylishen Einrichtungskatalog. Aber wer soll das kaufen? Viele Preise der ausgestellten Stücke beginnen im vierstelligen Bereich.

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Ausgefallene Möbel im Antik-Laden „Geliebte Möbel“ in Junkersdorf.

„Naja“, sagt Palgrave, „nehmen wir den Bock: Den stellen sich zum Beispiel Kunden ins Schlafzimmer, um darauf Klamotten ablegen zu können, und vor allem, um für einen Hingucker zu sorgen. Genau so etwas wollen die Leute immer mehr.“

Monoton hallt das Hämmern einer Tackermaschine aus dem Keller unter der Halle.

Art-Deco-Clubsessel mit neuem Bezug

Hier bezieht Polstermeister Stefan Englert Holzgerippe mit braunem Leder – mühevolle Handarbeit in 50 Stunden, sagt er. Wenn in der Werkstatt nicht gerade alte Möbel nach Kundenwünschen restauriert werden, bauen die Männer nämlich vor allem ebensolche Art-Deco-Clubsessel.

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Polstermeister Stefan Englert baut Art-Deco-Clubsessel.

Eine Idee, auf die Palgrave vor 20 Jahren kam, nachdem ihm ein Händler einen überzogenen Preis für einen Clubsessel genannt habe – und Palgrave das Möbelstück dennoch nicht mehr aus dem Kopf ging. „Das sind einfach faszinierende Möbel, die zeitlos sind“, sagt er. Heute seine große Leidenschaft – und zweites Standbein.

Das brauche man in der Antikbranche, erzählt der Fachmann. Trotz des Booms. Denn der Markt wandele sich schnell, ist oft unberechenbar. „Und wir müssen versuchen, dranzubleiben, uns anzupassen.“ Da könnte die Halle, die jetzt noch aussieht wie dem Katalog entsprungen, morgen schon wieder aus der Zeit gefallen sein.

Geliebte Möbel, Dürener Straße 422, 50858 Köln

www.geliebtemoebel.de

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