Skurilles HobbyKölnerin sammelt Filzmäuse und erzählt ihre Geschichten auf Instagram
Lindenthal – Was sich auf Beate Felten-Leidels Gartentisch tummelt, ist nicht weniger als ein Fest für die Augen, ein Wimmelbild in 3D, zum Anfassen. In verschiedenen Häusern und Geschäften tummeln sich Mäuse über Mäuse in allen Ausführungen, gemeinsam ist ihnen nur das Material, aus dem sie gemacht wurden: Filz.
Einige von ihnen hat die 65-Jährige selbst gemacht, aber die allermeisten stammen von der Online-Börse Etsy, auf der Künstler aus aller Welt ihre Kreationen anbieten.
„Dadurch, dass die Mäuse alle ein Drahtskelett in sich tragen, sind sie beweglich“, erzählt die Mäuse-Regisseurin, die sich seit einem Jahr intensiv um ihre Filztiere kümmert. Schon immer kreativ mit Pinsel und Kamera kam die 65-Jährige auf die Idee, sich eine Corona-freie Welt zu schaffen.An Fantasie mangelt es der Übersetzerin und Schriftstellerin nicht. Geschichten schreibt sie seit ihrem 14. Lebensjahr und hat auch einen Blog. Die Mäuse haben sogar eine eigene Seite im Gemeindebrief ihrer evangelischen Heimatgemeinde. Eigentlich gab es die Mäuse schon vor Corona, „aber im ersten Lockdown habe ich angefangen, kleine Mutmach-Geschichten auf meiner Facebook-Seite zu posten“.
Felten-Leidel ist eine von den Großmüttern, die durch Corona von ihren Enkeln abgeschnitten sind – und darunter sehr leidet. Eine Tochter lebt in England, arbeitet im Krankenhaus auf der Covid-Station, für Felten-Leidel und ihren Mann Jan Leidel, den ehemalige Chef des Kölner Gesundheitsamts, eine schwierige Situation. „Wir haben unsere Enkel seit eineinhalb Jahren nicht gesehen“, sagt die 65-Jährige. Und auch die Enkel, die in Leverkusen leben, sind fast genauso fern, wie die jenseits des Ärmelkanals.
Menschen aus aller Welt folgen der Mäuse-Regisseurin
Die Mäuse bieten Felten-Leidel die Spielwiese, auf der sie ihrer Kreativität freien Lauf und sich den Enkeln ein wenig näher fühlen kann.
Miniacs, wie sich die Miniaturisten auch nennen, gibt es auf der ganzen Welt. Das weiß Beate Felten-Leidel seitdem sie ihre Mäuse-Geschichten auch auf Instagram postet. „Dort erreiche ich ein internationales Publikum. Meine Mäuse haben schon Kleider aus Tennessee geschenkt bekommen, eine Brille aus New York und Briefe von der siebenjährigen Madison aus New Jersey.“ Etwa 3000 Fans hat Felten-Leidel inzwischen. Ihre Texte postet sie auf Englisch und Deutsch.
Zur Person
Beate Felten-Leidel (Jg. 1955) hat in zwei Sachbüchern ihren Umgang mit der Angst und ihrer eigenen Hochsensibilität thematisiert. Außerdem hat sie zwei Romane veröffentlicht, in denen sie ihre Kindheit am Niederrhein verarbeitet.
Als Übersetzerin hat sie unter vielen anderen fiktionalen Werken die Krimis der Kanadierin Charlotte MacLeod ins Deutsche übertragen, außerdem zahlreiche Fachbücher, darunter eines über Käse.
Während des Studiums lebte Felten-Leidel in Kent, die Liebe zur englischen Insel hat auch den Brexit überdauert. Ihre Mäuse-Stadt ist also eigentlich eine Mouse-City, denn alle Gebäude haben englische Schilder, ihre Mäuse sind nach internationalen Käsesorten benannt. „Das kam daher, dass ich mal ein Käsebuch übersetzt habe“, sagt die Anglistin, die sich gerne zu einer gewissen Verrücktheit bekennt.
Cheddar und Mozzarella sind ihre Ur-Mäuse. „Das waren die ersten, mit denen alles begann, die zwei stammen aus Chile“, auch ihr Instagram-Auftritt heißt Cheddarandmozzarella.
Doch weil Mäuse sich sehr schnell vermehren, gibt es jetzt um die 70 Tiere, die Käsenamen zu finden wird also nicht einfacher. „Und alle haben ihren ganz eigenen Charakter“, sagt die Mäuse-Regisseurin. Da ist zum Beispiel der hochbegabte Stilton, der aber wenig spricht, und seine Freundin Mila (benannt nach einem italienischen Käsehersteller) , die umso mehr redet und wegen ihrer großen Neugier und Leidenschaft fürs Schreiben gerne Mausland-Korrespondentin werden möchte . Dann gibt es noch Inga, die ein wenig anders ist und einer großen Familie aus Lettland entstammt. Sie hat ein rosa und ein beiges Öhrchen und weiß noch nicht genau, wer sie – oder er? – sein möchte.
Kölnerin baut die Mäuse-Häuser selbst
Besonders viel Zeit hat Felten-Leidel im letzten Jahr auch in die Behausungen gesteckt. Am Anfang hat sie Haus-Sets aufgebaut, später quasi freihändig Häuser gebaut. Das von Harry Potter inspirierte windschiefe Hexenhaus hat sie in monatelanger Feinarbeit aus Leichtschaumplatten und allerlei Zubehör, was auch Modelleisenbahn-Fans benutzen, zusammengebaut.
Die Schilder in englischer Sprache bezieht sie aus England. Kein Zufall, dass auch hier und da Banksy-Graffiti auf den Häuserwänden prangen. Alle Häuser lassen sich öffnen, die Maus-Familien täglich neu in Szene gesetzt. „Ich erinnere mich, dass ich als Kind nie mit dem Puppenhaus meiner Cousine spielen durfte, vermutlich ist das jetzt eine späte Art der Kompensation“, sagt Felten-Leidel schmunzelnd.
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Ihre Lieblingsmäuse sind die Hexen, denn die können einen Trank brauen, der gegen Corona wirkt – und gegen Angst. „Wer einmal im Bett der Hexen schläft, der fürchtet sich nicht mehr.“ Angst vor den Mäusen hat auch die Maine Coon Katze Alice nicht. „Sie ist vermutlich die einzige Katze, die sich von Mäusen auf dem Kopf herumtanzen lässt“.
Aber mit stolzen 16 Jahren ist sie vermutlich schon so altersmilde, dass sie nichts mehr aus der Ruhe bringt. Immerhin ist sie die letzte Überlebende einer ganzen Reihe von Katzen, die Felten-Leidel ihr ganzes Leben über begleitet haben. Alice ist auch schon in der Mäusewelt verewigt, ihr Ebenbild aus Filz lebt bei den weisen Hexen.