Nachbarn in Köln-Sülz genervtLager von Gorillas und Flink sorgen für Verkehrschaos
Sülz – Die Gorillas sind los. Im Kerngebiet von Sülz schwärmen sie aus, seitdem sich der Lebensmittel-Lieferdienst mit dem tierischen Namen an der Marsiliusstraße 28 angesiedelt hat. Von dem dortigen Lager aus sind Fahrradboten unterwegs.
Es ist ein ständiges Hinein- und Hinausradeln in die Einfahrt, wenn auf der engen Straße kein Platz ist, gerne über den Bürgersteig – wo sie einer Nachbarin fast über die Füße fahren, wenn sie aus dem Haus tritt. „Das ist hier wie ein Bienenstock“, ärgert sie sich. Ein unglücklicher Zufall hat die Situation zugespitzt.
Flink ist dasselbe in Pink
Der Konkurrent der Firma Gorillas, der Lebensmittel-Lieferservice Flink, hat sich zwei Häuser weiter an der Marsiliusstraße 24 niedergelassen, seitdem mischen sich unter die Radler mit den großen Gorillas-Rucksäcken auf der Straße noch solche mit rosaroten Shirts: „Flink ist das gleiche in Pink“, seufzt die Anwohnerin. Die Folgen für die Nachbarschaft sind laut Schilderung der Nachbarschaft aber weit gravierender als nur die starke Zunahme des Radverkehrs auf der Straße und den Bürgersteigen.
Anette Seibert, die in einer der Wohnungen an der Marsiliusstraße 28 lebt, schildert sie genauer: „Morgens um 6.30 Uhr kommen die ersten Lkw, die die Waren anliefern, auch samstags. Oft parken hier zwei, drei hintereinander in der engen Straße. Sie ignorieren Halteverbotszonen, versperren sowohl die Zufahrt zu den Garagen der Anwohner als auch die Straße, was zu Behinderungen des fließenden Verkehrs und zu Hupkonzerten der ausgebremsten Fahrzeuge führt“, schildert sie.
Laufende Motoren und Kühlaggregate
Die Anlieferungen würden auch in anderer Hinsicht erheblichen Lärm verursachen: durch laufende Motoren und Kühlaggregate, durch fiepende Einparkhilfe-Systeme der rangierenden Lkw, durch das Entladen der Waren und Schieben der Europaletten und Rollcontainer über den Bürgersteig in das Lager. „Das nimmt in der Regel bis zu einer halben Stunde in Anspruch“, schildert Seibert. Vorher sei in der Halle ein Handwerksbetrieb angesiedelt gewesen, der deutlich weniger Lärm und Verkehrsbehinderungen verursacht habe – vor allem aber während der gewöhnlichen Arbeitszeiten.
Auch Marsiliusstraßen-Anwohner Viktor Gamon ist genervt: Die Lkw parken verbotswidrig auf den Bürgersteigen oder vor den Ausfahrten“, beschreibt er. „Es ist ein Wunder, dass noch nichts passiert ist. Ich habe in einer Woche 25 Lkw für beide Firmen gezählt.“ Die „Gorillas“ und „Flink“ würden sich als „umweltfreundliche Unternehmen“ preisen, da sie Lebensmittel mittels Fahrradkurieren liefern. „Tatsächlich“, so Gamon, „erfolgt aber nur der letzte Kilometer der Lieferung per Fahrrad.“ Seibert hat Beschwerden an das Ordnungs-, Umwelt und Bauaufsichtsamt geschrieben.
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Stadtverwaltung sieht Lage weniger kritisch
Die Stadtverwaltung beurteilt die Lage vor Ort allerdings weniger kritisch: Den Ordnungsdienst der Stadt Köln erreichte im Januar lediglich eine Bürgerbeschwerde wegen Lärms bei der Anlieferung in der Marsiliusstraße 28“, schreibt Katja Reuter, Sprecherin der Stadt. „Vor Ort konnte der Ordnungsdienst weder zum Zeitpunkt der Beschwerde noch in den Folgetagen zu unterschiedlichen Uhrzeiten Lärm feststellen.
Beim Verkehrsdienst gingen von Januar bis Juli insgesamt drei Bürgerbeschwerden zu dem genannten Bereich ein, der sich jedoch im Wesentlichen als unauffällig darstellt“, so Reuter. „Es wurde nur eine Verwarnung wegen Haltens im Halteverbot ausgesprochen.“ Das Bauaufsichtsamt würde derzeit prüfen, ob es dort einschreiten muss. Ein entsprechender Hinweis sei eingegangen.
Die Unternehmen nehmen laut eigener Aussage die Kritik der Anwohner ernst: „Wir stehen mit ihnen in einem regelmäßigen Austausch, sowohl telefonisch als auch durch den direkten Kontakt vor Ort“, sagt Tobias Hönig, Pressesprecher der Firma Gorillas. „Auch mit den zuständigen Behörden in den Bezirken, in denen wir Warehouses betreiben, stehen wir in engem Kontakt.“ Wie in Supermärkten würden die Waren mitunter außerhalb üblicher Geschäftszeiten, beispielsweise früh morgens angeliefert, gibt Hönig zu. „Wir stellen jedoch sicher, dass die gesetzlichen Ruhezeiten von unseren Lieferanten streng eingehalten werden.“
Firmen wollen den Austausch mit Anwohnern
Aufbauend auf Gesprächen mit den Anwohnern und Anwohnerinnen habe das Unternehmen bereits bauliche Veränderungen an einigen Standorten angestoßen, am Standort Köln-Sülz beispielsweise den Schallschutz aufgerüstet und Toreumgebaut. Man halte Lieferanten dazu an, ihre Hubwagen mit geräuschlosen Gummirollen statt Rollen aus Hartplastik auszustatten. Auch die Firma Flink bekundet, dass sie mit den lokalen Behörden im Austausch stünde und versuchen würde, aktiv einen guten Kontakt in die Nachbarschaft aufzubauen.
„Am Standort Köln-Sülz hat unser Standortchef beispielsweise mit Flyern zum direkten Dialog mit den Anwohnern aufgerufen, seine Handynummer verbreitet und steht jederzeit zur Verfügung“, so Flink-Sprecher Simon Birkenfeld. „Wenn es Störungen für Anwohner gibt, wollen wir die gemeinsam schnellstmöglich lösen und eine angenehme Grundlage für alle Beteiligten schaffen.“
Nachbarn widersprechen den Firmen
Anette Seibert widerspricht der Aussage der Firma Gorillas, wonach Ruhezeiten eingehalten werden: „Ich werde fast jeden Morgen zwischen 4.40 Uhr und 5.30 Uhr aus dem Schlaf gerissen“, beschreibt sie, „weil das Rolltor hochkracht und der Putzservice in der Halle herumlärmt. „Hier wurde weder am Schallschutz gearbeitet, noch das Tor umgebaut. „Es wird wortreich und blumig erzählt, was man alles ändern wird. Nur, ändert sich nichts.“
Auch die Darstellung der Stadtverwaltung ärgert sie: „Seit nunmehr Anfang April liegt der Bauaufsicht die Beschwerde vor. Vor drei Wochen hat der von mir beauftragte Anwalt die Bauaufsicht angeschrieben; weder mir noch ihm gegenüber erfolgte irgendeine Reaktion.“ Die Situation in der Marsiliusstraße sei auch nicht im Wesentlichen unauffällig, sondern genauso, wie sie und ihre Nachbarn sie beschreiben.
Unsere besten Texte 2021 – dieser Text ist erstmals am 26. Juli 2021 veröffentlicht worden.